In Folge 1 begegnen sich Lloyd (Stephen Jones) und Áine (Elva Trill) auf einer Brücke in Dublin; wenig später nimmt er sie mit in seine nahe gelegene Wohnung, wo sie die Nacht verbringen wird. Aber es ist keineswegs eine herkömmliche Boy-Meets-Girl-Romanze, die sich in dieser irischen Serie, zu der Hauptdarsteller Stephen Jones auch das Drehbuch geliefert hat, entfaltet. Der Grund, warum Lloyd Áine auf der Brücke anquatscht, hat erstmal nichts damit zu tun, dass er sie attraktiv findet, sondern damit, dass er sich Sorgen macht um die Fremde, die da bei strömendem Regen viel zu lange an der Brüstung steht und hinunter ins Wasser blickt. Denkt sie etwa darüber nach, ins Wasser zu gehen? Ist sie eine Selbstmordkandidatin?
Dass Lloyd auf diesen Gedanken kommt, hängt mit etwas zusammen, was vor noch nicht allzu langer Zeit geschehen ist und ihn und Áine auf tragische Weise verbindet, wie die Serienzuschauer allmählich aus Rückblenden erfahren. Lloyd wurde Zeuge, wie ein junger Mann just von dieser Brücke aus seinem Leben ein Ende setzte. Bei dem Selbstmörder handelte es sich um Áines depressiven Freund Sean. Sie trägt schwer an dem Verlust, schwankt zwischen hilfloser Wut und verkapselten Schuldgefühlen. Und auch Lloyd steckt in einer schwierigen Phase. Die Beziehung zu seiner Partnerin Denise liegt auf ihren Wunsch hin auf Eis, während sie auf dem Jakobsweg in Spanien unterwegs ist, um sich selbst neu zu justieren; für Lloyd bedeutet das quälende Unsicherheit. Die Bekanntschaft zwischen ihm und Áine, die mit vielen Spannungen, aber auch einer wachsenden Vertrautheit einhergeht, wird für beide zum Lichtblick. Doch die Vergangenheit, das Päckchen, das beide zu tragen haben, ist immer mit dabei, wenn sie in Lloyds Wohnung stundenlang reden, durch die Straßen gehen, im Pub sitzen etc.
In sechs
Folgen entfaltet die Drama-Serie, festgemacht an angenehm spröden, lebensnahen
Figuren, eine berührende Reflexion darüber, wie Menschen mit Lebenskrisen
umgehen und wie nach emotionalen Wunden die Bereitschaft zu neuer Nähe
entstehen kann. Dazu verkantet die Serie kunstvoll die Zeitebenen ineinander
und lässt dadurch, dass sie nur allmählich die Vergangenheit der Figuren preisgibt,
auch die Zuschauer am Prozess des Kennenlernens und der Annäherung sozusagen
hautnah teilhaben. Die Nordlichter, auf die der Titel anspielt, beziehen sich
übrigens auf einen Herzenswunsch von Sean, der durch seinen Selbstmord unerfüllt geblieben ist; auf
seiner To-do-Liste stand ganz oben eine Reise dorthin, wo man die Nordlichter sehen kann. Lloyd und Áine wünscht man von Herzen, dass sie nicht aufgeben, nach Lichtern in ihrem Leben zu suchen, auch wenn es düster aussieht.