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Space Queen: Nachruf auf Nichelle Nichols

Montag, 29.08.2022 16:20

Erinnerungen an die Darstellerin der Nyota Uhura in "Star Trek" (28.12.1932-30.7.2022)

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Die in einem Vorort von Chicago geborene afroamerikanische Schauspielerin und Sängerin Nichelle Nichols träumte von einer Broadway-Karriere, die Rolle ihres Lebens fand sie dann aber auf der Brücke des „Raumschiff Enterprise“ in der gleichnamigen Kultserie. Ihre Rolle als Lieutenant Nyota Uhura war ein TV-Meilenstein für die afroamerikanische Community; Martin Luther King gehörte zu ihren größten Fans. Nun ist die Sternen-Pionierin im Alter von 89 Jahren verstorben.


Herausfordernde Situationen am Arbeitsplatz erleben viele, kaum eine hat es in der Hinsicht härter getroffen als Lieutenant Nyota Uhura. Ihre Wirkungsstätte hatte die junge Kommunikationsoffizierin des Raumschiffs Enterprise an der Seite des spitzohrigen Wissenschaftsgenies Mr. Spock. Der berüchtigte messerscharfe Blick des Vulkaniers fand am menschlich-allzu-menschlichen Schaffen der Schiffsbesatzung notorisch etwas auszusetzen, am Handeln von Lieutenant Uhura jedoch nie. 79 Episoden der originalen „Star Trek“-Serie und 6 Kinofilme lang versah Nichelle Nichols alias Lieutenant Uhura so tadellos wie heldinnenhaft ihren Dienst auf der Brücke des berühmten Sternenschiffs. Nun ist die Schauspielerin im Alter von 89 Jahren gestorben.

Zu den Sternen zog es Nichols bereits früh in ihrem Leben, wenn auch in anderer Form, als es ihre spätere Science-Fiction-Karriere ahnen ließ. In jungen Jahren schon stellte Nichols unter Beweis, dass sie für die Bühne gemacht war. Als Ballerina und Tänzerin, die sämtliche Stile mühelos beherrschte und obendrein gesegnet war mit einer vier Oktaven umfassenden Stimme, schien sie wie gemacht für die Welt des Musicals, Nichols’ große Leidenschaft. Ihr Ziel: der New Yorker Broadway. Früh reüssierte sie auf den Bühnen ihrer Heimatstadt Chicago. Ihr Talent brachte ihr schließlich eine Rolle als Tänzerin in Otto Premingers „Porgy & Bess“ ein. Es folgten Fernsehauftritte u.a. in der vom späteren „Star Trek“-Schöpfer Gene Roddenberry kreierten TV-Serie „The Lieutenant“, in der sich die von Nichols verkörperte Serienfigur mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert sieht.


Black Power auf der Kommandobrücke

Es sollte der Autor und Produzent Gene Roddenberry sein, dem die hinreißend charismatische Nichelle Nichols ihre unwahrscheinliche Lebensrolle verdankte. In dem für damalige und auch heutige Verhältnisse ausgesprochen diversen Ensemble der Serie „Star Trek“ spielte die junge Afroamerikanerin ab 1966 unter anderem an der Seite von William Shatner alias Captain Kirk, DeForest Kelley als Schiffsarzt McCoy und Leonard Nimoy als Vulkanier Spock. Ihre Nyota Uhura war ein absolutes Novum in den Vereinigten Staaten der 1960er-Jahre.


Girl in the Gang: Nichelle Nichols mit ihren Star-Trek-Kollegen in "Star Trek V: Am Rande des Universums (IMAGO/Paramount/Everett Collection)" (
Girl in the Gang: Nichelle Nichols mit ihren Star-Trek-Kollegen in "Star Trek V: Am Rande des Universums" (IMAGO/Paramount/Everett Collection)"

Als eine der ersten Afroamerikanerinnen überhaupt hatte Nichols eine tragende Rolle in einer populären TV-Serie inne. Und nicht etwa als Zimmermädchen, wie es viele US-Serien dieser Zeit für schwarze Darstellerinnen vorsahen, sondern als hochrangige Offizierin an Bord eines Raumschiffs – dem Inbegriff amerikanischen Fortschrittsglaubens in Zeiten der Mondlandung und damals noch weitaus hochtrabenderen Projekten. Legendär sollte der erste im US-Fernsehen gezeigte Kuss zwischen einer schwarzen Frau und einem weißen Mann (zwischen Nichols und William Shatner) werden.


Martin Luther King war Uhuras größter Fan

Wie unermesslich wichtig Nichelle Nichols’ nicht-stereotype Rolle für die afroamerikanische Community war, zeigt sich anhand einer Begegnung, die Nichols anlässlich eines Fundraising-Abends der National Association for the Advancement of Colored People im Jahr 1967 in Beverly Hills machte, wo sie auf Dr. Martin Luther King traf. Der legendäre Bürgerrechtsaktivist gestand Nichols zu diesem Anlass, „ihr größter Fan“ zu sein, und „Star Trek“ sei die einzige Serie im Fernsehen, für die seine Ehefrau Coretta und er den gemeinsamen Töchtern erlaubten, abends aufzubleiben. Als Nichols versuchte, dem Anführer der Civil-Rights-Bewegung bei dieser Gelegenheit beizubringen, dass sie mit dem Gedanken spiele, ihre Rolle nach der ersten Staffel zugunsten ihrer Broadway-Karriere aufzugeben, intervenierte King laut Nichols entschieden: „You cannot! You cannot!“ Was solle er nur seinen Töchtern sagen? „Sie sind ihre Heldin.“

King, der sich über die Bedeutung des Fernsehens für die Kultur der amerikanischen Gesellschaft mehr als im Klaren war, gelang es an diesem Abend, Nichols von ihrem Vorhaben abzubringen. Sie spielte die Rolle von Lieutenant Uhura bis zur Absetzung der Serie nach ihrer dritten Staffel und schließlich in sechs weiteren „Star Trek“-Kinofilmen und wurde darin zur Ikone. Es folgten weitere TV- und Kinoauftritte, die an den Glanz ihrer Raumschiff-Enterprise-Rolle nicht heranreichen sollten. Ihre Berufung fand Nichelle Nichols ab den späten 1970ern abseits von Kino und Fernsehen in einer ganz anderen Funktion als NASA-Repräsentantin und -Botschafterin, die sich für Diversität in der US-Raumfahrtbehörde einsetzte.


Bis ins hohe Alter ein Liebling der Trekkies: Nichelle Nichsols 2017 bei der Premiere von "Star Trek: Discovery" (IMAGO / Starface)
Bis ins hohe Alter ein Liebling der Trekkies: Nichelle Nichols 2017 bei der Premiere von "Star Trek: Discovery" (IMAGO / Starface)

Das Erbe lebt weiter

Das von Nichols begründete afroamerikanische Erbe des „Star Trek“-Universums traten nach ihr andere an. Whoopi Goldberg etwa im 1980er-Ableger „Star Trek: The Next Generation“, Sonequa Martin-Green als Captain in „Star Trek: Discovery“, Zoe Saldana als Uhura der Reboot-Filme und Celia Rose Gooding als Uhura-Wiedergängerin in „Star Trek: Strange New Worlds“ (ab Ende des Jahres in Deutschland zu sehen), die neueste Serie des Weltraum-Franchise, die unter anderem die jungen Jahre der Heldin Uhura ins Auge fasst. Nichelle Nichols, deren Erbe in diesen Rollen weiterlebt, verstarb am 30. Juli in Silver City, New Mexico, im Alter von 89 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes.

Die sagenhaften Weltraumbilder des James-Webb-Teleskopes, die dieser Tage ohne Unterlass eintrudeln, hätten der wissenschaftsbegeisterten Nichols gefallen. Hoffentlich versäumt es die NASA nicht, einen der neuentdeckten Sterne nach ihr zu benennen. Nein, noch besser eine Galaxie.

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