Das Meer in mir

Drama | Spanien/Italien 2004 | 126 Minuten

Regie: Alejandro Amenábar

Der Film beruht auf der Lebensgeschichte von Ramón Sampedro, der, durch einen Unfall vollständig gelähmt, jahrelang juristisch und in Publikationen für das Recht kämpfte, seinem Leben ein Ende setzen zu dürfen, was er schließlich mit Hilfe einer Freundin auch tat. Sampedro erscheint im Film als sympathischer Mensch, dessen Kampfgeist in seltsamem Widerspruch zu seiner Todessehnsucht zu stehen scheint. Insgesamt plädiert das Porträt dieses Mannes dafür, dass es jedem Menschen zustehe, selbst über sein Leben und seinen Tod zu entscheiden, zeigt aber auch Gegenpositionen, weshalb der Film kein Manifest für Euthanasie ist, sondern vielmehr ein Versuch, sich auf differenzierte Weise dem Thema der aktiven Sterbehilfe zu stellen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MAR ADENTRO
Produktionsland
Spanien/Italien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Sogepaq/Sogecine/Himenóptero/UGC Images/Eyescreen
Regie
Alejandro Amenábar
Buch
Alejandro Amenábar · Mateo Gil
Kamera
Javier Aguirresarobe
Musik
Alejandro Amenábar
Schnitt
Alejandro Amenábar
Darsteller
Javier Bardem (Ramón Sampedro) · Belén Rueda (Julia) · Lola Dueñas (Rosa) · Mabel Rivera (Manuela) · Clara Segura (Gené)
Länge
126 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Standardausgabe hat keine erwähnenswerten Extras. Die umfangreiche, mustergültige Special Edition (2 DVDs) enthält einen dt. untertitelbaren analytischen, sehr informativen Audiokommentar des Regisseurs, eine dreiteilige Dokumentation (80 Min.) von überragender Wertigkeit sowie ein Feature mit drei im Film nicht verwendeten Szenen (6 Min.). Die Special Edition ist mit dem Silberling 2005 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Universum (16:9, 2.35:1, DD5.1 span./dt.)
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Diskussion
Durch sein Fenster sieht ein Mann aufs Meer, die galizische Atlantikküste in Nordspanien. Seit einem Badeunfall ist Ramón vom Kopf ab vollständig gelähmt. Er liegt nahezu bewegungslos in seinem Bett und hängt von der Fürsorge seiner Familie ab: seinem Bruder José und dessen Frau. Den eigenen Körper empfindet er als Gefängnis. Seit langem hegt er deshalb den Wunsch, seinem Leben ein Ende zu setzen. In dieser Phase treten zwei Frauen in sein Leben: Rosa, ein Mädchen aus dem Dorf, versucht ihn zu überreden, sein Dasein lebenswert zu finden, während Julia, eine Anwältin aus Barcelona, die ebenfalls schwer krank ist, sein Gesuch auf aktive Sterbehilfe bis vor die höchsten Gerichte bringen will. „Das Meer in mir“ erzählt von diesem langen Kampf um ein menschenwürdiges Sterben und beruht auf einer authentischen Geschichte: 25 Jahre lang versuchte der vollständig gelähmte Galizier Ramón Sampedro, seine Vorstellung vom eigenen menschenwürdigen Tod vor spanischen Gerichten durchzusetzen. Nachdem alle legalen Wege gescheitert waren, nahm er sich am 12. Januar 1998 mit Hilfe einer Freundin das Leben und zeichnete sein Sterben mit der Videokamera auf. In Spanien sorgte dieser Fall für eine emotional aufgeladene Diskussion über aktive Sterbehilfe, zumal Sampedro sich wiederholt in Fernsehinterviews und auch in eigenen Publikationen zu Wort gemeldet hatte. Der 32-jährige Regisseur Alejandro Amenábar hat die Geschichte von Ramón Sampedro gemeinsam mit dem Co-Autor seiner früherer Filme „Tesis“ (fd 32 556) und „Virtual Nightmare – Open Your Eyes“ (fd 35 014), Mateo Gil, in Drehbuchform gebracht: Die Geschichte vom Kampf eines beeindruckenden, humorvollen und eloquenten Menschen für das Recht, sein Leben zu beenden. „Das Meer in mir“ will in den Augen von Amenábar allerdings kein Manifest für die Sterbehilfe sein: Der Film behandle ein politisches Thema über die Gefühle der Hauptperson und seiner engsten Angehörigen in einer aussichtslosen Situation, verlautete der Regisseur. Das Drama ist tief in der Realität Galiziens verwurzelt, aber mit den Elementen des Gefühlskinos universell verständlich erzählt. Diese Mischung zeigt sich auch in der Musik: Hier ergänzen die wunderbaren Melodien von Carlos Nuñez, eines Meisters der galizischen Volksmusik, Amenábars oft allzu sinfonisch-pathetische Filmmusik. Auch wenn der Film eindeutig Partei nimmt für das individuelle Recht auf den eigenen Tod, steht Sampedros Kampf doch in einem spezifischen familiären und sozialen Kontext. Eine wichtige Rolle spielt der Widerstand des Bruders, der nicht verstehen kann, dass Ramón trotz aller aufopfernden Pflege sterben und das gemeinsame Leben nicht weiter führen will. In der Inszenierung verbindet sich das Tragische, Melodramatische immer wieder mit heiteren, lebensfrohen, stellenweise komischen Elementen. Einer der Höhepunkt des Films ist die Auseinandersetzung mit einem gelähmten Jesuitenpater, der Sampedro von dem Wert auch des elendesten Lebens überzeugen will. Allerdings kommt der Priester in dem engen galizischen Bauernhaus mit seinem Rollstuhl nicht die engen Stufen hinauf, und Ramón will nicht nach unter. Deshalb läuft zunächst der Ministrant als Bote die Treppen hin­auf und hinab, bis sich die beiden Kontrahenten ihre Argumente zwischen den Stockwerken zubrüllen. Im Gegensatz zum Priester, der in seiner Behinderung den Sinn seines Lebens gefunden hat, macht Ramón jedoch immer wieder deutlich, dass es ihm um sein eigenes Leben und Sterben gehe und er keinesfalls für andere Menschen in einer ähnlichen Situation etwa Gültiges sagen wolle. „Das Meer in mir“ lebt von der Kraft seiner Darsteller, an erster Stelle Javier Bardem, der den fast 30 Jahre älteren Sampedro beeindruckend authentisch darstellt, bis hin zum perfekten galizischen Dialekt. Bardem verkörpert weit über die aufwändige Maskenarbeit hinaus einen Energie geladenen, sarkastischen, aber auch liebenswerten Menschen, dessen Lebensenergie durchaus im Kontrast zu seinem zähen Kampf um den eigenen Tod steht. Beeindruckend sind auch die galizischen Darsteller und die beiden weiblichen Protagonistinnen: Lola Dueñas, die für ihre Verkörperung der Rosa das Galizische lernte, und Belén Rueda, die auf ganz subtile Weise die todkranke Anwältin verkörpert, die sich in den gelähmten Protagonisten verliebt, am Ende aber den schleichenden Zerfall dem Freitod vorzieht. Es ist die Vielzahl kleiner Momenten, nicht die großen Effekte, die „Das Meer in mir“ zu einem menschlichen Film zwischen Lebenstrieb und Todessehnsucht machen, dessen wenige effekthascherischen Momente – etwa Ramóns Traumreise durch das Fenster seines Zimmers hinaus zum Strand und zu Julia – eher deplatziert wirken. „Das Meer in mir“ ist kein einfaches Pamphlet über Sterbehilfe, sondern ein Film, der auf fast paradoxe Weise Lebensmut vermittelt.
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