Dokumentarfilm | USA 2013 | 90 Minuten

Regie: Hilla Medalia

Tanzdokumentation über ein ambitioniertes Projekt des in Palästina geborenen Tanzlehrers Pierre Dulaine, der in Jaffa palästinensische und jüdische Kinder zusammenbringen will. Dafür müssen zunächst viele Vorurteile und Schwierigkeiten überwunden werden. Anfangs mit Protagonisten, Erklärungen und guten Absichten überfrachtet, entfaltet der Film in dem Maße einen mitreißenden Sog, als er drei Kinder und deren Leben in den Fokus nimmt. Insgesamt ein beschwingter, aufschlussreicher Film, der in den Bahnen des Tanz(dokumentar)filmgenres zielgerichtet auf einen finalen Wettbewerb zusteuert. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
DANCING IN JAFFA
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Tiara Blu Films/kNow Prod.
Regie
Hilla Medalia
Buch
Hilla Medalia · Philip Shane
Kamera
Daniel Kedem
Musik
Krishna Levy · Issar Shulman
Schnitt
Bob Eisenhardt · Philip Shane
Länge
90 Minuten
Kinostart
09.01.2014
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm | Tanzfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Ascot Elite (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl. & hebrä. & arab./dt.)
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Diskussion
Die übergewichtige Noor ist verschlossen und reagiert aggressiv auf ihre Mitschüler; das Mädchen hat den frühen Tod ihres Vaters nicht überwunden. Ihre Mutter weiß sich auch nicht mehr zu helfen. Bis der Tanzlehrer Pierre Dulaine an ihre Schule kommt und Noor für ein Tanzprogramm auswählt, das palästinensische und jüdische Kinder zusammenbringt. Der Dokumentarfilm von Hilla Medalia begleitet das ambitionierte Projekt. Pierre Dulaine ist nicht irgendein Tanzlehrer. Der Sohn eines Iren und einer Palästinenserin wurde 1944 in der Hafenstadt Jaffa geboren, die seit 1950 zu Tel Aviv gehört. Als 1948 der Staat Israel gegründet wurde, floh Dulaines Familie zunächst nach Jordanien, später nach England. Gemeinsam mit seiner Tanzpartnerin Yvonne Marceau wurde Pierre Dulaine ein berühmter, vielfach ausgezeichneter Gesellschaftstänzer. Sein Mitte der 1990er-Jahre gestartetes Projekt „Dancing Classrooms“ war Thema des Dokumentarfilm „Mad Hot Ballroom“ (fd 37 311), mit dem Dulaine Grundschülern in New York das Tanzen beibrachte und dabei Respekt, Selbstvertrauen und soziale Fähigkeiten förderte. Dieses Projekt stand auch in „Dance! Jeder Traum beginnt mit dem ersten Schritt“ (37 631) im Mittelpunkt, in dem Dulaine von Antonio Banderas verkörpert wurde. „Dancing in Jaffa“ ist damit gewissermaßen der dritte Teil einer Erfolgsserie. Der Film beginnt routiniert und verlässt sich ganz auf das Charisma von Dulaine, der zunächst auch im Mittelpunkt steht. Doch schon bald verheddert sich die Inszenierung beim Erklärungsversuch, das Miteinander oder vielmehr die weitgehend getrennte Koexistenz der verschiedenen Gruppen an den unterschiedlichen Schulen in Jaffa aufzudröseln: jüdische Israelis, israelische Palästinenser und eine gemischte Schule, die das tänzerische Pilotprojekt in ihr Grundkonzept integriert hat. Bevor es aber überhaupt dazu kommen kann, dass jüdische und palästinensische Kinder miteinander tanzen, gibt es ganz andere Probleme zu überwinden. So wollen die palästinensischen Jungen oft keine Mädchen anfassen. Yvonne Marceau taucht auf, gibt ein paar Statements ab und fliegt wieder nach New York zurück. Dulaine ist auf der Suche nach seinen Wurzeln. Der Film versucht, die politische Stimmung einzufangen: Auf der einen Seite Demonstrationen der Palästinenser, auf der anderen Seite jüdische Israelis, die den Unabhängigkeitstag begehen. Hinzu kommen, ganz klassisch, drei Kinder, deren Leben beispielhaft genauer betrachtet wird. Das ist teilweise ein wenig viel auf einmal, weshalb es eine Weile dauert, bis „Dancing in Jaffa“ doch noch jenen mitreißenden Sog entwickelt, den das Genre des Tanz(dokumentar)films letztlich vorschreibt. Dies geschieht in dem Moment, als die Kinder miteinander in Interaktion treten und Dulaine in den Hintergrund tritt, wenn der Film sich also von seiner Vorgabe emanzipiert und Menschen neugierig in den Blick nimmt. Auf einmal ist Platz für Spontanität und Humor; vorher war manches verkrampft herbeiinszeniert, kalkuliert und, ganz im Stil großangelegter amerikanischer Fernsehdokus, auch auf die emotionale Beteiligung des Zuschauers hin manipuliert: Noor und ihre Mutter umarmen sich tränenüberströmt am Grab des Vaters, untermalt von melodramatischer Musik. Nun aber gibt es richtig anrührende, komische Szenen. Etwa, wenn der schüchterne palästinensische Junge Alaa bei seiner jüdischen Tanzpartnerin Lois zu Hause am Tisch sitzt und ihm fröhlich erklärt, warum sie ihren Vater nicht kennt und wie das mit der künstlichen Befruchtung ganz genau funktioniert. Rührend ist es, wenn Noor auftaut, sich fürs Tanzen begeistert, soziale Kontakte knüpft und sich trotz ihres massigen Körpers toll bewegen kann. Am Ende steht, ähnlich wie in „Silver Linings“ (fd 41 481), ein Paartanzwettbewerb, auf den alle Beteiligten – und dazu gehören neben Kindern, Eltern, Initiatoren auch die Zuschauer des Films – mehr und mehr hinfiebern: Was soll die Tochter bloß anziehen? Geht es darum, zu gewinnen? Oder mehr ums Dabeisein? Fast unbemerkt gerät dabei aus dem Fokus, worum es auf einmal nicht mehr geht: Dass hier jüdische und palästinensische Kinder miteinander tanzen.
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