Running out of Time

- | VR China/Hongkong 1999 | 92 Minuten

Regie: Johnnie To

Ein todkranker Gangster in Hongkong spielt ein Katz- und Mausspiel mit seinem Jäger und macht ihn so zum Mittelsmann eines letzten Coups. Ein ebenso heiterer wie melancholischer Actionfilm, stringent und spannend entwickelt, dabei voller lyrischer Momente. Reizvoll und unaufdringlich fließt in die schlichte Handlung die Reflexion über Zeit, aber auch über das Geheimnis menschlicher Lebenserwartung ein. (O.m.d.U.) - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
AUM JIN | RUNNING OUT OF TIME
Produktionsland
VR China/Hongkong
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Milkyway Image
Regie
Johnnie To
Buch
Laurent Courtiaud · Julien Carbon
Kamera
Siu-Keung Cheng
Schnitt
Chan Chi Wai
Darsteller
Andy Lau (Wah) · Lau Ching-wan (Sang) · Yoyo Mung (Ting) · Lee Chi Hung (Chan)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Sun Film (16:9, 1.85:1, DD5.1 chin./dt.)
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Diskussion
Das junge Hongkong-Kino erlebte seine klassische Phase zeitgleich mit der Postmoderne. So wurden Erzählformen zur selben Zeit erschaffen und konterkariert, und obwohl man nichts so ernst nimmt wie die Unterhaltung, nimmt man sie doch niemals wirklich ernst. Noch immer lebt dieses Kino im glücklichen Zustand lustvoller Unbefangenheit, die alles wagen darf und doch für nichts wirklich einzustehen braucht: eine besondere Art unbefristeter Jugendlichkeit. Dabei galt es, genug Krisen in den letzten Jahren zu überstehen: das Ende der Kolonialzeit und die Asien-Krise, und doch entstehen jedes Jahr noch immer Filme wie „Running out of Time“: energetisch, verspielt und beseelt von einem augenzwinkernden und doch durchaus ernsten Blick auf den Tod, wie er jemanden gerade beim Erwachsenwerden beschleichen kann. Die Filme, die der Regisseur und Produzent Johnnie To für seine Produktionsfirma Milkyway realisiert, waren in diesem Sinne freilich meist erheblich dunkler gefärbt. Ausgerechnet in der Geschichte eines Gangsters, der nur noch wenige Wochen zu Leben hat, überwiegen hier die helleren Töne.

Andy Lau, einer der größten Pop-Stars Hongkongs, spielt diesen Gangster, und sein jungenhaftes Image setzt einen überraschenden Kontrapunkt zur von Krankheit angekratzten Coolness seiner Filmfigur. Die Taschen voll mit Schmerztabletten macht sich Gangster Wah auf zu seinem letzten Coup - einem Juwelenraub in einer Finanzierungsgesellschaft, dessen wahrer Zweck freilich die Enttarnung der Drogendealer im Hintergrund ist. Geschickt erregt er die Aufmerksamkeit der Polizei, und unbemerkt macht er sich seinen designierten Jäger zum Gehilfen - einen unorthodoxen Spezialisten für Geiselsituationen. Solch brüderliche, fast erotische Beziehungen zwischen Gesetzlosen und Gesetzeshütern haben Tradition im Hongkong-Kino - man denke nur an John Woos „The Killer“ (fd 32 399). Einmal findet diese Affinität in einer der vielen anrührenden Wendungen von „Running Out of Time“ sogar zu physischem Ausdruck: Als sich Wah mit einer Frauenperücke tarnt, überlässt er seinem Jäger einen Koffer mit der vermeintlichen Millionenbeute nur im Austausch gegen ein ungewöhnliches Unterpfand: einen Kuss. Zu diesem Zeitpunkt blickt Inspektor Sang längst hinter das Gesicht des Gangsters in nobler Mission und spielt dessen Spiel mit. Sein Darsteller, Lau Ching Wan, trägt eines der markantesten Gesichter im chinesischen Kino: Wie Al Pacino oder Robert De Niro hindern ihn seine etwas zu rauen Gesichtszüge daran, auch in positiven Rollen das Zwielichtige ganz abzulegen. Einmal vergleicht ihn sein Gegenspieler mit einem Hund - und es ist ganz klar, dass es sich dabei nur um den traurigen Polizeihund Droopy aus Tex Averys Cartoons handeln kann. Wie bei Avery wird die äußere Geschwindigkeit der Verfolgungsjagd gebrochen an einer inneren Rastlosigkeit der Charaktere, die jede Zielgerichtetheit verloren hat. So rennt Wah gegen seine verbliebene Lebenszeit an und doch zugleich dem Tod entgegen, einzig verstanden von seinem Verfolger, der sich bereitwillig der leeren Motorik dieses Rituals unterwirft. Aber wie oft bereiten gerade die wenig zweckdienlichen Reisen Überraschungen am Wegesrand. Für Wah ist es eine wortlos angedeutete Liebesgeschichte im Konjunktiv: Da bietet ihm eine rätselhafte Schöne, die den ganzen Film über mit demselben Linienbus unterwegs ist, bereitwillig Tarnung in ihrer Gesellschaft. Er bedankt sich mit einem Diamanten. Doch für die Erfüllung der Romanze fehlt es ihm nun einmal, so verlangt es das Titelmotiv, am entscheidenden Gut: der Zeit. Johnnie To hat im Jahr 1999 nicht weniger als drei Filme fertig gestellt. Dabei ist „Running Out of Time“ alles andere als ein Routineprodukt. Im Umgang mit seinem Thema - dem Geheimnis menschlicher Lebenserwartung - findet To zu fimisch adäquaten Mitteln: Das Weglaufen der Zeit, das der Filmtitel so anschaulich benennt, ist auch ein ursächliches Problem des Kinos.
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