Manchmal wird es selbst der geduldigsten Paartherapeutin zu bunt. Wenn es zwischen Pferd und Mensch nicht klappt, hat immer der Zweibeiner versagt, schimpft die „Pferdeflüsterin“ Mika bei ihrer Großmutter, die ihre Enkelin auf dem zum Therapiezentrum umfunktionierten Gut Kaltenbach zu halten versucht. Doch Mika hat mitsamt ihrem Seelenverwandten Ostwind die Nase bzw. die Nüstern voll. „Zu viele Bäume“, erklärt sie die Depression des schwarzen Hengstes.
Ihrem Freund Milan erzählt Mika von einem wiederkehrenden Traum mit einem Symbol, das wie der Fellwirbel auf der Kruppe von Ostwind aussieht. Als sich das Symbol in Omas Fachliteratur als Brandzeichen eines uralten Gestüts in Andalusien entpuppt, die Silberdistel von Ora, schwingt sich die junge Frau kurzentschlossen auf den Rücken ihres Pferdes, um den traumdurchwirkten Ort zu finden. Per Fähre setzt Mika nach Südspanien über und heuert auf der Hacienda des knochigen Exil-Deutschen Pedro und seiner burschikosen Tochter Sam an. Dort lernt sie auch Sams Tante Tara kennen, eine in weißes Leinen gehüllte Pferdeflüsterin wie Mika, die mit einer Wildherde nahe der Wasserquelle von Ora lebt. Das (Pferde-)Idyll gerät allerdings in Gefahr, weil Pedro das Land an die Bezirksregierung verkaufen und ein Konzern namens „WaterFlow“ sich die Quelle unter den Nagel reißen will.
Wenn man die Zukunft beschreiten will, muss man bisweilen in die Vergangenheit zurückkehren. Diesen Satz nimmt Mika aus den Ratschlägen ihres Reitlehrers Herr Kaal mit. „Ich glaube, man gehört dahin, wo man ist“, hatte der Sprücheklopfer Milan ergänzt, ehe Mika, stets frisch geföhnt und gekämmt, durch die Hitze Spaniens galoppiert. Ihre rein deutschsprachigen Begegnungen räumen alle Verständigungsschwierigkeiten aus dem Weg, während die sonnendurchflutete Landschaft und die mit viel Wind und Zeitlupe eingefangenen Aufnahmen der Wildpferde ein Übriges tun.
Etwas Folklore, eine Prise Naturmystizismus und erneut eine vor Profitgier zu schützende Tierwelt bestimmen auch den dritten „Ostwind“-Film von Katja von Garnier. Das ist passgenau auf die jugendliche Zielgruppe zugeschnitten und äußerst beschaulich, wenngleich auch ein bisschen unehrlich, da die moralischen Hürden unterschiedlich hoch bemessen sind. So wird ständig die kulturelle Identität Andalusiens betont, wenn Mika und ihre aus Deutschland hinterhergereisten Freunde mit dem „Rennen von Ora“ die Wasserquelle als Kulturgut zu schützen versuchen. Dass aber auch der blutige Stierkampf zu einer beliebten andalusischen Kultur gehört und man sogar die Trachten und die Lanzenkunst der Picadores als Beispiel für die schützenswerte Reittradition zu sehen bekommt, ohne dass der Stierkampf thematisiert würde, steht auf einem anderen Blatt, aber ganz bestimmt nicht auf der Agenda der tierliebenden jugendlichen Zielgruppe.
Am Ende wird Ostwind von Mika in die Freiheit zu den Wildpferden entlassen; als Pendant dazu, dass auch die herangewachsene Protagonistin und ihre Fans von der Kindheit Abschied nehmen müssen. Das Erwachsenwerden kann mit Verantwortung und Verzicht einhergehen. Das ist die wichtigste Botschaft des Films, die allerdings abgefedert wird, wenn Mika nach ihrer Rückkehr die Geburt von Ostwinds Nachkommen erlebt – in die Gefangenschaft hinein. Als sei die Freiheit des Pferdes nicht eben noch als Sieg gefeiert worden. Solche Gewissensfragen werden in den Hintergrund einer Erzählung gedrängt, die das Böse bei einem rücksichtslosen Konzern verortet, während die Trauer über Ostwind durch ein neu geborenes Fohlen aufgefangen und der Filmreihe dadurch die Option einer Fortsetzung eröffnet wird. Das ist das zweischneidige Ende eines Films, der für Rebellion, Naturverbundenheit und das Tierwohl plädiert, die Mitverantwortung der reitenden Zielgruppe aber außen vor lässt und an deren vermeintlich korrekter Haltung nicht zu rütteln wagt.