Welcome to Chippendales
Biopic | USA 2022 | (acht Folgen) Minuten
Regie: Richard Shepard
Filmdaten
- Originaltitel
- WELCOME TO CHIPPENDALES
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2022
- Regie
- Richard Shepard · Nisha Ganatra · Gwyneth Horder-Payton · Matt Shakman
- Buch
- Robert Siegel · Rajiv Joseph · Annie Julia Wyman · Jenni Konner · Jacqui Rivera
- Kamera
- Paula Huidobro · Jimmy Lindsey
- Musik
- Siddhartha Khosla
- Schnitt
- David Berman · Libby Cuenin · David Dean · Felicia Mignon Livingston
- Darsteller
- Kumail Nanjiani (Somen Banerjee) · Murray Bartlett (Nick De Noia) · Darren Lipari (Bobby) · Annaleigh Ashford (Irene) · Juliette Lewis (Denise)
- Länge
- (acht Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Biopic | Drama | Serie
Biografisch inspirierte True-Crime-Serie um Somen „Steve“ Banerjee, den Gründer des Männerstrip-Unternehmens „Chippendales“, und seine kriminellen Verstrickungen.
Daheim in Bombay bleiben, die erfolgreiche Familiendruckerei in neuer Generation führen, seine Mutter nach dem frühen Tod des Vaters stolz machen, reich in einem armen Land werden… das hätte der Lebensweg von Somen Banerjee (Kumail Nanjiani) sein können. Doch er hat einen anderen Traum verfolgt und seine Heimat verlassen, um in den USA den „American Dream“ zu leben: Mehr als sieben Jahre nach der Emigration hat er als Tankstellenangestellter über 40.000 Dollar angespart; Ende der 1970er-Jahre ist das eine ganze Menge Geld und spricht für die Bedingungslosigkeit, mit der der kleine Angestellte aus Indien die Vision verfolgt, seine Familie im Ausland stolz zu machen. Nun kann er sich selbständig machen und den ewig geplanten „Backgammon Club“ an der Peripherie von Los Angeles Wirklichkeit werden lassen. Doch so engagiert der gerade 30-Jährige in seinem Tun ist, so naiv ist er auch.
Backgammon interessiert hier an der staubigen Ausfallstraße niemanden und taugt schon gar nicht, eine mit biederem Schick ausgebaute Lagerhalle mit Leben zu füllen. Selbst der eigens und vorschnell eingestellte Berater Paul Snider (Dan Stevens) kann da nichts machen. Und ob er das überhaupt will, ist ohnehin fraglich. Immerhin kümmert sich der windige Hochstapler eher um sein eigenes Fortkommen und versteht seinen „Partner“ Somen mehr als willfährigen Geldgeber, der im Zweifel auf der Strecke bleiben wird.
Eine Marktlücke: Die weibliche Schaulust
Doch Somen erweist sich als anpassungsfähig. Mit neuem Vornamen und einer pragmatischen Offenheit für alles, was Geld bringen könnte, stößt er als Steve Banerjee in eine Marktlücke, die weit lukrativer ist als die Spielsucht US-amerikanischer Rentner: Frauen! Während für Männer an jeder Ecke Unterhaltung geboten wird, bleibt für die Damen jenseits der Shoppingmalls nur gähnende Langeweile. Was ist mit der Lust? Ausgerechnet oder glücklicherweise musste es erst ein Besuch in einem Gay-Stripclub sein, der Steve die Augen öffnet: Er sieht, wie sich Pauls Freundin und Playboy-Bunny Dorothy Stratten (Nicola Peltz) hier endlich einmal ohne Belästigungen vergnügen kann, und kommt zu dem Schluss, das andere Frauen das auch wollen könnten – und sich daran bestens verdienen lässt.
Und so offeriert er der weiblichen Kundschaft bald die „Chippendales“, ein vorher nie dagewesenes Clubkonzept mit männlichen Strippern, das es den Frauen ermöglicht, endlich mal nicht das Objekt, sondern das Subjekt begehrlicher Blicke auf die entblößten Schönheiten des anderen Geschlechts zu sein. Wohlgemerkt, nur den Frauen!
Wenn es das wahre Leben nicht geben würde, man müsste es erfinden! Wer sich nicht schon mit der Genese eines immens erfolgreichen Unterhaltungsphänomens beschäftigt hat, der staunt zunächst nicht schlecht, auf welch skurrile Art und Weise ein indischer Nerd zum Heilsbringer der mit sexueller Stimulation unterversorgten Frauen avancierte. Wo sonst nur feuchte Männerhände die Dollarscheine an die Glitzerslips von Bartänzerinnen fingern, dürfen nun von schmissiger Popmusik in Stimmung gebrachte Hausfrauen die in Champagner getauchten Scheine an die Bäuche schnell gecasteter Freizeittänzer klatschen. Das ist nicht nur ein Form von Gleichberechtigung, wenn auch von niederen Instinkten, sondern auch vielversprechender Stoff für eine schillernde Fernsehserie.
Der Naive entdeckt seine kriminelle Energie
Aller Anfang ist schwer. Das merkt nicht nur der Protagonist der Serie, der zwar rechnender Geschäftsmann, aber wahrlich kein Blender und Aufschneider ist und für seine Unterhaltungsshow dringend frische Körper und besonders auch eine visionäre Strategie braucht. Schwer hat es auch die von Robert Siegel, Annie Julia Wyman und Rajiv Joseph angeführte Autorenriege, den richtigen Drive in die Serie zu bekommen, die nicht nur als Augenschmaus, sondern auch als „True-Crime-Drama“ daherkommen soll. Das Bemerkenswerte an der wahren Geschichte um den Chippendales-Gründer Banerjee ist nämlich nicht nur seine durch immenses Glück gepufferte Naivität, sondern auch dessen erstaunliche kriminelle Energie, die er immer dann entwickelt, wenn er und sein Lebenstraum einmal infrage gestellt werden. Je zwei Regisseurinnen und Regisseure, die allesamt bereits reichlich Serienerfahrung mit „WandaVision“, „American Horror Story“, „You Me Her“ oder „Girls“ gemacht haben, arbeiten sich an dem nicht nur visuell fordernden Stoff ab.
Doch so hoch das Produktionsniveau und die mehr oder minder attraktiven Schauwerte auch sein mögen, das Konzept der achtteiligen Miniserie bleibt eigentümlich planlos. Worauf „Welcome to Chippendales” dramaturgisch hinauswill, bleibt bis zum Finale offen. Ist die Pilotfolge noch ein erstaunlich stringentes, skurriles Drama, an dessen Ende der gewaltsame Tod zweier Handlungsträger steht, gestaltet sich der Rest als erstaunlich höhepunktlose Nummernrevue. Nicht nur, dass sowohl die Showacts der strippenden Männer auf der Bühne erstaunlicherweise nur eine ziemlich kleine Rolle spielen und weit hinter vergleichbaren Sujets, etwa „Ganz oder gar nicht“ oder „Magic Mike“ zurückstehen, auch die Konturierung der Figuren lässt zu wünschen übrig. Zwar gibt man sich sehr viel Mühe, die innere Zerrissenheit des biederen, aber in moralischer Hinsicht äußerst flexiblen Brandstifters Steve Banerjee zu thematisieren. Doch das reicht nicht für vier Stunden Erzählzeit, die übrigens die Jahre der erzählten Zeit eigentümlich holprig rafft.
Die Figurenzeichnung wird vernachlässigt
Nebenfiguren wie etwa der Choreograph und aufkommende Antagonist Nick De Noia (Murray Bartlett) oder die gewohnt überkandidelt chargierende Juliette Lewis als künstlerisches „Mädchen für alles“ und zudem nie wirklich reüssierender Love-Interest für den bisexuellen Nick, erschöpfen sich in wenig substanziellen Abziehbildern. Einzig Steves geniale Buchhalterin und spätere Ehefrau Irene erweist sich nicht zuletzt aufgrund der differenzierten darstellerischen Ausarbeitung durch Broadway-(Gesangs-)Star Annaleigh Ashford als Glücksfall für die Miniserie. Ihre Figur ist das heimliche Herz. Während den Machern und auch Hauptdarsteller Kumail Nanjiani zur Gründungsfigur Banerjee nicht viel mehr einfällt, als oberflächliche Abgründigkeit hinter einer Nerdbrille und chronischem Scheinschmunzeln zu verbergen, feuert Ashford als unterschätztes Blondchen die volle Palette emotionaler Zwischentöne ab.
Es sind tatsächlich all die schillernden Nebenrollen, aus denen „Welcome to Chippendales“ letztendlich viel zu wenig Kapital schlägt. Da nun einmal bekannt ist, dass es das Schicksal mit Banerjee nicht gut meint, hätte man der „zweiten Reihe“ viel mehr Tragweite und Mystery geben müssen, anstatt sie wie etwa Dan Stevens oder Juliette Lewis erst pompös zu etablieren, um sie dann nur als bloße „Gaststars“ zu missbrauchen. Dass den „Chippendales“-Tänzern selbst überhaupt kein Gesicht gegeben wird, ist eine weitere vertane Chance. Zwar gesteht man Otis (Quentin Plair), dem einzigen schwarzen Stripper der Truppe, ein scheinbar wichtiges Intermezzo als „moralischem Zeigefinger“ zu, in dem er unter anderem den latenten Rassismus in der Unterhaltungsbranche der 1980er-Jahre brandmarken darf. Aber auch er wird ziemlich sang- und klanglos aus der Serie befördert. Dabei hätte man gerade ihm durchaus auch ein Leben nach den acht Teilen in einer potentiellen zweiten Staffel gewünscht. Denn auch wenn im finalen Teil der Traum von Somen Banerjee 1994 auf dem Höhepunkt seines Schaffens ein erwartbares Ende nimmt, geht die Erfolgsgeschichte der Chippendales ja noch lange weiter. Es gäbe noch so viel zu erzählen und zu sehen.