In ihren tagebuchartigen Beobachtungen und zufälligen Notaten spürt die Schriftstellerin Bettina Klix mit feiner Sprache Filmen, Bildern und Blicken nach, die die Vielfalt der Phänomene zur Geltung bringen. Sie erzählen von Seherfahrungen, die sich in die Phänomene vertiefen und in ein reich bestücktes Feld der Assoziationen zurückbinden.
Vom jungen Jean-Marie Straub wird die Geschichte eines Streits mit der „Télérama“-Redaktion aus den 1950er-Jahren erzählt. Die Redakteure der wöchentlich in Paris erscheinenden Zeitschrift hatten in einem von Straub verfassten Text angeblich das Adjektiv „katholisch“ gestrichen und durch „christlich“ ersetzt. Dagegen habe Straub protestiert und fortan keinen Text mehr für „Télérama“ geschrieben. Es sei ihm dabei nicht um konfessionelle Rechthaberei gegangen, sondern um die Präzision der Darstellung.
Es gibt kulturelle Bereiche, in denen es sinnvoll ist, auch heute noch katholische oder protestantische oder allgemein-christliche Charakteristika zu unterscheiden, zum Beispiel in der Bildfrage. Denn es ist immer noch spürbar, dass Filmemacher, die in einem katholischen Ambiente aufwuchsen, ein innigeres, hingebungsvolleres Verhältnis zum Bild haben (Roberto Rossellini,Alfred Hitchcock, Pedro Almodóvar) als protestantisch geprägte Filmemacher, die als Kinder lernten, dem Bild erst einmal zu misstrauen (Ingmar Bergman, Carl Theodor Dreyer, Paul Schrader).
Momente der Anmut und Leichtigkeit
Spuren einer in diesem Sinn „katholischen“ Bildwertschätzung lassen sich in den Notizen der Schriftstellerin Bettina Klix in ihrem jüngsten Werk „Notizen zu Filmen und Bildern“ vielfältig entdecken. Wenn die Berliner Autorin die Welt der Bilder und Blicke durchstreift, dann bringt sie die Vielfalt der Phänomene zur Geltung: vom „kameraartigen“ Blick bis zum Traumbild, von der Klage, wenn eine Ikone (Uta von Naumburg) propagandistisch missbraucht wird, bis zur Ansicht eines Spiegels, der sich mit Bildern anfüllt.
Wenn sie an die Beichtstuhlszene in Robert Bressons „Tagebuch eines Landpfarrers“ (1950) erinnert, geht es um den „kurzen Moment“, in dem das Gesicht einer jungen Frau „die Anmutung einer Ikone hat“. Die physische Direktheit des Ins-Bild-setzens bei Roberto Rossellini beschreibt sie anlässlich von „Franziskus,der Gaukler Gottes“ (1950) schön und präzise: „Rossellini zeigt die Radikalität und Verrücktheit des Heiligen, ganz körperlich bedrängend, nah der Verzweiflung, aber er zeigt es mit einer befreienden Leichtigkeit und Heiterkeit.“
Es sind tagebuchartige, aber sprachlich ausgefeilte Notizen, in denen Klix nicht nur auf Filme referiert, sondern häufig auch auf Gemälde, Ausstellungen und Porträtkunst. Sie bringt Fundstücke aus Romanen und Alltagsszenen bei, und manche Notizen sehen wie Entwürfe zu poetischen Vignetten aus. Die Zuordnung der Notizen zu vier Kapiteln „Träume - Tricks - Trümmer - Tränen“ bleibt bisweilen rätselhaft; spannender ist es, die Themen und Motive herauszufinden, von denen Klix durchgängig angezogen wird, und das sind vor allem drei: das Religiöse, das Künstlerische sowie die Verdichtung der Intensitäten in Bildern und Blicken.
So beschreibt sie detailgenau und augenöffnend Szenen aus „Phoenix“ (2014) von Christian Petzold oder den Blick in den Nacken der hinreißend schönen, einem Marienbild gleichenden Hildegard Knef in „Film ohne Titel“ (1947), ein Blick, in dem sich „Begehren und Verzicht“ mischen. Dazu formuliert sich immer wieder die Frage: lieben wir den Andern als den Andern oder als das Bild, das wir uns von ihm machen?
Fremde und eigene Seherfahrungen
Die Notizen wollen nichts beweisen, sie erzählen von Seherfahrungen, die es wagen, tief einzutauchen und assoziationsreich zu reflektieren, sodass im Leser eigene Erfahrungen lebendig aufgerufen werden.
Literaturhinweis
Träume Tricks Trümmer Tränen – Notizen zu Filmen
und Bildern. Von Bettina Klix. edition offenes feld, Dortmund 2020. 144 S.,
18,00 EUR. Bezug: edition offenes feld