Picnic (Pescuit sportiv)

Drama | Rumänien/Frankreich 2007 | 84 Minuten

Regie: Adrian Sitaru

Ein Mann und seine Geliebte fahren auf dem Weg zum Picknick mit dem Auto eine junge Frau an. Diese, vermutlich eine Prostituierte, verwickelt das Paar in ein Verwirrspiel, stellt dessen Beziehung auf die Probe und zwingt es zur Selbstbesinnung. Lakonie und die Fragilität des Alltags bestimmen den unprätentiösen Diskurs über die soziale und gesellschaftliche Situation in Rumänien. Ein kammerspielartiges, formal ambitioniertes Drama, unspektakulär, aber vielschichtig erzählt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PESCUIT SPORTIV
Produktionsland
Rumänien/Frankreich
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
4 Proof Film/arte/Movie Partners
Regie
Adrian Sitaru
Buch
Adrian Sitaru
Kamera
Adi Silisteanu
Musik
Cornel Ilie
Schnitt
Adrian Sitaru
Darsteller
Adrian Titieni (Mihei) · Maria Dinulescu (Ana-Violeta) · Ioana Flora (Lubi) · Alexandru Georgescu (LKW Fahrer) · Sorin Vasilescu
Länge
84 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
In Rumänien zahlt man fünf Lei für ein Bier oder Sex hinterm Busch, und Menschen essen Lebensmittel, die das Immunsystem so sehr belasten, dass sie automatisch Herpes kriegen. Dort spielt „Picnic“, der erste Spielfilm des rumänischen Regisseurs Adrian Sitaru (geb. 1971); Inhalt und Konflikt sind schnell erzählt: Mikaela und Mihai brechen zu einem Picknick auf. Sie ist verheiratet, er arbeitet als Mathe-Lehrer, und sie haben seit einem Jahr eine Affäre – wobei man nicht umhin kommt, sich zu fragen, warum eigentlich? Denn der Film zeigt ein Paar, das sich konstant streitet: um nichts und wieder nichts und darum, dass sie ihren Mann nicht verlässt. Dynamik kommt in die Beziehungskiste, als Mikaela, blind vor Stress, auf dem Weg zum See eine Prostituierte überfährt. Aber die vermeintliche Tote wacht wieder auf, als die beiden versuchen, die „Leiche“ im Wald zu entsorgen. Die Frage für den Rest des Films ist nun, was weiß sie von dem Unfall? Wird sie dem Paar Probleme machen? Im Weiteren entwickelt sich eine merkwürdige ménage à trois, flankiert von rätselhaften Nebenfiguren, deren Intentionen genauso ambivalent bleiben wie die der undurchsichtigen Prostituierten Ana. Verstörend an dem Film ist die stets präsente Gewalt zwischen den Charakteren, die einander hemmungslos manipulieren, und zwar vor allem dann, wenn sie sich um Authentizität bemühen. Regisseur Sitaru hat in Interviews mehrfach gesagt, er wollte die Frage stellen: „Was ist Liebe?“ Nun, er stellt sie in einem hässlichen Setting, dem Nirgendwo der unteren Mittelklasse in Europa. Anfangs erkennt man noch Bukarest (sollte man es kennen), und der Eingangsdialog erinnert an bekannte Fragen der „osteuropäischen“ Subjektivität: Kann man seine „Prinzipien“ angesichts institutioneller Unterdrückung bewahren? Was ist Wahrheit, was ist Freiheit? Das Trostlose an diesem Film jedenfalls ist, dass die Menschen nichts Besseres zu tun, als Komplikationen ihres Sex- und Liebeslebens zu entwerfen, die latent bedrückend und banal sind. Fernab von Hollywood, in der Welt unserer abgelegten Kleider der 1990er-Jahre, blitzt die Liebe verhalten, freudlos und weitgehend in ironischer Brechung auf, beispielsweise wenn der Lastwagenfahrer, mit dem Ana wohl Sex hatte – nachdem sie sich an Mihai herangemacht hat und bevor sie Mikaela verführt –, ihr selbst gepflückte Wiesenblumen bringt. Das halbwegs kathartische Ende soll hier nicht verraten werden. Ästhetisch ist der Film durch seine konsequente Vermeidung der schönen Überhöhung höchst interessant. Sitaru kalibriert sämtliche Einstellungen der Natur und seiner Darsteller so sorgfältig, dass sie in kein Extrem ausschlagen, kaum visuelle Überreizung liefern und den Blick fokussieren. „Picnic“ ist ein sehenswerter Beitrag der so genannten rumänischen Nouvelle Vague – gut erzählt, unspektakulär, doch vielschichtig.
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