Abenteuer | USA 2024 | 89 Minuten

Regie: David Zellner

In den kalifornischen Sequoia-Wäldern lebt eine vierköpfige Familie von Affenmenschen. Die kleine Sippe behaarter Zweibeiner zieht nomadisch durch die Gegend, verständigt sich mit gutturalen Lauten und findet in Flora und Fauna ein reiches Nahrungsangebot. Doch das urwüchsige Leben ist nicht ohne Gefahren, da der Tod auch hier überall lauert. Als tragikomisches, oft in den Slapstick wechselndes Familienporträt inmitten eines eindrucksvollen Naturschauplatzes bringt der surreale Abenteuerfilm eine produktive Unberechenbarkeit mit sich. Letztlich gönnt er den Fabelwesen als alleinigen Filmfiguren aber keine eigenständige, nicht auf ironische Zuspitzungen gebaute Lebensweise, sondern führt sie stets auf ihre Menschenähnlichkeit zurück. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SASQUATCH SUNSET
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Square Peg/The Space Program/ZBI/Felix Culpa
Regie
David Zellner · Nathan Zellner
Buch
David Zellner
Kamera
Mike Gioulakis
Musik
The Octopus Project
Schnitt
Daniel Tarr · David Zellner · Nathan Zellner
Darsteller
Riley Keough · Jesse Eisenberg · Christophe Zajac-Denek · Nathan Zellner
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Abenteuer | Action | Komödie
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Surreale Komödie um die Abenteuer einer Familie von Affenmenschen in den Wäldern Kaliforniens.

Diskussion

Die Sonne geht auf über dem Tal. Nebel zieht über die kalifornischen Sequoia-Wälder. Ein malerisches Bild, zu dem sich die sanften New-Age-Gitarren-Klänge der Band The Octopus Project gesellen und schließlich auch ein übergroßer Menschenaffe, der ins Bild hineinstapft. Der Beginn von „Sasquatch Sunset“ ist eine Kino gewordene Version des berühmten Patterson-Gimlin-Films, der einen Bigfoot zeigen soll. Im Kostüm steckt Nathan Zellner, der hier wie der kostümierte Darsteller im 1967er-Filmausschnitt mit weit schwingenden Armen durch eine Waldlichtung schreitet. Jesse Eisenberg, Riley Keough und Christophe Zajac-Denek folgen kurz darauf in ähnlichen Kostümen. Über ein Jahr hinweg begleiten die Filmemacher Nathan und David Zellner den kleinen Sasquatch-Clan.

Ein animalischer, menschenähnlicher Haufen

„Sasquatch Sunset“ kreuzt die Anmutung einer „National Geographic“-Naturdokumentation mit der Tragikomödie einer Familie. Die Natur trägt den dekorativen Teil dazu bei. Die Jahreszeiten geben den Takt vor: Frühlingsgefühle, Sommerrausch und schließlich die Unerbittlichkeit der kalten Jahreszeiten. Die Schönheit des Waldes stellt das Panorama. Aber wirklich weg vom anthropomorphen Blick auf das Ganze möchten die Regisseure nicht. Denn was die Familie in einem Jahr erlebt, das Komische, Bizarre und Tragische, leitet der Film dann eben doch nicht aus dem Wesen der Spezies Sasquatch ab, sondern aus ihrer Menschenähnlichkeit. Auch wenn die Kleinfamilie zunächst ein animalischer Haufen ist: Man popelt in der Nase, kotet vor Aufregung auf die Straße, paart sich und wischt sich danach die Geschlechtsteile mit Farnen trocken und riecht nochmal am eigenen Finger. Sprache gibt es nicht, und die Gesten, Reaktionen und Interaktionen lassen sich auch nicht zum Sozialverhalten einer eigenen Art summieren.

Aber anders als die Primaten ist die fiktive nordamerikanische Affenart nicht offiziell in die Evolution in Richtung Homo sapiens eingereiht. Die darin liegende Chance, den Sasquatch eben nicht als etwas zu begreifen, was auf die Menschheit zusteuert, nimmt der Film nicht wahr. Der Sasquatch ist damit weder ein fremdes Tier mit ganz eigener Lebensweise noch eine mythologisch besetzte Kreatur: er ist das lebendig gewordene Meme. Sasquatch sein heißt nicht ganz Mensch sein und damit vorwiegend dem Slapstick, manchmal aber auch der Tragik zu dienen.

Einiges an Unberechenbarkeit

Natürlich tragen diese Bigfoots als fremde Wesen eine gewisse Unberechenbarkeit in sich, mit der die Inszenierung einiges anzufangen weiß. Etwa wenn der von Nathan Zellner gespielte Alpha-Sasquatch sich, noch verkatert vom Rausch vergorener Beeren und aufgeputscht vom eigenen Sexualtrieb, eine Überdosis psychoaktiver Pilze einverleibt und spontan einer Berglöwin nachstellt, um seinen Sexualtrieb ausleben zu können. Allzu ernst kann man den große haarige Bigfoot also meist nicht nehmen. Zugleich aber kann man nicht anders, als ihn dennoch ernst zu nehmen. Eben weil er dem Menschen so verdammt ähnlichsieht, tragen alle Momente, in denen er beinahe menschlich wirkt, etwas Groteskes und Anstößiges in sich. Die Komik des Films findet im haarigen Kryptiden damit seinen fleischgewordenen Multiplikator.

„Sasquatch Sunset“, so ungewöhnlich der Film auf den ersten Blick anmuten mag, ist also gar nicht so weit von anderen Versionen des Hollywood’schen Affenkinos oder, man denke an „Bigfoot und die Hendersons“, des Hollywood’schen Bigfootkinos entfernt. Dazwischen stehen, als Vorboten der Tragik des Films, die Spuren der Menschheit. Ein an einen Mammutbaum gesprühtes Kreuz wird zum Menetekel. Zunehmend wird die omnipräsente Gefahr durch den Homo sapiens sichtbar, ohne dass dieser selbst je auftaucht.

Beim gemeinsamen Physalis-Pflücken

Am besten ist der Film dort, wo er weit entfernt von der Menschheit und deren Ahnenlinie steht. Dort, wo das Animalische und das Anderssein nicht im Dienst von Humor und Tragik stehen. Das gegenseitige Lausen etwa bringt in seinen Nuancen viel mehr Zärtlichkeit zum Ausdruck als die zugespitzten Momente der Trauer. Viele Begegnungen mit der tatsächlichen Wildnis, die eben nicht im Kostüm steckt, oder auch der schlichte Akt des gemeinsamen Pflückens an einem Physalis-Strauch deuten das Potenzial an, das in den basalen Momenten des Zusammenlebens steckt.

„Sasquatch Sunset“ ist nicht konsequent genug, den eigenen Ansatz in diese Richtung weiterzudenken. So führt das Lebensjahr des Sasquatch-Clans letztlich auch nicht irgendwo hin. Die Kryptiden führen ihre Nummernrevue auf und finden anschließend den einzigen bedeutsamen Platz, den der Film ihnen zuzuweisen vermag: in einem Museum.

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