Hunger (2023)
Drama | Thailand 2023 | 130 Minuten
Regie: Sitisiri Mongkolsiri
Filmdaten
- Originaltitel
- HUNGER
- Produktionsland
- Thailand
- Produktionsjahr
- 2023
- Regie
- Sitisiri Mongkolsiri
- Buch
- Kongdej Jaturanrasamee
- Schnitt
- Manussa Vorasingha · Abhisit Wongwaitrakarn
- Darsteller
- Chutimon Chuengcharoensukying (Aoy) · Nopachai Chaiyanam (Chefkoch Paul) · Gunn Svasti Na Ayudhya (Tone) · Bhumibhat Thavornsiri (Au) · Kenneth Won (Partygast)
- Länge
- 130 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Thriller
Hochspannendes Drama um eine Jungköchin, die den Sprung von der familieneigenen Nudelküche in den Gourmet-Tempel eines Starkochs führt, dessen Narzissmus sie allerdings bald an ihre Grenzen bringt.
Aoy (Chutimon Chuengcharoensukying) hat sich ihr Leben anders vorgestellt. Nun allerdings steht sie Tag für Tag im einfachen Nudelrestaurant ihres Vaters und wirft die immer gleichen Gerichte in den Wok. Allerdings kocht sie so gut, dass Tone (Gunn Svasti Na Ayudhya) auf sie aufmerksam wird. Dieser arbeitet für den berüchtigten Starkoch Paul (Nopachai Chaiyanam), sieht in Aoy ein großes Talent und lädt sie kurzerhand zu einem Vorkochen ein: Sie habe mehr verdient als diese Nudelbraterei.
Dieses erste Zusammentreffen mit dem exzentrischen Kochkünstler, der seine exquisiten Speisen als essbare Performance-Kunst an die reiche thailändische Elite verkauft, gibt einen Vorgeschmack auf das strenge Regiment, das zwischen Pfannen, Töpfen und Tellern herrscht: Der Mitbewerber wird von Paul mit einer Ohrfeige hinausbefördert, weil er die Ablehnung, in der seine Selbstüberzeugung mündet, nicht akzeptieren will. Aoy aber wird aufgenommen und sieht ihren Traum in Erfüllung gehen. Der Preis dafür wird allerdings hoch sein.
Ein von Perfektion besessener Narzisst führt das Regiment
Denn Chef Paul erweist sich als von Perfektion besessener Narzisst, der von seinen Angestellten und seinen Kunden eine beinahe religiöse Verehrung erwartet. Selbst aus armen Verhältnissen kommend, ist das Kochen für ihn zu einem Kampffeld geworden, auf dem er seine Kunden mit seinen wilden Kreationen mitunter kreativ verhöhnt.
Auf dem Empfang eines ranghohen Militärs serviert er zart gebratenes Fleisch auf Tellern, die aussehen, als wäre darauf jemand verblutet. Regisseur Sittisiri Mongkolsiri inszeniert dieses Mahl mit Nahaufnahmen von kauenden, schlingenden Mündern, aus denen das triefende Rot tropft, als wohne man einer kannibalischen Orgie bei: ekelerregend und gleichzeitig von erhabener Schönheit. Die Gier der Macht und der Tod, den sie bringt, in einem Gericht vereint.
In eben dieser Spannung hat sich auch die Hauptfigur eingerichtet. Trotz seiner arroganten und bisweilen herablassenden Art umweht diesen Koch eine faszinierende Aura der Kompromisslosigkeit. Auch Aoy kann sich dieser Aura lange Zeit nicht entziehen, auch weil sie in Kauf zu nehmen bereit ist, dass das Kochen auf diesem Niveau nun mal gewisse Entbehrungen mit sich bringt. Als ihr Vorgesetzter in seiner Gier nach Ruhm und Aufmerksamkeit aber immer mehr moralische Grenzen übertritt, steigt sie aus. Aus Meister und Schülerin werden unerbittliche Konkurrenten, die ihren Zweikampf am Herd ausfechten.
Das Anbraten von Fleisch wird spannend wie ein Thriller
Bis zu jenem Punkt, an dem die Handlung diese Wendung nimmt, ist „Hunger“ ein grandios-sinnlicher Film, der seine Spannung aus der erratisch-unterkühlten Hauptfigur und der konsequenten Montage zieht, die sich dem Rhythmus der Küche annähert und an Konsistenz und farblichen Texturen der Zutaten interessiert ist. Wie in einem Thriller hält man den Atem an, wenn Aoy unter dem strengen Blick des Chefs hauchzarte Fleischscheiben auf den Punkt anbraten soll – und immer wieder scheitert, beschimpft und gedemütigt wird.
All das erinnert stark an Damien Chazelles fulminanten „Whiplash“, in dem sich ein junger Jazzschlagzeuger auf ein Psychoduell mit seinem Lehrer einlässt, der seine Schützlinge mit fragwürdigen Methoden zu Höchstleistungen peinigt. Nur werden in „Hunger“ keine Sticks geschwungen, sondern der Gasherd bedient: Im Finale kommt es bei beiden Filmen zu einem atemlosen Showdown, bei dem es keine Schusswaffen braucht.
Am Ende wird das Fahrwasser flacher
Thematisch gibt es zudem jede Menge Überschneidungen mit „The Menu“: Darin führt ein ebenso manisch getriebener Chefkoch ein ebenso hartes Regiment. Die Haute Cuisine ist in beiden Filmen ein Schauplatz sozialer Kämpfe, einer Distinktion mit anderen Mitteln, wo die Nahrungsaufnahme zum Kunstwerk erstarrt. Doch wo „The Menu“ zu einer Abhandlung über das komplexe Verhältnis zwischen Kunst und Konsum, zwischen Freiheit und Entfremdung wird, wendet sich „Hunger“ mehr und mehr den familiären Werten zu: Je mehr Chef Paul in den Hintergrund gerät und Aoy versucht, trotz Edelrestaurant bei ihren Wurzeln zu bleiben, desto flacher wird das Fahrwasser, in dem sich das bis dahin packende Drama bewegt. Gerne hätte man mehr von den inneren Kämpfen und dem perfektionistischen Wahn gesehen. Stattdessen gibt es eine Rückwendung ins Zuhause, wie man sie doch schon so oft gesehen hat.
Etwas mehr Mut zur Abstraktion und die Verweigerung eines allzu klassischen Konflikts hätten dem Film sicherlich gutgetan. Auch, weil die inneren Beweggründe zu deutlich über die Dialogebene ausgesprochen werden und damit Geheimnis und untergründige Spannung verloren gehen. Dennoch ist dieser Film eine kleine rare Perle, bei dem das Kochen zu einem Zweikampf um Leben und Tod wird.