Probefahrt ins Paradies

Komödie | Deutschland/Schweiz 1992 | 86 Minuten

Regie: Douglas Wolfsperger

Auf einer Pilgerfahrt nach Lourdes gerät der junge Pfarrer, der die Gruppe leitet, in einen Konflikt, weil seine schwangere Geliebte ihn dazu zwingen will, sich zu ihr und dem Kind zu bekennen. Die im Ansatz erkennbaren Elemente eines allegorisch verschlüsselten Kommentars zur gegenwärtigen Situation der katholischen Kirche werden nicht konsequent herausgearbeitet, statt dessen bleibt der dramaturgisch und thematisch unausgereifte Film in krasser Typenkomik und billigen Gags stecken. Das beachtliche technische Niveau vor allem der Kameraarbeit kann das negative Gesamtbild nicht verdrängen.
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Filmdaten

Originaltitel
PROBEFAHRT INS PARADIES
Produktionsland
Deutschland/Schweiz
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Calypso/Bernard Lang AG
Regie
Douglas Wolfsperger
Buch
Douglas Wolfsperger · Klaus Gietinger
Kamera
Jörg Schmidt-Reitwein
Musik
Jürgen Knieper
Schnitt
Corina Dietz
Darsteller
Barbara Auer (Theresa) · Axel Milberg (Pfarrer Strobel) · Christiane Hörbiger (Schwester Ursula) · Mathias Gnädinger (Freddie) · Kristina Walter (Margot Tägermoos)
Länge
86 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
absolut Medien (1:1.85/Dolby Digital 2.0)
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Diskussion
Ein Gruppe von Pilgern bricht in Überlingen am Bodensee zu einer Wallfahrt; nach Lourdes auf. Die Leitung hat der noch unerfahrene junge Pfarrer Strobel übernommen,, dem der alte Pfarrer zur Sicherheit noch die resolute Schwester Ursula als Aufpasserin zur Seite gestellt hat. Schon nach kurzer Fahrt wird der Bus zum Halt gezwungen: eine hochschwangere junge Frau, Theresa, möchte nach Konstanz mitgenommen werden. Bald stellt sich heraus, daß sie die Geliebte des jungen Pfarrers ist, den sie durch ihre Anwesenheit unter Druck setzen will, damit er sich endlich zu ihr und dem Kind offen bekennt. Während Schwester Ursula dem Sündenfall des Pfarrers auf die Spur zu kommen versucht, ist dieser noch bemüht, der Entscheidung auszuweichen und Theresa von ihrer strikten Haltung abzubringen. Obwohl Schwester Ursula alles versucht, um in der Pilgergruppe strenge Zucht und Ordnung einzuführen, verliert sie langsam aber sicher die Kontrolle. Zuerst scheitert sie bei ihrem Versuch, den Fall Strobel zu lösen, indem sie Theresa eine finanzielle Abfindung und den Inhalt des Klingelbeutels als Anzahlung anbietet. Bei der Übernachtung im Gasthaus "Eden" in der Schweiz sind die Triebe der Pilger gar nicht mehr zu zügeln. Während die einen die Enthaltsamkeitspredigten über Bord werfen und in ungezügelter Freßlust die Küche plündern, spielen sich hinter den Schlafzimmertüren sexuelle Eskapaden ab, und auch der Pfarrer, dem Schwester Ursula kurzerhand die Leitung aus der Hand nimmt, stürzt sich daraufhin trotzig in die Arme seiner schwangeren Geliebten. Die Gräfin, die mit der Urne ihres Gatten im Gepäck als schweigsame Mitreisende im Hintergrund blieb, wird am Morgen tot aufgefunden. Mit einem Sarg auf dem Dachgepäckträger reist der Bus weiter, verirrt sich zusehends im Nebel und fährt in einer Kiesgrube fast in den Abgrund. Nur Theresas Aufschrei beim Einsetzen der Wehen, läßt den Busfahrer abrupt bremsen. Dadurch wird das drohende Unglück verhindert. Um den Pfarrer mit seiner Geliebten und dem Kind scharen sich die Pilger, während Schwester Ursula sich händeringend auf den Boden wirft.

Betrachtet man die Grundstruktur von Douglas Wolfspergers drittem Spielfilm, so erkennt man die Züge einer Allegorie. In dieser Lesart ist der Film als Versuch eines Kommentars zur Situation der Kirche zu sehen. Das traditionelle Symbol des Schiffes ist durch den Reisebus ersetzt: die Kirche ist ein "Touristik-Unternehmen" mit unklarem' Ziel geworden. Der Bus ist halb Panzerwagen halb fahrender Sarg, die Fenster sind mit violetten ; Vorhängen verhangen, der Blick auf die Rea-. lität draußen ist beeinträchtigt. Gesteuert wert den die Gläubigen von den Trieben, die der Busfahrer Freddie symbolisch verkörpert. Mit Droh- und Verzichtspredigten und dem mechanischen Einpauken von Dogmen versucht Schwester Ursula, die Triebe zu kontrollieren. Zwischen Trieb und Dogma steht der liberale, aber ängstlich um seine berufliche Position besorgte junge Pfarrer, aus dessen Verbindung mit der lurchenkritischen Theresa - die als eine neue Maria interpretiert wird - ein Kind hervorgeht, das ein neuer Hoffnungsträger sein könnte, wenn man die Versammlung der Pilger um die junge Familie als Grundstein zu einer neuen Gemeindebildung sieht.

Hätte Wolfsperger diese Ebene der Darstellung konsequent herausgearbeitet, wäre sein Film als sicherlich umstrittener, aber interessanter Ansatz zur Aufarbeitung aktueller Fragen der Kirche in unserer Zeit zu akzeptieren, aber der Regisseur zieht es vor, das Publikum auf eher billige Art mit krasser Typenkomik und vordergründigen Gags zu unterhalten. Der Film ist als Satire gemeint, und dieser Form gesteht man - den Worten Tucholskys folgend - gerne pauschal zu, daß sie "alles dürfe". Eins jedoch darf sie auf keinen Fall vernachlässigen: sie muß die als Ziel der Kritik anvisierte Realität auch präzise treffen. Wolfsperger gerät der Film jedoch ständig aus dem Ruder, weil er sich nicht um die Genauigkeit seiner Kritik bemüht und nicht auf Gags verzichten kann, auch wenn sie zu seinem Thema nichts beitragen. Nicht nur katholische Zuschauer werden die haarsträubenden Ungereimtheiten zur Kenntnis nehmen wie die der Nonne, die selbst den Pfarrer von seinem Amt suspendiert. An einer Stelle zwar wird Wolfsperger sehr konkret, wenn der Pfarrer in seiner Predigt eine Kritik an bestimmten Formen der Marienfrömmigkeit ausspricht, der Gott als das eigentliche Ziel des Glaubens aus dem Blick gerät. Bei der Kritik an der Leibfeindlichkeit der katholischen Kirche setzt Wolfsperger dagegen auf den pauschalen Rundumschlag und reitet auf dem Dogma der Unbefleckten Empfängnis herum, meint aber offenbar weniger dieses als vielmehr das der Jungfrauengeburt. Der vielleicht schwerwiegendste dramaturgische Fehler besteht darin, daß die von ihm offenbar als Hoffnungszeichen gemeinte Wendung des Schlusses letztlich nicht zum Tragen kommt, weil er die meisten seiner Figuren nicht ernst nimmt, sondern sie vorwiegend als Heuchler und Lüstlinge denunziert. so daß eine positive Wandlung nicht glaubwürdig wird. Ebensowenig gelingt es ihm, die Gewichte der Hauptfiguren so auszutarieren, daß ein spannungsvoller Konflikt entsteht. Der Pfarrer ist zu blaß, Theresa zu frech und abschätzig in ihrem Urteil über die katholische Kirche, so daß ihre Liebesbeziehung psychologisch nicht überzeugen kann. Gegenüber diesen Figuren sind die Schwester und der Busfahrer übergroß präsent. Mathias Gnädinger und vor allem Christiane Hörbiger geben "dem Affen Zucker" und führen ihre Figuren als grelle Karikaturen vor. Ein besonders heikler Punkt in der Charakterisierung der Figuren trifft jedoch nicht die kirchlichen Amtsträger, sondern betrifft die Darstellung des geistig behinderten Jungen, der ähnlich wie die meisten Figuren vorwiegend durch seine Lüsternheit gekennzeichnet wird und in der Nacht der ungezügelten Triebe sexuelle Stimulation bei seiner Pflegemutter sucht. Als typisches Beispiel für einen Einfall, der zum eigentlichen Thema nichts beiträgt und besser der Schere zum Opfer gefallen wäre, ist die Figur der greisen Gräfin mit ihrem Urnenkult zu nennen, der absolut nichts mit dem katholischen Verständnis des Todes und der Totenverehrung zu tun hat. Außerdem nutzt der Regisseur dieses Motiv hauptsächlich nur für einen müden Gag mit dem französischen Zöllner (der Regisseur höchstpersönlich), der bei der Kontrolle der Urne die Asche wie Kokain schnupft, Als Beitrag zur kircheninternen Diskussion ist der dramaturgisch und thematisch unausgereifte Film kaum tauglich, als Amüsement wird er höchstens für diejenigen funktionieren, die nur eine Bestätigung ihrer pauschalen Vorurteile gegenüber "den Katholen" erwarten. Das bruchstückhaft erkennbare große Thema wird leichtfertig verschenkt, was um so mehr ärgert, als der Film vorwiegend durch unnötige Zugaben an konsequenter Gestaltung verliert. Da kann auch das durchweg beachtliche technische Niveau - vor allem erwähnenswert die hervorragende Kameraarbeit -das eher negative Gesamtbild nicht verdrängen.
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