Stirb nicht ohne mir zu sagen, wohin du gehst

Komödie | Argentinien 1995 | 130 Minuten

Regie: Eliseo Subiela

Ein Filmvorführer und Erfinder in Buenos Aires lässt durch eine Maschine, die Träume visualisiert, seine Ehefrau aus einem früheren Leben auferstehen und hält mit diesem ätherischen Wesen, das nur er zu sehen vermag, innige Zwiesprache. Ein poesievolles, reich verschachteltes filmisches Märchen über die Magie der Liebe, die den Tod überdauert, über den Tod selbst sowie die Wiedergeburt. Im Rahmen eines bizarren magischen Realismus entwickelt sich ein ebenso eigenwilliger wie faszinierender Kosmos, in dem Skurriles, Ironisches und Sentimentales bruchlos ineinander fließen. Immer nah an der Grenze zum Kitsch balancierend, bietet der Film großes Gefühlskino mit Pathos und Humor. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
NO TE MUERAS SIN DECIRME A DONDE VAS
Produktionsland
Argentinien
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Artear Argentina/Instituto Nacional de Cine y Artes Visuales
Regie
Eliseo Subiela
Buch
Eliseo Subiela
Kamera
Hugo Colace
Musik
Pedro Aznar
Schnitt
Marcela Sáenz
Darsteller
Mariana Arias (Rachel) · Darío Grandinetti (Leopoldo) · Oscar Martínez (Oscar) · Mónica Galán (Susana) · Tincho Zabála (Don Mario)
Länge
130 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
Abschied über den Dächern von Buenos Aires. Der Himmel ist in ein künstlich-kitschiges oranges Abendrot getaucht, und eine schöne Frau in einem weißen Kleid der viktorianischen Epoche verabschiedet sich von einem jungen Argentinier: „Wir müssen uns im Leben treffen. Aber du mußt mir eins versprechen. Das nächste Mal stirb nicht, ohne mir zu sagen, wohin du gehst...“ Träume, Tod und die Spontaneität großer Gefühle, magischer Realismus à la Eliseo Subiela – ein altes Kino in Buenos Aires stirbt an Zuschauermangel, und der aufgebahrte tote Besitzer zwinkert dem Protagonisten noch einmal zu: „... die Morgendämmerung soll nicht auf mich zählen.“ Der Filmvorführer Leopoldo ist ein Tüftler, der beispielsweise die Gefühle und seelischen Schwingungen seiner Topfpflanze mit einem kleinen Apparat messen kann. Für seine Umgebung scheint er nie erwachsen zu werden, und während seine Frau mit dem Schicksal und der ständigen Geldknappheit hadert, entwickelt er etwas Neues: einen Traumdetektor, „eine Revolution in der Psychoanalyse“. Durch die neue Maschine, die Träume visualisiert, findet er im wahrsten Sinne seine Traumfrau Rachel, seine Ehefrau aus einem früheren Leben, als er noch als Assistent von Thomas Edison an der Erfindung des Kinos arbeitete. Doch nur Leopoldo sieht das ätherische Wesen, das durch Wände gehen kann und im Gegensatz zu ihm nicht wiedergeboren wurde. Für die anderen scheint es, als würde der Filmvorführer und Erfinder in permanente wunderliche Selbstgespräche verfallen.

Subiela wäre nicht Subiela, wenn sich seine Filme nach den Regeln konventioneller Drehbuchanalytiker in fünf Sätzen zusammenfassen ließen. „Der Tod ist nicht das Ende. Er ist ein Wandel. Was uns unsterblich macht, ist die Liebe.“ In diesem Fall ist es eine Liebe durch die Jahrhunderte, durch transzendente Sphären hinweg. Subielas Film steht ganz in der Tradition der argentinischen Literatur des Fantastischen, die die romantische Vision mit den Elementen des Science-Fiction verbindet. Er entstand, so Eliseo Subiela, nach einer kurzen und schweren Krankheit, die ihm das Thema Tod und Wiedergeburt als dringenden und notwendigen Inhalt nahebrachte. Vielleicht ist es diese existentielle Erfahrung des Regisseurs, die das Zusammenspiel der unterschiedlichen Handlungsebenen so schlüssig wirken läßt – bei all seiner verschachtelten Handlung, den unterschiedlichen Erzählebenen, den bizarren Nebenfiguren. Fast alle Filme Subielas kreisen um die Konfrontation poetischer Sinnlichkeit mit der trockenen Realität, das Aufeinanderprallen von Träumen mit dem spröden Alltag. Auch Leopoldo ist ein Traumtänzer auf der Suche nach dem Eigentlichen, dem Wesentlichen. Hier ist es die Vereinigung mit der Geliebten aus einem vergangenen Leben, eben jener Traumfrau, die lautlos durch Wände gehen kann. Die Geschichte erscheint dabei wie ein Tango: pathetisch, sentimental und auch mit augenzwinkerndem Humor. Nur im Kontext eines bizarren magischen Realismus wirkt dieses Thema so mitreißend, und kaum ein anderer Regisseur hätte es mit dem nötigen Pathos und dem nötigen Humor fassen können. Subiela, gewiß einer der eigenwilligsten Poeten des argentinischen Films, balanciert in seiner pathetischen Poesie immer dicht an der Grenze zum Kitsch.

„Stirb nicht ohne mir zu sagen, wohin du gehst“ ist ein Märchen wie aus dem Dunkel der Traumdeutung, in der das Skurrile immer präsent ist, Ironisches und Sentimentales ineinanderfließen. „Soy Carlos un cuerpo de metal con un corazón argentino“ („Ich bin Carlos, ein Metallkörper mit argentinischem Herzen“), präsentiert sich Carlitos, der blecherne Roboter, der – so sein Erfinder – als „Synthese des nationalen Wesens“ Tangos von Carlos Gardel singt, wobei sein Hirn aus Platzgründen im Hinterteil eingebaut wurde. Subielas Film ist Kino für die große Leinwand, Autorenfilm für ein breites Publikum, denn Subiela spielt mit den Elementen des großen Gefühlskinos. So etwa mit dem Happy End, das gerade durch seine Konventionalität im klassischen freudianischen Sinn besonders doppeldeutig bleibt. Es ist der ganz besonderen Poesie Subielas zu verdanken, daß es der Geschichte gelingt, zwei Stunden lang zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen den Klischees von Liebe und Leidenschaftlichen auf den Spuren der „Traum-Maschine Kino“ zu wandeln.
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