Where to Invade Next

Dokumentarfilm | USA 2015 | 120 Minuten

Regie: Michael Moore

Auf der Suche nach „Dingen, die Amerika braucht“ reist der dokumentarische Entertainer Michael Moore quer durch Europa und pickt sich überall die kulturellen Errungenschaften heraus, die in seiner Heimat das Leben leichter und angenehmer machen würden. Auf seiner touristischen Sightseeing-Tour entdeckt er Urlaubs- und Feiertage, Schulessen, sozialpartnerschaftliche Strukturen und das deutsche Gesundheitssystem. Eine äußerst unterhaltsame Doku-Komödie auf formal wie inhaltlich bekanntem Michael-Moore-Terrain. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
WHERE TO INVADE NEXT
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Dog Eat Dog Films/IMG Films
Regie
Michael Moore
Buch
Michael Moore
Kamera
Rick Rowley · Jayme Roy
Schnitt
Pablo Proenza · Todd Woody Richman · Tyler H. Walk
Länge
120 Minuten
Kinostart
25.02.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Falcom (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Falcom (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Michael Moore auf kultureller Shoopingtour durch Europa.

Diskussion
Der Titel in Verbindung mit dem Namen des machtkritischen Dokumentarfilmers Michael Moore weckt gewisse Erwartungen. Sie werden in vieler Hinsicht enttäuscht. Denn um den Imperialismus der US-Außenpolitik geht es hier nur unter der Oberfläche. Stattdessen versucht sich Moore als aufrechter Patriot. Der Clown des engagierten Kinos ist hier nicht nur mit seiner zum Markenzeichen gewordenen Baseball-Kappe zu sehen, sondern auch immer wieder in das amerikanische Sternenbanner gewickelt. Das ist nicht als Witz gemeint, sondern als visuelles Zeugnis eines aufrechten, ehrlichen Fakten-Maklers. Denn der rote Faden des episodischen Films ist Moores Suche nach „Dingen, die Amerika braucht“. Der Filmemacher tritt hier als politisch-ökonomischer Tourist in Erscheinung, der in den historisch-kulturellen Errungenschaften anderer Nationen stöbert wie ein Kind auf dem Dachboden der Großeltern, der sich plötzlich als Schokoladenkammer entpuppt. So landet Michael Moore in Italien und stellt sich die Frage, „warum die Italiener immer so aussehen, als ob sie gerade Sex gehabt hätten“. Die Antwort, die der Hobby-Ethnologe aus zahllosen, im Film zusammengeschnittenen Gesprächen gewinnt, läuft darauf hinaus, dass Italiener viel mehr Urlaub, Feiertage und sonstige Freizeit haben als der Rest der Menschheit, und überhaupt ein erholsameres Leben führen. Auch die Gewerkschaften seien in Italien mächtiger, erfährt man, die Unternehmen offenbar weniger interessiert, ihre Angestellten unter Stress zu setzen, da erholte Werktätige produktiver seien. Nachdem er in Italien das sozialpartnerschaftliche Paradies entdeckt hat, reist Moore nach Frankreich. Dort ist es das Erziehungssystem, auf das der Amerikaner neidisch ist. Und das Essen. In Finnland entdeckt Moore ein perfektes Universitätssystem, in dem die Studenten ohne Hausaufgaben und standardisierte Prüfungen bessere Ergebnisse erzielen. Und so fort. Zu den Stationen von Moores Expedition zählt auch Deutschland. Hier gefallen ihm die Erinnerungskultur und das Gesundheitssystem. Die Wahl seiner Reiseziele ist allerdings überaus eurozentristisch: in Asien, im Nahen Osten oder in Lateinamerika findet Moore anscheinend nichts, was aus seiner Sicht eine kulturelle Übernahme lohnen würde. Ist dies nun ein Dokumentarfilm oder eine Komödie? Allemal ist der Film überaus unterhaltsam. Ohne Moore, den exzellenten Geschichtenerzähler, würde es sich nur um eine immer ödere Variation des immergleichen Schemas handeln, um die zusammengeleimten Einzelfolgen einer Miniserie. Doch wenn man sich auf die Verkürzungen und Oberflächlichkeiten des versierten Entertainers einlässt, überwiegt das Vergnügen; auch wenn überzeugte Neoliberale oder Altlinke gleichermaßen weiterschmollen. Formal und in seiner Grundhaltung hat Moore seinen früheren Werken nichts hinzuzufügen. Der „Michael-Moore-Film“ ist längst ein ganz eigenes Genre des Dokumentarischen. Diesem Typus ist nicht allein das bürgerrechtliche, linksliberale, mitunter auch linkspopulistische Engagement eigen, das Moore mit vielen Kollegen teilt. Es ist auch nicht der investigative Gestus allein, der gelegentlich auch Banalitäten als große Entdeckung verkauft. Und es ist noch nicht mal die Tatsache, dass Moore sich selbst gerne als „typischen“ Bürger in Szene setzt, der in einer Mischung aus Naivität und Hartnäckigkeit „neugierig“ ist und die „richtigen“ Fragen" stellt. Die Eigenheit der „Michael-Moore-Filme“ ist vielmehr ihr ungebrochenes Sendungsbewusstsein, verbunden mit einem Hang zur Verschwörungstheorie. So zählt auch dieser Film zu einem sehr speziellen Typ von Wohlfühlkino, das in der Nähe des politischen Stammtisches siedelt: Man muss auch mal richtig auf den Tisch hauen und die Wahrheit sagen dürfen. Eine Behauptung, die Moore mit George W. Bush gemeinsam hat. „Where To Invade Next" ist insofern politischer Karneval: Ein sehr vergnüglicher Zustand, aber eben ein Ausnahmezustand. Nach dem Motto: Jeder Jeck ist anders, aber am Ende sind sie alle gleich. Und die USA haben den schwarzen Peter.
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