- | Indien 2004 | 182 Minuten

Regie: Farah Khan

Ein Antiterror-Spezialist der indischen Armee übernimmt den persönlichen Schutz der Tochter eines Armeeführers. Dafür schreibt er sich inkognito an ihrem College ein, legt einem terroristischen Oberschurken das Handwerk und führt seine eigene Familie wieder zusammen. Pralles Bollywood-Kino mit unverhohlen politischen Intentionen, das sich trotz des ernsten Hintergrundes als bunte Mischung mit harter Action, Filmzitaten, Klamauk und Gesangs- und Tanzeinlagen präsentiert. Der Debütfilm zeigt sich bei aller Nähe zur westlichen Kultur den Traditionen des indischen Subkontinents verbunden. (DVD-Titel: "Ich bin immer für dich da! - Main Hoon Na") - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MAIN HOON NA
Produktionsland
Indien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Red Chillies Ent./Venus Films
Regie
Farah Khan
Buch
Farah Khan · Rajesh Saathi · Abbas Tyrewala
Kamera
Manikandan
Musik
Anu Malik · Ranjit Barot
Schnitt
Shirish Kunder
Darsteller
Shahrukh Khan (Maj. Ram Prasad Sharma) · Amrita Rao (Sanjana) · Sushmita Sen (Chandni) · Nassar Abdulla (Rajat Saxena) · Kabir Bedi (Gen. Bakshi)
Länge
182 Minuten
Kinostart
03.03.2005
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen und einem Storyboard/Film-Vergleich anhand von sechs Szenen.

Verleih DVD
REM (16:9, 2.35:1, DD5.1 Hindi, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Indische Bollywood-Unterhaltungsfilme, im Prinzip klassisches Gute-Laune-Kino, waren schon immer eine Folie, vor der auch Tieferes und Ernsthafteres verhandelt werden konnte. Als selbstverständlicher Teil der Alltagskultur in einem Land, in dem der Analphabetismus noch nicht überwunden ist, kann man das Kino auch als Mittel gesellschaftlicher Selbstverständigung nicht unterschätzen. Sogar Terrorismus, in Indien seit der Unabhängigkeit ein virulentes Thema, stand schon mehrfach im Zentrum von Filmen, am spektakulärsten in „Dil Se“ (1998), dem bislang wohl wichtigsten Bollywood-Film – und einem der erfolgreichsten. Gemeinsam mit „Lagaan (2001) ist „Dil Se“ außerdem auch ein Schlüsselwerk für die westliche Rezeption des indischen Kinos. Jetzt kommt mit „Main Hoon Na“ ein neuer Meilenstein des Bollywood-Kinos nach Deutschland. Und wieder dreht sich die Geschichte um eine terroristische Bedrohung – diesmal vor dem Hintergrund der nach wie vor sehr angespannten Beziehungen zwischen Indien und Pakistan. Nicht weniger bemerkenswert ist, dass das Regiedebüt der bislang als Film-Choreographin bekannten Farah Khan auch filmisch überaus einfallsreich und fruchtbar mit den bekannten Stilmitteln und Erzählstereotypen des indischen Unterhaltungskinos umgeht. Stunts, spektakuläre Actionsequenzen und großartige Tanzszenen weit über dem Durchschnitt heben den Film über andere Bollywood-Produktionen hinaus, die zuletzt in unseren Kinos zu sehen waren, auch über „Sometimes Happy, Sometimes Sad“ (fd 35 894) und „Indien Love Story“ (fd 36 575). Im Zentrum des Films steht Ram – gespielt von Megastar Shah Rukh Khan –, ein Major der indischen Armee, der speziell zur Terroristenbekämpfung ausgebildet ist. Als sich ein Gefangenenaustausch zwischen Indien und Pakistan anbahnt, kommt es zum Anschlag einer Untergrundgruppe, bei der Rams Vater getötet wird. Da die Terroristen auch Sanjana, die Tochter des indischen Armeeführers, bedrohen, wird Ram als ihr Beschützer eingesetzt. Undercover schreibt er sich an Sanjanas College ein. Zugleich bietet dies die Gelegenheit, sich eines familiären Traumas anzunehmen: Rams Vater hatte seine erste Familie verlassen. Kurz vor seinem Tod übertrug er Ram seinen letzten Wunsch: Er möge seine Stiefmutter und den Stiefbruder Lucky aufsuchen und sich mit der ihm bislang unbekannten Familie „wiedervereinigen“. Eine Menge Stoff, in dem sich der Plot der „Feuerzangenbowle“ (fd 5172) – ein Erwachsener geht, als Schüler verkleidet, noch einmal zur Schule – mit entsprechenden Humoreinlagen und den Stereotypen der Teenage-Movies, actionreicher Terrorbekämpfung, Martial-Arts-Elementen und dem klassischen indischen Thema der Familienversöhnung trifft. Die Actionszenen mischen Anspielungen auf zahlreiche bekannte Filme – inklusive einer „Bullet-Time“-Sequenz à la „Matrix“ (fd 33 720) – mit sehr guten Stunts und zwei furiosen Verfolgungsjagden. Als Kontrapunkt zu den zwischendurch auch immer wieder schnellen und zum Teil harten Kampfpassagen sind vor allem die Szenen im Schulalltag ruhiger inszeniert und mit allerlei Paukerfilm-Klamauk versehen: Da gibt es Schüler, die nur Streiche im Kopf haben, die üblichen schrulligen Klassenaußenseiter, Lehrer mit ständigen Versprechern oder Sprachfehlern (die sich allerdings nur dem erschließen, der Hindhi versteht). Sonderlich überraschend ist bei all dem weder der Handlungsverlauf, noch der Ausgang der vielen Geschichten. Ungewöhnlicher sind Inszenierungsstil und einige Details der Handlung. Besonders interessant ist, wie der Film zwischen amerikanischen und indischen Stilelementen schwankt. Für kurze Augenblicke fühlt man sich in eine US-Collegekomödie versetzt, dann wieder in ein indisches Musical aus den 1960er- oder 1970er-Jahren. Dabei ist das Bemühen spürbar, moderne Lebensformen und Denkweisen an den Tag zu legen. So zeigen beispielsweise die College-Szenen westliche Verhältnisse, hier tragen die Studenten zerrissene Jeans und Punk-Klamotten. Im letzten Drittel wird die Identität des Subkontinents allerdings durch die Kleidung wieder zusammengeschmiedet. Die Wandlung des Tunichtguts Lucky zum folgsamen Sohn zeigt sich am Wechsel vom Hippie-Outfit zum traditionellen indischen Anzug, und am Schneiden der zu langen Haare. Auch Sanjana wird erst richtig attraktiv, als sie Lederjacke und Jeans mit rosa Kleid oder Sari vertauscht. Es gibt aber auch subtile Sollbruchstellen in solcher Harmonie. Die Gemeinschaften, die hier geschmiedet werden, bleiben zumeist virtuell: Gerade die Familie, die am Schluss im Beerdigungsritual für den toten Vater „wiedervereinigt“ wird, beschwört zwar das Ideal der Blutsverwandtschaft, ist aber von den modernen Patchworkfamilien kaum noch zu unterscheiden. Auch sind kleine Zeichen der Frauenemanzipation spürbar, wenn Sanjana ihrem Vater an den Kopf wirft: „Sind Söhne alles und Töchter nichts?“ – und Zustimmung erntet. Auch anderes ist unübersehbar: In der ohne lange thesenhafte Reden präsentierten Annäherung zwischen Indien und Pakistan ebenso wie in der Figur des Oberschurken Raghavan. Bei ihm handelt es sich um einen ehemaligen indischen Offizier, der wegen Mordes an Gefangenen unehrenhaft entlassen wurde, und sich in einen fanatischen Rächer verwandelt hat. Diese Figur relativiert das glatte Bild des Militärs ein wenig, das ansonsten vorherrscht. Außerdem wird darin in indirekter, aber doch unübersehbarer Form Verbrechen auch auf Seite der indischen Armee thematisiert. Freilich wird selbst Raghavans Motivation moralisch dadurch etwas aufgewertet, dass es sich bei ihm um einen Vater handelt, der über den gewaltsamen Tod seines Sohnes nie hinweg kam. „Main Hoon Na“ heißt auf Englisch „I am here now.“ Das kann man auch als Statement der Regisseurin Farah Khan verstehen, die sich mit diesem perfekten Unterhaltungsfilm als neuer Regie-Stern am Bollywood-Himmel etabliert.
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