„Mani pulite“, also „saubere Hände“, meint in Italien das, was man bei uns als „weiße Weste“ bezeichnen würde: moralische Integrität. Ein eklatanter Mangel dieser Integrität im Polit-Betrieb war der Anstoß für weitreichende juristische Untersuchungen gegen Korruption, Amtsmissbrauch und illegale Parteifinanzierung, die Italien Anfang der 1990er politisch durchrüttelten und unter dem Schlagwort „Mani Pulite“ in die Geschichte eingingen: Die Abrechnung mit der politischen Elite leitete das Ende der sogenannten „Ersten Republik“ ein, des seit Ende des Zweiten Weltkriegs etablierten politischen Systems, und führte zu einer Umstrukturierung der Parteienlandschaft und des Polit-Betriebs, die die folgenden Jahrzehnte prägen sollte.
Mit ihrer Serien-Trilogie „1992“, „1993“ und „1994“, die nun als komplette Serien-Box vorliegt, lassen die Serienmacher um Giuseppe Gagliardi und Claudio Noce (Regie) und Alessandro Fabbri, Ludovica Rampoldi und Stefano Sardo (Drehbuch) diese Schlüsselphase der jüngeren italienischen Geschichte vom gesellschaftlichen Erdbeben der „Mani pulite“-Aktion bis zum Aufstieg des Rechtspopulisten Silvio Berlusconi wieder auferstehen – in Form eines vielschichtigen Gesellschaftspanoramas aus realen Figuren der Zeitgeschichte wie Berlusconi (Paolo Pierobon) und fiktionalen Charakteren, die unterschiedliche Perspektiven auf das Geschehen einbringen. Da sind etwa ein Showgirl (Miriam Leone), das in einer Phase, in der Macht mehr und mehr eine Frage der „Mediokratie“ wird, ihr Stück vom Kuchen abbekommen will, und ein Kriegsveteran (Guido Caprino), der zum Frontmann der „Lega Nord“ wird. Und immer wieder als janusköpfiges Zentrum des Ganzen: der aalglatte Leonardo "Buio" Notte (gespielt von Stefano Accorsi), ein Werbeprofi, der zum Vertrauten und politischen Berater Berlusconis aufsteigt – ein Mann, der buchstäblich über Leichen geht.
Anhand ihres breit gefächerten Figurenensembles entfalten die Showrunner ein ebenso schillerndes wie abgründiges Sittengemälde rund um unselige Verquickungen von Politik und Kriminalität, Wirtschaft und Medien – eine Art italienisches „House of Cards“; die Macher haben in Interviews aber auch auf stilistische Einflüsse wie „Mad Men“, „Boss“ oder „Game of Thrones“ verwiesen. Wobei die Serie, bei aller Lust an dramaturgischen Zuspitzungen, an pointierten Dialogduellen, am perversen Glamour der sich neu formierenden Geld-Macht-Eliten und dem sardonischen Aufdecken der kriminellen Verstrickungen an erster Stelle durch ihre Akkuratesse und Detailversessenheit beeindruckt, was die Faktenlage und die Rekonstruktion des zeitgeschichtlichen Rahmens angeht.
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Die Box:
1992/1993/1994 – Die komplette Serie mit allen 26 Episoden. 10 DVDs/BDs. Anbieter: Polyband