Unter
all dem, was sich als Festspiele bezeichnet und Theater-, Musik-, Film- und
andere Kunstformen in mal großem, mal intimem Rahmen zelebriert, sind die
Oberammergauer Passionsspiele gleich mehrfach einzigartig. Nicht nur haben sie
einen legendenhaften Anfang, indem sie auf das Gelübde der Bewohner des bayerischen
Bergdorfes Oberammergau aus dem Jahr 1633 zurückgehen, zu Ehren Gottes alle
zehn Jahre das Spiel vom Leiden Jesu aufzuführen, wenn sie in der Zukunft von der
damals wütenden Pest verschont blieben.
Seit 1634 fanden sie tatsächlich in festem Turnus statt und wurden – da bis heute keine Pesttoten mehr im Dorf verzeichnet wurden – im Laufe der Jahrhunderte immer wieder, stets gegen heftigen Widerstand, den jeweils gewandelten Zeitläuften angepasst. Der aus dem Ort stammende Regisseur Christian Stückl verantwortete die Umsetzung erstmals 1990 und fügte damals und seitdem bei jeder Neuinszenierung Modernisierungen hinzu, die das über Monate vor Hunderttausenden Zuschauern aufgeführte Passionsspiel auch im 21. Jahrhundert zum Phänomen machen.
Stückls
Innovationen wurden schon mehrfach dokumentarisch aufgearbeitet, am
ausführlichsten in „Die große Passion“ über die Passionsspiele
2010. Gegenstand des neuen Films von Alexander Saran sind
die Vorbereitungen und Proben für die folgenden Spiele, bei denen Saran über
Jahre das Casting verfolgt, bei dem Stückl einmal mehr für Gesprächsbedarf
sorgt, weil er einen Moslem als Judas besetzen will, während nach wie vor jeder
Oberammergauer, der in dem Stück mitspielen möchte, vertraglich irgendeine
Rolle erhalten muss.
Auch der Bühnenbau und die anderen kreativen Überlegungen spielen mit rein. Unbeabsichtigt zu Drehbeginn, ist der Film nicht nur eine Dokumentation über eine letztlich reibungslose Traditionsaufführung geworden, wurden doch auch die Veranstalter der Passionsspiele 2020 böse vom Aufkommen der Corona-Pandemie überrascht. So kann Saran auch einfangen, welche Überlegungen im Folgenden angestellt wurden, nachdem die 2020er-Spiele abgesagt und schon damals auf 2022 verschoben worden waren, und auf das Bangen unter den Beteiligten, ob nicht auch dieser Termin wieder scheitern würde. – Ab 12.