Kirill Serebrennikov ist Russlands »Regisseur der Stunde«. Während sich die Spielräume anderer Filmschaffender zunehmend verengen – sei es, weil sie wie etwa Nikita Michalkov als Putin-treue Patrioten gelten, sei es, weil sämtliche Förderinstanzen nach der Pfeife des Kulturministers tanzen, reüssiert Serebrennikov an allen Fronten: im eigenen Moskauer Gogol-Theater, auf deutschen Bühnen (mit einem poppigen »Il barbiere di Siviglia« an der Komischen Oper in Berlin) und nun mit dem Kinofilm »Der die Zeichen liest« (Kritk): der Geschichte der radikalen Hinwendung eines Schülers zur Bibel und seinem Kreuzzug gegen Unkeusche, Homosexuelle und Frauen, insbesondere gegen seine jüdische Biologielehrerin.
Ihr Film heißt im Original »Der Schüler« (russ. »uchenik«). Als Vorlage diente Marius von Mayenburgs Theaterstück »Märtyrer« (russ. »muchenik«). Wie wurde aus dem »muchenik« ein »uchenik«?
Serebrennikov: Ich wollte schon lange mit von Mayenburg arbeiten. Er schickte mir verschiedene Texte, darunter auch »Märtyrer«. Ich fand das Stück extrem spannend und für Russland passend. Sehr sogar.