Sagrada - das Wunder der Schöpfung

Dokumentarfilm | Schweiz 2010 | 93 Minuten

Regie: Stefan Haupt

Dokumentarfilm über die unvollendete Kathedrale "Templo Expiatorio de la Sagrada Familia" in Barcelona, an der seit 1882 gearbeitet wird. Er zeichnet die wechselvolle Baugeschichte von den Anfängen über die maßgebenden Arbeiten Antoni Gaudís bis in die Gegenwart nach, wobei Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammenwirken. Die bewegliche Kamera verleiht dem Film eine schwebende Leichtigkeit, die Musik von Bach erdet ihn in sakraler Tradition, eine Tänzerin bringt eine mystische Dimension ins Spiel. Eine eindrucksvolle Hommage an das kreative, verbindende Gemeinschaftswerk des Kirchenbaus. (Titel Schweiz: "Sagrada - El misteri de la creació") - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik Im Kino sehen

Filmdaten

Originaltitel
SAGRADA - EL MISTERI DE LA CREACIÓ
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Fontana Film/SRF
Regie
Stefan Haupt
Buch
Stefan Haupt
Kamera
Patrick Lindenmaier
Musik
Tomas Korber · Johann Sebastian Bach
Schnitt
Christof Schertenleib
Länge
93 Minuten
Kinostart
22.11.2012
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
„Wohlan! Bauen wir eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze im Himmel, und machen wir uns so einen Namen, dass wir nicht zerstreut werden über das Antlitz der ganzen Erde“, heißt es in der Genesis. Auch wenn man in einer Rezension zu Stefan Haupts Film nicht frömmeln will, kommen einem angesichts des „Templo Expiatorio de la Sagrada Familia“ in Barcelona diese Zeilen in den Sinn. Denn der Christusturm der Kirche soll dereinst mit 170 Metern der höchste Kirchturm der Welt sein, was irgendwie babylonisch anmutet. Im Jahr 2026 soll es so weit sein, schätzt die Bauleitung. „Sagrada – Il misteri de la creació“, verspricht der leise mysteriös, mystisch, magisch betitelte Film, der sich aufmacht, die Geschichte und Geheimnisse dieses vor 125 Jahren begonnenen, wie ein Relikt ins hektische 21. Jahrhundert ragenden Bauwerks zu erkunden. Haupt versteht seinen Film als Biografie eines Bauwerks und verfolgt darin dessen Entstehungsgeschichte, die sich unmittelbar in die größere Geschichte der Stadt Barcelona und Spaniens einschreibt, auch in die Geschichte des im letzten Jahrhundert von zwei Weltkriegen verwüsteten Europas. Es nimmt seinen Anfang am 19. März 1882, als man auf einem Feld nördlich von Barcelonas heutiger Altstadt den Grundstein für eine Kirche in neugotischem Stil legt. Francisco de Paula del Villar ist der mit dem Projekt beauftragte Architekt. Er erstellt binnen Jahresfrist eine Krypta, überwirft sich dann aber mit den Bauherren. Diese übertragen die Bauleitung dem 31-jährigen Antoni Gaudí, der sich bis zu seinem Tod 1926 mit Leib und Seele seinem Opus Magnum widmet. Danach führt Domènech Sugranyes das Werk des Meisters weiter. Doch nach dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs stürmen Anarchisten Gaudís Werkstatt, wobei ein großer Teil der originalen Entwürfe und Modelle zerstört wird. Es vergehen 18 Jahre, bis man 1954 den Bau wieder aufnimmt. 1976 werden die vier Türme der Passionsfassade eingeweiht, am 7. November 2010 segnet Papst Benedikt XVI den fast fertig gestellten Innenraum der Kirche. Aktuell wird der Bau der Sagrada Família unter Aufsicht des neunten Chefarchitekten Jordi Faulí i Oller (in Haupts Film ist noch dessen Vorgänger, Jordi Bonet i Armengol, im Amt) mit modernster Bautechnik und den Eintrittsgeldern von jährlich drei Mio. Besuchern in bislang unerreichtem Tempo vorangetrieben. Mitten in dieser heißesten Phase, während auf der sich schwindelerregend in den Himmel schraubenden Baustelle Türme, Fassaden und Innenräumen gleichzeitig entstehen, nahm sich Haupt der Sagrada Família an. Er schaut Bauarbeitern, Glasern, Gipsern, Modellbauern und Fenstermalern über die Schulter, lässt sich von Architekten, Bauplanern, Kunsthistorikern und Künstlern Entwürfe, Modelle und Computersimulationen erklären. Er lauscht Geschichten und Anekdoten, kraxelt mit Bauleiter Ramon Espel i Rosell über die Baustelle. Bunt perlen Sprachen, Dialekte und Ideologien durcheinander. Der japanische Bildhauer Etsuro Sotoo ist vom Buddhismus zum Katholizismus konvertiert, um sich Gaudí und seinen Vorstellungen nahe zu fühlen; sein katalanischer Berufskollege Josep Maria Subirachs stellt dagegen entschieden in Abrede, dass man Christ sein muss, um an der Sagrada Família mitzuarbeiten. Der Film vermittelt einen einmalig intimen Blick auf und in eines der faszinierendsten Bauwerke der Welt. Patrick Lindenmaiers wachsame und äußerst bewegliche Kamera verleiht dem Film eine schwebende Leichtigkeit, Johann Sebastian Bachs H-Moll-Messe erdet ihn, und die ab und an schemenhaft durch die Szene huschende Tänzerin Anna Huber verpasst ihm eine leise Mystik. Vorangetrieben und getragen von der Neugierde des Regisseurs, ist „Sagrada – il misteri de la creació“ weniger ein Architekturfilm als eine feine Hommage an die kreative Kraft des Menschen und seine Fähigkeit, in der Gemeinschaft mit anderen überwältigend Großes zu schaffen.
Kommentar verfassen

Kommentieren