Drama | USA/Italen 2025 | 100 Minuten

Regie: Alex Russell

Ein junger Verkäufer schleicht sich durch gezielte Manipulation in den erlesenen Kreis rund um einen aufstrebenden Popstar ein. Innerhalb der Entourage des Musikers herrscht jedoch ein erbitterter Wettstreit um dessen Aufmerksamkeit, bei dem man schnell in Ungnade fallen kann. Der Film verbindet die Thriller-Motive über einen obsessiven Fan mit einer zunehmend ins Satirische kippenden Reflexion über Ruhm, Abhängigkeit und Unterwerfung. Dabei tritt er dramaturgisch gelegentlich auf der Stelle, bewegt sich über weite Strecken aber geschickt zwischen sezierenden Beobachtungen zwischenmenschlicher Machtverhältnisse und schelmischer Verbundenheit mit dem ambivalenten Protagonisten. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LURKER
Produktionsland
USA/Italen
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Case Study Films/High Frequency Ent./MeMo Films/Va Bene Prod.
Regie
Alex Russell
Buch
Alex Russell
Kamera
Pat Scola
Musik
Kenny Beats
Schnitt
David Kashevaroff
Darsteller
Archie Madekwe (Oliver) · Théodore Pellerin (Matthew) · Havana Rose Liu (Shai) · Sunny Suljic (Jamie) · Daniel Zolghadri (Noah)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Thriller
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IMDb | TMDB

Satirisch zugespitzter Thriller um einen jungen Mann, der sich in die Entourage eines angehenden Popstars einschleicht und versucht, sich im Wettstreit mit anderen dessen Aufmerksamkeit zu sichern.

Aktualisiert am
25.04.2025 - 17:22:21
Diskussion

Sobald Oliver (Archie Madekwe) mit seiner Entourage einen hippen Klamottenladen betritt, ist die Stimmung angespannt. Der aufstrebende Popstar reagiert auf die ehrfürchtige Ruhe und die nervös verstohlenen Blicke mit stolz zur Schau getragener Coolness. Bis die Disco-Ballade „My Love Song for You“ erklingt. Dem scheinbar desinteressierten Verkäufer Matthew (Théodore Pellerin), der die Musik auflegt, erzählt Oliver voller Anerkennung, dass dies sein absoluter Lieblingssong sei. Und als der unscheinbare hagere Junge dem prominenten Musiker zu verstehen gibt, dass er ihn nicht kennt, lädt ihn Oliver zu seinem nächsten Konzert ein.

An der überrumpelten Reaktion von Matthews Kollegen Jamie (Sunny Suljic) wird klar, dass man gerade Zeugen eines durchtriebenen Schauspiels geworden ist. In Wahrheit ist der vermeintlich unbeeindruckte Verkäufer ein obsessiver Fan von Oliver. Die Songauswahl war ein kalkulierter Schachzug, und die Unwissenheit nur gespielt. Wenig später wird Matthew in die Villa des Musikers eingeladen, Teil seines eingeschworenen Kreises und schließlich alles dafür tun, für immer dort bleiben zu können.

Der Film streut lauter Hinweise

Die Hauptfigur des Regiedebüts von Alex Russell beginnt, aus Berechnung eine Rolle zu spielen. Die Coolness, mit der Matthew auftritt, ist auf subtile Art brüchig. Während die anderen zumindest für eine Weile darauf hineinfallen, erkennt man als Zuschauer seine Maskerade. Auf unverstellte Art wütend oder verzweifelt ist Matthew lediglich, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Unweigerlich wird das Publikum so zu seinem Komplizen. Trotzdem bleibt der junge Mann fremd. Zwar erfährt man, dass Matthew bei seiner Großmutter wohnt und nicht viele Freunde hat. Doch psychologisch durchleuchten möchte „Lurker“ den Protagonisten nicht. Ähnlich diffus bleibt auch die Natur seiner Begeisterung. Ist es Olivers Ruhm, der ihn fasziniert? Sieht er in ihm den idealen Kumpel? Oder ist er gar sexuell von ihm angezogen? Der Film streut Hinweise, aber legt keine stichhaltigen Beweise vor.

Oliver will sich mit seiner Entourage eine eigene Familie schaffen. Sein Privileg ist jedoch, dass er sich die Familienmitglieder selbst aussuchen kann, wie er mit einem selbstgerechten Lächeln betont. Der freundschaftlich-lässige Umgang in der Villa verschleiert die steile Hierarchie, die hier tatsächlich herrscht. Wer den Musiker langweilt oder verärgert, ist draußen. Umso emsiger buhlen die anderen um seine Zuneigung. Olivers Aufmerksamkeit wird für sie zur hart umkämpften Währung. Wer seine Bewunderung jedoch zu offen zeigt, steigt in der Hackordnung ab.

I’m Your Puppet

Matthew hat die Spielregeln schnell verinnerlicht. Man muss nicht nur sympathisch und emotional unaufdringlich sein, sondern auch beweisen, dass er für Olivers Karriere nützlich sein kann. Unersetzbar wird er durch seine kreativ originellen Einfälle für eine geplante Dokumentation. Der ursprüngliche Video-Experte ist schnell ausgebootet, und auch sonst zeigt sich Matthew im Wettbewerb um Olivers Gunst zunehmend ehrgeizig und skrupellos. Selbst seinen Freund Jamie opfert er, geht aber irgendwann derart verbissen vor, dass er selbst in Ungnade fällt.

Seine Regie-Ambitionen sind doppeldeutig. Er weiß nicht nur, wie er Oliver für die Dokumentation vorteilhaft in Szene setzen muss, sondern hat auch im wahren Leben bald die Fäden in der Hand. Ein Skandal führt dazu, dass sich das Machtverhältnis umdreht. Der immer wieder eingespielte Song „I’m Your Puppet“ kommentiert das Geschehen dabei etwas überdeutlich. Zunehmend kippt der Film ins Satirische und nimmt die Handlung dabei vielleicht auch ein wenig zu unernst. Darüber verwandelt sich „Lurker“ in eine augenzwinkernde Rachefantasie an der diktatorischen Herrschaft eines launischen Stars.

Es ist Alex Russell zwar anzurechnen, dass er den ambivalenten Protagonisten nicht pathologisiert und die Geschichte nicht auf eine naheliegende Eskalation zusteuern lässt. Doch manchmal wirkt es ein wenig selbstgenügsam, wie er das Geflecht aus Ruhm, Abhängigkeit und Unterwerfung in immer neuen Variationen durchspielt. Dennoch bewegt sich der Film über weite Strecken auf fesselnde Weise zwischen sezierenden Beobachtungen zwischenmenschlicher Machtverhältnisse und schelmischer Verbundenheit mit dem schamlosen Manipulator. Er zeigt dabei, wie klein die Grauzone zwischen Zuneigung und Zurückweisung sein kann, die unser Interesse an anderen Menschen entfacht.

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