Franco vor Gericht: Das spanische Nürnberg?

Dokumentarfilm | Deutschland/Spanien 2017 | 90 Minuten

Regie: Dietmar Post

Während der spanischen Franco-Diktatur wurden unzählige Menschenrechtsverletzungen begangen, Historiker schätzen die Zahl der Regimeopfer auf rund 140.000 Menschen. Da nach dem Amnestiegesetz von 1975 keines dieser Verbrechen je juristisch verfolgt wurde, blieben diese ungesühnt. Der engagierte Dokumentarfilm folgt den Versuchen einiger Opfer und Angehöriger, die durch eine Initiative einer argentinischen Richterin neue Hoffnung schöpfen. In den aufwühlenden Gesprächen und mit aussagekräftigem Archivmaterial arbeitet der Film den historischen Kontext heraus und lässt auch Vertreter des früheren Regimes zu Wort kommen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LA CAUSA CONTRA FRANCO: ¿EL NÚREMBERG ESPAÑOL?
Produktionsland
Deutschland/Spanien
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Play Loud! Prod.
Regie
Dietmar Post · Lucía Palacios
Buch
Dietmar Post · Lucía Palacios
Schnitt
Gertrudis Hantschk · Karl-W. Huelsenbeck
Länge
90 Minuten
Kinostart
16.10.2018
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm

Engagierter Dokumentarfilm von Dietmar Post und Lucía Palacios über einen späten Versuch, die Verbrechen des Franco-Regimes vierzig Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur doch noch juristisch aufzuarbeiten.

Diskussion

Engagierter Dokumentarfilm von Dietmar Post und Lucía Palacios über einen späten Versuch, die Verbrechen des Franco-Regimes vierzig Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur doch noch juristisch aufzuarbeiten.

Francisco Franco kam nach einem Putsch und einem blutigen Bürgerkrieg an die Macht. In den fast vierzig Jahren seiner Herrschaft über Spanien töteten seine Schergen nach Schätzungen von Historikern 140.000 Regimegegner und verscharrten sie in Massengräbern. 185 Konzentrationslager wurden errichtet. Mehr als 40 Jahre nach dem Tode des Diktators haben Politik und Justiz in Spanien immer noch kein Interesse an einer Aufarbeitung der Verbrechen der Diktatur.

Das spanisch-deutsche Regieduo Lucia Palacios und Dietmar Post fragt in seinem beklemmenden Dokumentarfilm „Franco vor Gericht: Das spanische Nürnberg?“, warum die Verbrechen des Regimes, das nicht nur das Ende seiner faschistischen Verbündeten überlebte, sondern im Kalten Krieg zum wichtigen Alliierten von USA und NATO aufstieg, nie juristisch verfolgt wurden.  Erst sehr spät, im Jahr 2000, hatten Bürgerinitiativen mit der systematischen Suche nach den Opfern der Diktatur begonnen und wurden dafür von konservativer Seite heftig angegriffen, denn das Schweigen über Krieg und Diktatur gehörte zum stillschweigenden Pakt für die Demokratisierung des Landes nach Francos Tod am 20. November 1975. Die Verbrechen des Regimes blieben nach dem Amnestiegesetz von 1977 straffrei. Die Hoffnung der Opfer und ihrer Angehörigen liegt jetzt im Ausland: Die argentinischen Richterin Maria Servini de Cubría prüft eine Anklage im Rahmen des Völkerrechts wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord.

„Franco vor Gericht: Das spanische Nürnberg?“ begleitet sie bei ihren Zusammentreffen mit den Opfern der Diktatur in Spanien. Er rekonstruiert die Verbrechen des Regimes von den ersten Massakern im Bürgerkrieg 1936 bis zu den letzten Hinrichtungen kurz vor Francos Tod und zu den Polizeimassakern in der Zeit der „Transición“, des Übergangs zur Demokratie. Mit aussagekräftigen Archivbildern – etwa einem Lob des deutschen Kanzlers Konrad Adenauers für den Diktator Franco – rekonstruiert der Film den historischen Kontext eines Landes, das von den westlichen Demokratien verraten wurde und dessen Diktator erst von Hitler zur Macht verholfen und dann im Kalten Krieg von Adenauer, Eisenhower und Konsorten an der Macht gehalten wurde.

Die Filmemacher befragen Opfer und ihre Angehörigen, die über Folter und unbestrafte Verbrechen berichten: Alte Menschen, die als Kinder ihre Eltern im Zuge der franquistischen Massenerschießungen verloren, aber auch Opfer der letzten Jahre des Regimes, etwa ein Priester und seine Schwester im Baskenland, die beide in den 1960er-Jahren von Francos Geheimpolizei gefoltert wurden, oder die feministische Schriftstellerin Lidia Falcón. Zu Wort kommen aber auch Ex-Minister des Regimes und die Tochter eines der Putschisten, General Yagüe, der für die Massaker im Süden Spaniens berüchtigt wurde. In ihrem Haus finden sich Reliquien des spanischen Faschismus und Fotos mit Widmungen von Reichsmarschall Hermann Göring neben denen von José Maria Aznar, der von 1996 bis 2004 Ministerpräsident war. In Spanien, das macht der Film deutlich, wurde nie jemand wegen der Verbrechen der Diktatur angeklagt, geschweige denn verurteilt.

Mit den Nürnberger Prozessen wird sich auch das angestrebte Verfahren der argentinischen Richterin gegen die letzten lebenden Verantwortlichen des spanischen Genozids nicht vergleichen lassen, aber zumindest hat die seit wenigen Monaten amtierende sozialistische Minderheitsregierung versprochen, die Untersuchungen der Richterin zu unterstützen. Zum ersten Mal haben Familienangehörige und Opfer zumindest ihre Leidensgeschichte vor einer juristischen Instanz zu Protokoll geben dürfen.

Mut macht auch, dass „Franco vor Gericht: Das spanische Nürnberg?“ zu einer Reihe von engagierten Dokumentarfilmen gehört, die sich in den letzten Jahren mit den Verbrechen des Regimes und der schwierigen Aufarbeitung der Vergangenheit in Spanien beschäftigt haben: Etwa „Francos Erbe – Spaniens geraubte Kinder“ der deutschen Regisseurin Inga Bremer über die Zwangsadoptionen von 300.000 Neugeborenen, „Bones of Contention“ der Amerikanerin Andrea Weiss über die systematische Verfolgung von Lesben und Schwulen in Franco-Spanien und die spanisch-amerikanische Produktion „El silencio de los otros – Das Schweigen der Anderen“ von Robert Bahar und Almudena Carracedo. Sie alle geben Zeugnis von einer zerrissenen Gesellschaft, die damit ringt, dass die Verbrechen der Diktatur nie juristisch verfolgt werden durften.

 

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