Marvins Töchter

Drama | USA 1996 | 98 Minuten

Regie: Jerry Zaks

Das angespannte Verhältnis zweier Schwestern, die sich auf Grund der Leukämie-Erkrankung der einen nach 20 Jahren wiedersehen, entkrampft sich nur allmählich. Mittendrin steht der verhaltensgestörte Sohn der anderen, der bei seiner Tante Wärme und Anerkennung und die Möglichkeit findet, sich auch der Mutter zu öffnen. Ein kammerspielartig entwickelter Film, der seinen Schauspielern die Chance bietet, alle Register ihres Könnens zu ziehen. Trotz der ernsten Themen ist er voller Humor und zeigt auf, das Hoffnung immer möglich ist. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MARVIN'S ROOM
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
Tribeca
Regie
Jerry Zaks
Buch
Scott McPherson
Kamera
Piotr Sobocinski
Musik
Rachel Portman
Schnitt
Jim Clark
Darsteller
Meryl Streep (Lee) · Diane Keaton (Bessie) · Leonardo DiCaprio (Hank) · Robert De Niro (Dr. Wally) · Hume Cronyn (Marvin)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.85:1, DS engl./dt.)
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Diskussion
Zwanzig Jahre hat es gedauert, bis sich die Schwestern Lee und Bessie wiedersehen. Bessie hat den bettlägrigen Vater aufopferungsvoll gepflegt und sich um dessen leicht verschrobene Schwester gekümmert. Lee hat die Zeit genutzt, um ihr eigentlich verkorkstes Leben zumindest halbwegs in den Griff zu bekommen. Doch weit ist sie damit nicht gekommen. Deutlichstes Zeichen ist der halbwüchsige Sohn Hank, aufsässig und verstockt, der gerade erst seiner Mutter das Haus angezündet hat und nur der Familienzusammenführung halber aus der Psychiatrie beurlaubt wurde. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn ist mehr als gespannt. Auch das Treffen mit Lee verläuft anders als geplant. Schnell ist die geheuchelte Wiedersehensfreude einer allgemeinen Gereiztheit gewichen. Die Spannungen überschatten den eigentlichen Zweck des Besuches. Bessie ist an Leukämie erkrankt, nur eine Knochenmarktransplantation kann sie retten, der Spender sollte aus dem engsten Familienkreis kommen. Während für Lee und ihren kleinen Sohn Charlie diese Hilfe außer Frage steht, behält sich Hank eine Entscheidung vor. Doch in der entspannten Atmosphäre des Hauses, angesichts des liebevollen Umgangs Bessies mit ihrem Vater entkrampft sich der ewig angespannte junge Mann. Er nähert sich der Tante an, baut ein für seine Verhältnisse liebevolles Verhältnis auf, wobei er sich jedoch immer eines Schlupflochs für einen schnellen Rückzug versichert. Lee beobachtet diese Entwicklung mit Verwunderung und nutzt die Gelegenheit, um an ihren Sohn heranzukommen. Ein Unterfangen, das nicht ohne seelische Blessuren vonstatten geht, das aber auch einige (schmerzhafte) Wahrheiten zutage fördert, die das Muttersohn-Verhältnis günstig beeinflussen. Schließlich stimmt auch Hank dem Knochenmarktest zu, doch als Spender kommt keiner der drei in Betracht. Als Bessie angesichts dieser schlechten Nachricht in Panik gerät, kann Lee endlich über ihren Schatten springen und der Schwester beistehen. Das Ende vereint alle Beteiligten in Marvins Zimmer. Ein Ort des Friedens, an dem die Familie endlich wieder zueinander und jeder einzelne ein wenig mehr zu sich gefunden hat.

Seine Herkunft vom Theater kann und will "Marvins Töchter" nicht leugnen. Fast kammerspielartig wird die Handlung entwickelt, alle Dynamik geht von den Personen aus, die ein sehr instabiles, sich ständig veränderndes Spannungsfeld untereinander auf-und ausbauen. Ein solches Regiekonzept versetzt die Schauspieler natürlich in die Lage, ihr ganzes Können in die Waagschale zu werfen, gegen- und miteinander aufzuspielen, wobei jede der Rollen sehr vielschichtig angelegt ist. Lee verbirgt hinter ihrem rauhen Wesen Angst vor Verletzungen und Nähe; auch die stille, verständnisvolle Bessie plagen mannigfaltige Ängste, ihrer Fürsorge scheint ein Helfersyndrom zugrunde zu liegen; Leonardo DiCaprio legt seine Rolle des unverstanden jungen Mannes ein wenig wie weiland James Dean an - hart und ungemein verletzlich zugleich. Ein Schauspielerfilm, bei dem auch Robert De Niro nicht nachstehen will, der als kauziger und vergeßlicher Arzt Dr. Wally brilliert und sich gegen sein Klischee des "tough guy" in Szene setzt.

Neben den schauspielerischen Leistungen überzeugt auch das dramaturgische Konzept, durch das die Vielzahl der ernsten Themen auf den Kopf gestellt wird. Beschwingt, mitunter mit absurder Komik werden Krankheit, Siechtum, Sterben und der dramatische Mutter-Sohn-Konflikt dargeboten, wobei die Probleme nicht an billige Witzchen verraten werden, sondern sich alles in ein durchaus stimmiges Ganzes einfügt. Das Ergebnis ist ein Film, der zu Tränen rührt, seine Protagonisten jedoch nicht in Traurigkeit erstarren läßt, sondern ihnen das (Lebens-) Elixier des Humors bereitstellt. Dies mag auf den ersten Blick verunsichern, doch im Laufe der Zeit wird ein Kosmos geschaffen, der trotz Angst und Gefühlskälte immer wieder eine kleine warmherzige Nische bereitstellt, die ein wenig Schutz und Geborgenheit bietet. "Marvins Töchter" ergeht sich nicht in weinerlicher Verzweiflung, sondern zeigt die Schönheit auch in scheinbar ausweglosen Situationen, zeigt, daß es nie nur Schwarz gibt, sondern immer eine kleine Hoffnung. Diese fällt allerdings keinem in den Schoß, um sie muß man ringen.
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