Drama | Großbritannien/USA 2023 | 96 Minuten

Regie: John Trengove

Ein unsicherer Mann aus einer US-amerikanischen Kleinstadt verschreibt sich einer obskuren Männerclique, die das Glück in sexueller Enthaltsamkeit und pseudo-religiösem Tribalismus sucht. Doch seine innere Wut ist zu groß, weshalb auch die Bruderhorde ihm keinen Ausweg aus der tristen Normalität eröffnet. Eine genau beobachtete Milieustudie über Männer mit einem krankhaften Hass auf Frauen, die sich für die Ambivalenzen des Protagonisten interessiert. Indem sie hinter seinen Widersprüchen sehr bewegend die Abgründe einer verlorenen Seele auslotet, erzeugt sie ein wahrhaftiges wie auch tieftrauriges Psychogramm. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MANODROME
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Liminal Content/Felix Culpa
Regie
John Trengove
Buch
John Trengove
Kamera
Wyatt Garfield
Musik
Christopher Stracey
Schnitt
Julie Monroe · Matthew Swanepoel
Darsteller
Jesse Eisenberg (Ralphie) · Adrien Brody (Dan) · Odessa Young (Sal) · Sallieu Sesay (Ahmet) · Philip Ettinger (Jason)
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Ein unsicherer Mann aus einer US-amerikanischen Kleinstadt verschreibt sich einer obskuren Männerclique, die das Glück in sexueller Enthaltsamkeit und pseudo-religiösem Tribalismus sucht.

Diskussion

Ralphie ist ein großer Junge. Er hat seinen Job verloren, die Freundin ist schwanger. Er schlägt sich als Uber-Fahrer durch, stemmt Gewichte. Doch alles ist zu viel für ihn. Von allem, was er so dringend bräuchte, hat er zu wenig: Geld, Selbstbewusstsein, Perspektive, Zuversicht und, ja, auch Macht.

Daran ändern auch Steroide und Aufputschmittel nichts. All das kann ihm auch seine Freundin Sal nicht bieten. Ihr Leben ist schwer genug. Arbeit und Geldsorgen quälen sie, die Geburt des Kindes steht bevor, sie bräuchte Unterstützung, Solidarität, Sicherheit. „Wir kommen beide aus derselben Scheiße“, sagt sie, „aber es reicht nicht aus, den gleichen Schmerz zu haben.“ In dieser Welt ist an familiäres Glück nicht zu denken.

Gewalt liegt in der Luft

So nimmt das Unheil seinen Lauf. Regisseur John Trengove, der auch das Drehbuch zu „Manodrome“ verfasste, schickt den Protagonisten Ralphie (Jesse Eisenberg) auf eine Reise durch die triste Wirklichkeit einer namenlosen US-amerikanischen Kleinstadt. Es ist dunkel, es regnet, die Fahrgäste nerven; allein in den schweißigen Schwaden seines Fitnessstudios kommt Ralphie ein wenig zu sich. Wenn er sich nach dem Workout vor dem Spiegel fotografiert, hat er beinahe ein Lächeln auf den Lippen. Aber Gewalt liegt in der Luft, und der Druck steigt von Minute zu Minute.

Versehrte Männerseelen und gestählte Körper gehören zur Grundausstattung vieler Thriller und Actionfilme. In einer Welt der kontrollierten Gefühle und Machtverhältnisse finden sich all die Kriegsheimkehrer und Gefühlsinvaliden des US-Kinos nicht mehr zurecht. Doch hinter Ralphie liegt kein Einsatz in Afghanistan, Irak oder Vietnam, nur die kleine, zerstörte und verstörende Normalität, die so viele Biografien prägt: eine zerbrochene Familie, eine vaterlose Jugend, eine soziale Herkunft, die zum Schicksal wird. An eine Rettung daraus ist nicht zu denken. Oder doch?

Jenseits der „Gynosphäre“

Ralphie gerät an eine obskure Ersatzfamilie, eine Gruppe von Männern um den charismatischen „Dad Dan“ (Adrien Brody). Jenseits der scheinbar von Frauen dominierten „Gynosphäre“ suchen sie das Glück in sexueller Enthaltsamkeit und pseudo-religiösem Tribalismus. Ihr „Manodrome“ genannter Zirkel, Sekte, Bruderhorde und Psycho-Camp in einem, verspricht die Befreiung des inneren, unterdrückten Mannes: „Ich nehme mir, was mir gehört.“ Und wirklich: Ralphie löst sich aus seinen Zwängen; die bis dahin mühsam gebändigte Wut entlädt sich, die Katastrophe nimmt ihren Lauf.

„Manodrome“ lässt sich als Milieustudie über die wachsende Szene der „Incels“ (von „involuntary celibate“) betrachten, jene unfreiwillig enthaltsam lebenden Männer, die sich einem krankhaften Hass auf Frauen verschrieben haben. Doch Trengove will mehr, als eine bloß exemplarische Geschichte über Misogynie erzählen. Ihn interessieren die Ambivalenzen der Hauptfigur: Ralphies uneingestandene Homosexualität, seine trotz allem spürbare Zuneigung zu seiner Freundin Sal (Odessa Young), die Liebe zu seinem Kind, seine Sehnsucht nach einem Vater und auch nach einem Gott, seine Hilflosigkeit, die eigenen Gefühle zu verstehen, zu akzeptieren, zu formulieren. Diese Genauigkeit des Blicks, diese Liebe zur Figur machen „Manodrome“ zu einem ebenso wahrhaftigen wie bewegenden, tieftraurigen Psychogramm eines Verlorenen.

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