Nussknacker und Mäusekönig

Kinderfilm | Deutschland/USA 2004 | 85 Minuten

Regie: Michael Johnson

Auf der Basis von E.T.A. Hoffmanns gleichnamiger Weihnachtserzählung konzipierte Geschichte eines kleinen Mädchens, das einen in einen Nussknacker verzauberten Prinzen und sein Reich erlöst. Der liebevoll gestaltete Animationsfilm versüßt die bei Hoffmann angelegte schaurig-skurrile Atmosphäre zwar etwas, präsentiert nichts desto trotz aber eine spannende und unterhaltsame Geschichte, in deren Verlauf das verträumte Mädchen ungeahnten Mut entwickelt und der verzogene Prinz zum guten Herrscher heranreift. - Ab 6.
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Filmdaten

Originaltitel
THE NUTCRACKER AND THE MOUSEKING
Produktionsland
Deutschland/USA
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
MC One/INFINE Telemagination Argus/Sandstorm Films
Regie
Michael Johnson · Tatjana Illyina
Buch
Andy Hurst · Ross Helford · Tatjana Illyina · Victor Perelman · Andrej Knishev
Musik
Peter Wolf
Schnitt
Martin A. Kuhnert
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 6.
Genre
Kinderfilm | Zeichentrick | Märchenfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
McOne (1:1.85/16:9/Dolby Digital 5.1)
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Diskussion
Sprechen durfte nun Marie nicht mehr von ihrem Abenteuer, aber die Bilder jenes wunderbaren Feenreichs umgaukelten sie in süßwogendem Rauschen und in holden lieblichen Klängen; sie sah alles noch einmal, sowie sie nur ihren Sinn fest darauf richtete, und so kam es, dass sie, statt zu spielen, wie sonst, starr und still, tief in sich gekehrt, dasitzen konnte, weshalb sie von allen eine kleine Träumerin gescholten wurde.“ In seinem erstmals 1816 veröffentlichten „phantastischen Märchen“ „Nussknacker und Mäusekönig“ vermischte E.T.A. Hoffmann Alltagswelt und Wunderbares zu einer skurril verschachtelten Geschichte, in der er ständig zwischen Poesie, Ironie und Kinderperspektive changierte. Wer auf vergleichbare romantische Poesie in dieser Verfilmung hofft, wird enttäuscht – fast hat man den Eindruck, keiner der Beteiligten habe sich die Zeit genommen, Hoffmanns Kunstmärchen in aller Ruhe zu Ende zu lesen. So finden sich bestenfalls sinnentstellte Bruchstücke der Geschichte, die zudem gegen jede Erzähllogik und fürs Zielpublikum äußerst verwirrend montiert wurden. Die Probleme fangen schon damit an, dass sich der Film nicht entscheiden mag, welche Figuren er eigentlich ins Zentrum der Geschichte stellt: die Träumerin, die hier Clara heißt? Oder doch eher den aus „Erziehungsgründen“ in einen Nussknacker verwandelten Prinzen? Oder doch den bösen, egozentrischen und machthungrigen Mäusekönig? Eröffnet wird er durch dessen lustige Mäuse-„Sidekicks“ Squeak und Bubble, was zu einer etwas verwirrenden Sympathieverteilung führt, die dadurch nicht gerade erleichtert wird, dass die Figur des „guten“ Zauberers Drosselmaier anfangs eher sinistre Züge trägt. Die Filmhandlung ist schlicht, entwickelt sich aber ungewöhnlich umständlich als Geschichte in der Geschichte: Ein ungehöriger, selbstbezogener und verwöhnter Prinz verwandelt am Weihnachtsabend durch eine Zaubernuss seinen Hofstaat in Spielzeuge und sich selbst in einen Nussknacker. Nur durch die Zuwendung eines „reinen Herzens“ kann er erlöst werden. Der Zauberer Drosselmaier zieht durch die Welt, auf der Suche nach einem reinen Herzen, die mit der Begegnung mit Clara erfolgreich beendet ist. Jetzt müssen Clara und der Nussknacker nur noch einige Abenteuer bestehen und den bösen Mäusekönig besiegen. Unsystematisch springt der Film zwischen den Realitätsebenen hin und her, folgt mal Claras Abenteuern, mal den Mäusen und springt ab und an zurück in Claras Elternhaus, wo man sich um die „wahre Träumerin“ sorgt. Zwei eingeschobene Sequenzen sorgen für weitere Verwirrung: eine dunkle, fast apokalyptische Einsamkeitsfantasie Claras, die durch eine Stadt irrt, deren Bauwerke sich unter Einfluss eines Dämons bedrohlich gegen sie wenden; eine Sequenz, untermalt mit einem Song, dessen Refrain sich unverschämt bei David Bowies „Life on Mars“ bedient, die als fast autonomer Block erscheint, der erzähllogisch nicht einzuordnen ist. Eine andere Szene erzählt von den Abenteuern im Spielzeugland und erscheint als psychedelische Variante von „Alice im Wunderland“. Spannend ist das alles nicht, nicht zuletzt aufgrund der enervierenden deutschen Synchronisation, deren platte Kalauer und dumme Sprüche jede Poesie vermissen lassen. Wolfgang Völz, Rufus Beck, Hannes Jaenicke und Volker Brandt haben sich und den Zuschauern keinen Gefallen getan, wenn sie Filmzitate („Ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst!“), Modernismen („Kasko-Versicherung“, „Profi-Handballer“) und gewalttätige Faustregeln („Kannst du sie nicht platt machen, musst du sie satt machen!“) aneinander reihen. Wie sich überhaupt die affirmative Darstellung des Militärischen und die ausgedehnten Kampfszenen stark an Genrefilme anlehnen und eher unironisch ausfallen. So ist „Nussknacker und Mäusekönig“ bis auf wenige Szenen (etwa wenn die Mäusearmee durch den gezielten Einsatz von Wurst und Käse kampfunfähig gemacht wird) ein uncharmanter Film, der zum Schluss seine im Vergleich zu Hoffmanns Vorlage eindimensionale Botschaft ungelenk als Figurenrede vortragen muss. Diese letzten Worte formuliert der Zauberer Drosselmaier: „Der Schlüssel zu allem heißt Fantasie!“, und etwas später heißt es: „Ohne Freunde ist alles andere nichts wert!“ Das ist dann doch etwas dürftig.
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