Horror | USA 2014 | 100 Minuten

Regie: David Robert Mitchell

Nachdem eine junge Frau mit ihrem neuen Geliebten geschlafen hat, lastet eine Art Fluch auf ihr. Ein aggressives Wesen, das seine Gestalt wandeln kann, verfolgt sie und wird zur lebensbedrohlichen Gefahr. Traumwandlerisch stilsicher knüpft der Teen-Horrorfilm an klassische Genre-Motive an und erzählt metaphorisch von der Angst vor dem Erwachsenwerden. Die formal herausragende Inszenierung verlässt sich nicht auf Spezialeffekte, vermittelt vielmehr mit suggestiven Bildern ein beklemmendes Gefühl der stetigen Bedrohung, vor allem aber auch der Unsicherheit der jungen Protagonisten über das, was das Erwachsensein und die Zukunft bringen mag. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
IT FOLLOWS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Animal Kingdom
Regie
David Robert Mitchell
Buch
David Robert Mitchell
Kamera
Mike Gioulakis
Musik
Disasterpeace
Schnitt
Julio Perez IV
Darsteller
Maika Monroe (Jay Height) · Keir Gilchrist (Paul) · Daniel Zovatto (Greg Hannigan) · Jake Weary (Hugh / Jeff) · Olivia Luccardi (Yara)
Länge
100 Minuten
Kinostart
09.07.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Horror
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar von Filmkritiker Scott Weinberg sowie ein kurzes Interview mit Soundtrack-Komponist Disasterpiece (5 Min.).

Verleih DVD
Weltkino (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Weltkino (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Vom Ende der Kindheit: Atmosphärischer Teen-Horror um die Angst vorm Erwachsenwerden und der erwachenden Sexualität.

Diskussion
Es hätte der Endpunkt des Teen-Horrorfilms sein können. Als die jugendlichen Filmfreaks in Wes Cravens „Scream“ (1996; fd 32 822) die Regeln des Subgenres offen ausgesprochen und vorgeführt haben, war dieses entzaubert. Letztendlich aber hat die selbstironische Brechung es neu belebt, und auf einmal waren jene Filme wieder da, in denen Jugendliche sich plötzlich von übernatürlichen Mächten, von Monstern oder psychopathischen Mitmenschen bedroht sahen und in denen insbesondere Sex oft tödliche Folgen hatte. Einen besonderen Reiz bietet der Teen-Horror zweifellos. Vor allem, wenn er über Entwicklungsängste von Jugendlichen erzählt, diese auf eine metaphorische Ebene hebt und dadurch zu einer düster-bedrohlichen Coming-of-Age-Variante wird. „It Follows“ beginnt noch mit romantischen Teenagerfantasien. Von einem Date mit einem süßen Jungen habe sie geträumt, von einer Fahrt irgendwohin, von einem Gefühl der Freiheit, erzählt Jay ihrem neuen Freund Hugh, nachdem sie im Auto mit ihm geschlafen hat – auf einem tristen Parkplatz vor einem leerstehenden, verfallenen Parkhaus. Und dann betäubt Hugh sie plötzlich, fesselt sie und erklärt ihr, dass sie sich nun in Acht nehmen müsse. Vor dem Wesen, das sie von nun an verfolgen wird, in Form eines bekannten oder unbekannten Menschen, der langsam direkt auf sie zugeht und sie nie aus den Augen lassen wird. Es sei denn, sie gibt „es“ selbst weiter, so wie Hugh es getan hat. Indem sie mit jemandem schläft. Aber Jay will das nicht. Trost und Schutz findet sie bei ihren Freunden. Vor allem ihr eigentlich schüchterner Sandkastenfreund Paul nimmt seine Beschützerrolle ernst. Dass er sich nun aber auch umso mehr zu Jay hingezogen fühlt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Und dann taucht tatsächlich jenes Wesen auf, das sich nicht töten lässt. In Gestalt von Alten, von Nackten, von Freunden. Und noch schlimmer: von nackten Eltern. Von Anfang an vermittelt „It Follows“ ein unglaublich diffuses Gefühl der Beklemmung und spricht eine Vielzahl an Ängsten an. Besonders stark ist die Verunsicherung in Verbindung mit Sexualität und Erwachsenwerden, von der er erzählt – das Gefühl, vertrautes Terrain verlassen zu haben und in ein unbekanntes Gebiet aufzubrechen. Dass man stets in Gefahr ist, nicht mehr der zu sein, der man einmal war, und vielleicht sogar als Person verschwindet: Sex wird zum Initiationsritus. In Dialogen und in Bildern nimmt Mitchell immer wieder dieses Motiv der Grenzüberschreitung und des Übergangs auf, wenn die Jugendlichen etwa die 8-Mile-Road überqueren, die die sichere Suburbia-Welt von der gefährlichen City trennt und die sie als Kinder nicht passieren durften. Wobei der Film aber auch keinen Zweifel daran lässt, dass die heile Vorstadt-Welt ohnehin längst nicht mehr existiert. Die verlassenen Vororte von Detroit, durch die die Teenager fahren, erinnern an verfallene Geisterstädte, sind urbanes Brachland und zugleich ein Seelenspiegel der jungen Leute, die an der Schwelle zu einer neuen Lebensphase stehen und alte Sicherheiten hinter sich lassen müssen. Hinzu kommen die irritierende, aggressive Sexualität des Wesens (vor allem dann, wenn es sich ausgerechnet in die Gestalt der Mütter oder Väter verwandelt), die Abwesenheit der Erwachsenen, die in dieser Welt einfach keine Rolle mehr spielen, und suggestive Bilder, in denen sich Blut mit Wasser vermischt. David Robert Mitchell braucht nicht viel, um eine absolut furchteinflößende Stimmung zu erschaffen. Auch darin liegt eine Stärke dieses ironiefreien Indie-Teen-Horrorfilms, der sich nicht auf Special Effects verlässt. Matte Farben prägen die Bilder, traumwandlerisch ruhig und bisweilen mit ausgefeilten, unaufdringlichen Plansequenzen bewegt die Kamera sich durch Räume und Straßen, der atmosphärische Industrial-Klangteppich von Disasterpeace setzt auf einfach klingende synthetische Sounds oder Melodien. Einflüsse von John Carpenter, David Lynch und George Romero spuken durch „It Follows“ und lassen Mitchells Film bisweilen wie aus der Zeit gefallen wirken, wenngleich dieser doch ganz eigenständig und modern ist. Dass Mitchell zuvor mit „The Myth of the American Sleepover“ einen „normalen“ Coming-of-Age-Film gedreht hat, spürt man daran, wie er seine jungen, noch weitgehend unbekannten Darsteller in Szene setzt. Sie mögen sich in einem Horror-Setting befinden. Aber die Unsicherheit über das, was das Erwachsensein und die Zukunft bringen mag, eint sie. Ein Glück, wenn sie einen Vertrauten finden, der ihre Angst teilt und sie an der Hand hält.
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