Enigma - Das Geheimnis

- | Großbritannien/Deutschland/USA 2001 | 118 Minuten

Regie: Michael Apted

Angesichts der akuten Bedrohung eines Versorgungskonvois auf dem Atlantik durch deutsche U-Boote arbeiten britische Wissenschaftler und Geheimdienstler 1943 fieberhaft daran, den Chiffriercode der Nazis zu knacken. Damit verbunden, wird von der Suche eines Mathematikers nach seiner Geliebten erzählt, die womöglich als Nazi-Agentin ins Dechiffrierzentrum eingeschleust worden war. Episch breite, realistische und sachliche Verfilmung eines Erfolgsromans von hoher Grundspannung, die psychologische Motivationen und moralische Skrupel der Figuren sensibel ausgeleuchtet. Das Finale konfrontiert mit einem weltpolitischen Ränkespiel, das über die Liebes- und Spionagegeschichte hinaus zu anhaltender Nachdenklichkeit beiträgt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ENIGMA
Produktionsland
Großbritannien/Deutschland/USA
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Jagged Films/Broadway Video/Senator/Intermedia/MeesPierson Film
Regie
Michael Apted
Buch
Tom Stoppard
Kamera
Seamus McGarvey
Musik
John Barry
Schnitt
Rick Shaine
Darsteller
Dougray Scott (Tom Jericho) · Kate Winslet (Hester) · Saffron Burrows (Claire) · Jeremy Northam (Wigram) · Nikolaj Coster-Waldau (Puck)
Länge
118 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Universal (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Enigma ist das griechische Wort für Rätsel. Tatsächlich war es zunächst äußerst rätselhaft, welchen Code die Deutschen für ihre Funksprüche im Zweiten Weltkrieg benutzten. Mit ihrer „Enigma“ genannten Verschlüsselungsmaschine, die aus vier Walzen und einer Reihe von Steckverbindungen bestand, konnten bis zu 150 Billionen verschiedene Codierungsmöglichkeiten für einen einzigen Buchstaben gewählt werden. Die Erfindung ging auf einen amerikanischen Bauunternehmer zurück, der im Ersten Weltkrieg vergebens versucht hatte, sie der US-Armee anzubieten. Erst nach verschiedenen Metamorphosen wurde sie von Hitlers Heer, Marine und diplomatischem Dienst übernommen und bis zur Perfektion geführt. Natürlich versuchten ausländische Geheimdienste, die „Enigma“ zu knacken. Polnische Mathematiker kamen dem Prinzip der Maschine schon 1932 auf die Spur und teilten ihre Erkenntnisse im Juli 1939, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, den Engländern mit. Zwischen 1941 und 1943 wurde das Geheimnis dann endgültig gelüftet: Die Forschungen, die zu diesem Zweck im Londoner Zentrum Bletchley Park angestellt worden waren, trugen wesentlich zum Sieg der Alliierten bei. Was „Enigma“ war und wie es hinter den streng bewachten Toren der damit befassten Geheimdienste zugegangen sein könnte, wurde im Film schon mehrfach beleuchtet. Einem polnischen Versuch aus den 80er-Jahren folgte u.a. das britische Fernsehdrama „Breaking the Code“ (1997), in dem Herbert Wise vor allem das Schicksal des Mathematikers Alan Turing umriss, der „Enigma“ 1940 erstmals geknackt hatte, sein Heldenimage aber wegen seiner Homosexualität verlor. Eine unbedarfte Variante zum Thema steuerte unlängst Stefan Ruzowitzky mit „Die Männer ihrer Majestät“ (fd 35 196) bei. Michael Apteds „Enigma“ ist da sehr viel ernster zu nehmen. Apted verknüpft historisch Verbürgtes mit einer fiktiven Liebesgeschichte. Tom Jericho, ein junger, stets übermüdeter und nervöser Mathematiker, kommt zu Beginn nach einem Klinikaufenthalt nach Bletchley Park zurück. Ins Krankenhaus war er wegen eines Nervenzusammenbruchs eingeliefert worden: Claire, seine ebenfalls in Bletchley Park beschäftigte Geliebte, hatte ihn verlassen. Inzwischen ist sie sogar spurlos verschwunden; mehr und mehr erhärtet sich der Verdacht, dass sie als Nazi-Spitzel tätig gewesen war. Die Spannung des Films resultiert nun zum einen aus immer neuen, mysteriösen Entdeckungen, die Tom während seiner Suche nach Claire macht; zum anderen entsteht sie aus dem akuten Kriegsgeschehen, bei dem ein alliierter Versorgungskonvoi mit Lebensmitteln im Nordatlantik von deutschen U-Booten bedroht wird – eine Gefahr, der nur durch die schnellstmögliche Entschlüsselung des Enigma-Codes begegnet werden kann. Beide Handlungslinien werden immer wieder zusammengeführt, ohne jedoch in eine ununterbrochene Folge spektakulärer Verfolgungsjagden und Stunts zu münden. Statt James Bond zu imitieren – was dem Regisseur des 007-Opus „Die Welt ist nicht genug“ (fd 34 002) wohl kaum schwergefallen wäre –, inszeniert Apted eher sachlich, episch breit, mit ruhiger Hand. Er lässt sich Zeit, um die Figuren einzuführen, erklärt beiläufig, gleichsam populärwissenschaftlich, das Prinzip der „Enigma“-Maschine, belässt auch die wenigen Actionszenen im Rahmen einer stets glaubhaften, realistischen Erzählweise. Das schließt nicht aus, dass er dem Publikum einigen Nervenkitzel zumutet: Die Sequenz etwa, in der Tom mit Hilfe von Claires Zimmergenossin Hester in der Funkstation nach Kopien wichtiger Kryptogramme sucht und einer Entdeckung seines ungesetzlichen Tuns nur knapp entgeht, ist getreu nach Hitchcockschem Suspense-Muster erzählt. Überhaupt gelingt es sowohl Dougray Scott als auch Kate Winslet (als Hester) hervorragend, die Motivationen und moralischen Skrupel ihrer Figuren transparent zu machen. Die Suche nach Claire, das Bestreben, ihre Unschuld zu beweisen, bringt mit sich, gegen zahllose Vorschriften und geheimdienstliche Bestimmungen zu verstoßen – was nichts weniger als den Kopf kosten kann. Das Beharren auf dem eigenen Weg, nach der Wahrheit zu fahnden und der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, verbindet Kate Winslet mit der Verwandlung eines pummeligen Entleins in einen einigermaßen ansehnlichen Schwan: Mut, so zeigt sie, macht unter Umständen schön. Dass Tom und Hester in der gemeinsamen Gefahr ein Liebespaar werden, liegt dann zwar auf der Hand, wirkt aber dennoch etwas altbacken. Sehr viel erregender ist die Geschichte des wahren Verräters und seiner Gründe – bei denen es sich nicht um erotisch unterfütterte Missverständnisse und Konflikte, sondern um weltpolitisches Taktieren und knallharte Diplomatie handelt. Wie der Film ein Massaker an Hunderten polnischen Offizieren, begangen von der Sowjetarmee in Katyn, mit der „Enigma“-Story verknüpft, lässt an dramaturgischem Geschick nichts zu wünschen übrig und trägt zu einer Nachdenklichkeit bei, die weit über die Spionage- und Liebesgeschichte hinaus anhält.
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