Drama | Deutschland 1991 | 97 Minuten

Regie: Hans W. Geissendörfer

Ein etwa 12jähriges Mädchen muß gegen Ende des Zweiten Weltkrieges schwere Enttäuschungen verarbeiten: seine Mutter, Geliebte eines SS-Offiziers, schickt es zur Großmutter aufs Land, und sein von der Ostfront desertierter Vater wird durch den Verrat eines gleichaltrigen Freundes hingerichtet. Ein stimmungsvoll fotografiertes Zeitbild, das sich vor allem durch die Ausstrahlung der jungen Hauptdarstellerin zu einer Auseinandersetzung mit der Ambivalenz von Schuld und Unschuld entwickelt. - Ab 14 möglich.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Geissendörfer Film- und Fernsehprod./Maran/B.A./Filmstudio Barrandov
Regie
Hans W. Geissendörfer
Buch
Hans W. Geissendörfer · Fitzgerald Kusz
Kamera
Hans-Günther Bücking
Musik
Jürgen Knieper
Schnitt
Annette Dorn
Darsteller
Kerstin Gmelch (Gudrun) · Barbara Thummet (Sophie, die Großmutter) · Roman Mitterer (Fritz) · Veronika Freimanová (Lotte, die Mutter) · Bernd Tauber (Albert, der Vater)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Eine Geschichte um mehrfachen Verrat und enttäuschte Zuneigung: Die etwa 12jährige Gudrun wird gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von Nürnberg aufs fränkische Land zur Großmutter geschickt, wo sie nicht nur die Sommerferien verbringen, sondern danach auch aufs Gymnasium gehen soll. Gudrun wird regelrecht abgeschoben: der Mutter ist sie im Weg, weil diese - in Abwesenheit des Vaters, der an der russischen Front kämpft - eine Liaison mit einem SS-Obersturmbannführer begonnen hat. Die resolute Oma durchschaut dies schnell und nimmt Gudrun mit offenen Armen auf, kann jedoch deren Sehnsucht nach mütterlicher Liebe kaum vergessen machen. Gudruns bester Freund ist der etwa gleichaltrige Fritz, der nach einem angeblichen Diebstahl aus der Hitler-Jugend ausgestoßen wurde. Nichts wünscht er sich sehnlicher als die Rückkehr in den Kreis der Führer-treuen Kameraden, doch als Sohn des Dorfpfarrers, der von der Kanzel heftig gegen die Partei und deren Endsieg-Propaganda polemisiert, hat Fritz kaum eine Chance. Bald haben Großmutter und Gudrun ein Geheimnis: der Vater ist desertiert und wird nun im Keller unter Omas Dorfgasthof versteckt gehalten. Und während oben der Ortsgruppenleiter mit den Dorfhonoratioren zecht, erkennt unter ihnen Gudruns Vater ganz allmählich die Wahrheit über seine Frau. Gudrun vollzieht eines Nachts feierlich Blutsbrüderschaft mit Fritz und besiegelt den Schwur, indem sie ihm ihr Geheimnis anvertraut. Der sieht endlich die Gelegenheit, wieder ein HJ-"Pimpf zu werden: sein Verrat schwört Unheil und Tod herauf.

Der Film entwirft in faszinierend schönen Bildern eine landschaftliche Idylle, die auf den ersten Blick angetan sein müßte, wenigstens den Kindern Harmonie und Unbeschwertheit zu bieten und sie aus dem ständigen Zwist um Partei-Treue, stramme Ideologie, Bespitzelung und Denunziation herauszuhalten. Doch die Kinder sind längst eingespannt in dieses System, das sie in unschuldiger Naivität als eine Mischung aus Abenteuer, Spiel und ernsthafte Lebensorientierung verstehen: während das Radio die Erfolge im Feld propagandistisch ausschlachtet, vermischen sich in ihrer Vorstellung Karl May und "Hitlerjunge Quex", die Schwarzfuß-Indianer und die Russen, der Mississippi und die Wolga. Gudrun aber beobachtet schon mit der ernsten Aufmerksamkeit der Heranwachsenden die Ereignisse, wird von der Oma in ihrem noch naiven, aber schon deutlich ausgeprägten Empfinden für Recht und Unrecht geleitet. Der gedankenlose Verrat der Mutter, die sie hintergeht und im Stich läßt, und der eher aus dem mangelnden Schuldbewußtsem eines Kindes begangene Verrat durch Fritz, der zur Hinrichtung des Vaters führt, markieren so auch das Ende einer Kindheit. Am Ende entschließt sich Gudrun, mit der Mutter nach Nürnberg zurückzukehren. "Ich mag keine Märchen mehr", stellt sie ernüchtert fest - und gibt sich gleichzeitig der nach wie vor kindlichen Illusion hin, daß die Mutter sie doch braucht. Hans W. Geißendörfer selbst attestiert seinem Film eine "gewisse Art von Einmaligkeit" in der gegenwärtigen Kinolandschaft, da dieser "außergewöhnlich ehrlich" sei und dem Zuschauer Gefühle und Gesichter böte, ohne ihn durch große technische Manipulation einzulullen. Das sind wohl doch zu große Worte für einen redlich entwickelten und inszenierten Spielfilm, der seine Ausstrahlung und Überzeugungskraft vor allem seiner jungen Hauptdarstellerin verdankt. Erst durch ihre Präsenz verdichtet sich die Handlung, die oft nur von arg konstruierten Auf- und Abtritten der Schauspieler vorangetrieben wird, doch noch zu einer interessanten Studie über die Ambivalenz von Begriffen wie Schuld und Unschuld. Und nur in Gudruns Gesicht spiegelt sich in der Tat ganz am Ende die Hoffnung, daß die so wichtige Bereitschaft des Mädchens, sich mitzuteilen und zu öffnen, nicht ganz durch die erlittenen Schmerzen und Enttäuschungen der Ereignisse, zerstört wurde.
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