Wenn es hochbegabte Menschen gibt, dann muss es auch das Gegenteil davon geben: „tiefbegabte“ Menschen. So jedenfalls lautet die Logik des etwa zehnjährigen Rico, der sich gerne als „tiefbegabtes Kind“ vorstellt und offen dazu steht, dass ihm manchmal die Gedanken wie Bingo-Kugeln aus dem Kopf fallen. Rechts und links unterscheiden, sich den Weg zum Supermarkt um die Ecke des heimischen Mietshauses in der Dieffenbachstraße 93 in Berlin-Kreuzberg merken, verstehen, wie eine gekochte Nudel auf den Bürgersteig geraten ist – das sind typische Herausforderungen, vor denen Rico Tag für Tag steht. Nachbar Fitzke nennt ihn deshalb einen Schwachkopf, und auch die dreisten Zwillinge aus dem Dachgeschoss hacken mit Vorliebe auf Rico herum.
Dass Rico langsamer als andere denkt, macht ihn freilich nicht zum einfach gestrickten Antihelden, den man besonders wegen seiner Schwächen ins Herz schließt – das wäre für eine Romanfigur des Kinder- und Jugendbuchautors Andreas Steinhöfel einfach zu kurz gegriffen. Wie sein literarisches Vorbild ist Rico alles andere als „doof“, vielmehr ein komplexer Typ, den die selbstbewusste Annahme seiner Defizite stark macht.