Otaku - Gefangen in der Welt der Videospiele, Comics und Computer

Dokumentarfilm | Frankreich 1994 | 169 (TV 55) Minuten

Regie: Jean-Jacques Beineix

"Otaku" bezeichnet im Japanischen einen Menschen, der sich abgekapselt hat und einer krankhaften Sammelleidenschaft frönt, die ihn daran hindert, erwachsen zu werden. Objekte dieser Begierde finden sich in allen Lebensbereichen (Comics, Computerspiele, Fotos, Fetische), gemeinsam ist den Otakus die Loslösung aus dem Produktionsprozeß und die manische Konsumtion. Der (zu lange) Dokumentarfilm beobachtet diese Menschen und stellt Fragen nach ihren Beweggründen, wobei auch er mitunter wahllos Bilder "sammelt" und die Otakus wie Perlen auf einer Schnur aneinanderreiht. So erliegt der im Ansatz melancholisch-kulturpessimistische Film der Faszination seines Themas und verliert sich in banalen Feststellungen. (Der Film wurde für die Fernsehausstrahlung erheblich gekürzt.)
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
OTAKU
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Cargo Films/France 2/Canal plus video
Regie
Jean-Jacques Beineix · Jackie Bastide
Buch
Jean-Jacques Beineix
Kamera
Rémy Baudet · Jean-Jacques Beineix
Schnitt
Jackie Bastide
Länge
169 (TV 55) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 18
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Ausgerechnet ein Clown auf einer Spieluhr wird zum Symbol jener Mentalität, auf deren Spur sich der französische Regisseur Beneix ("Diva", fd 23 908) in Tokio begeben hat. Dabei widmet sich seine, dies sei vorweggenommen, zu lange Dokumentation einem Phänomen des Medienzeitalters, dem der Spieluhrclown noch nicht zuzurechnen ist: den Otakus. Ein Otaku, so erfährt man zur Genüge, ist ein manischer Sammler von Medienprodukten. Er kauft Comics, sammelt Videospiele, bastelt Flugzeugmodelle. Es können aber ebenso getragene Slips von Schulmädchen sein, Waffen oder Fotos von Schlagerstars. Wichtiger vielleicht als das Objekt der Begierde ist die Struktur der Begierde selbst. Der Otaku klinkt sich aus der Produktionsgesellschaft aus und verbleibt in der Sphäre der Konsumtion. Er arbeitet nicht viel und lebt ausschließlich sein zur Besessenheit getriebenes Hobby. Die Realität um ihn herum interessiert ihn nicht. So protestiert er, erklärt jemand, ohne zu protestieren gegen die Entfremdung. Der psychologischen Erklärungsversuche gibt es viele. Der Otaku, meist männlichen Geschlechts, wird nicht erwachsen. Wo andere ihre Puppensammlung eines Tages für Weib und Kind und Brot und Lohn aufgeben, sammelt er weiter. Daß er nicht erwachsen wird, hängt an seiner starken Mutterbindung ebenso wie an der Tatsache, daß es in Japan nichts mehr zu erreichen gibt, seitdem es das Land zu sozialem Wohlstand gebracht hat. Auch das japanische Schulsystem wird mehrfach als Ursache zitiert, und von all den vorgeführten Obsessionen scheint die für das Schulmädchen in der Tat am "japanischsten" zu sein. Schulmädchen konsumiert der Otaku in Form von Aktfotos, kleinen Puppen, Mädchen-Pop-Gruppen in Schuluniform und eben ihren getragenen Slips. Fast ebenso manisch wie seine Helden sammelt Beneix seine Bilder der Leidenschaft. Einen Otaku nach dem anderen reiht er auf wie die Perlen auf einer Schnur. Dazwischen sprechen die Experten über die Seele und die Produzenten wie Nutznießer der Otakus, Schriftsteller, Psychologen, die Chefs und Designer der Konzerne Nintendo und Sega. Doch der Gewinn der endlosen Reihung ist banal: es gibt viele Otakus. Auch wenn Beneix versucht, seine Verwandtschaft zu ihnen mit einer melancholisch kulturpessimistischen Haltung (sein Film endet im Nebel vor dem unsichtbaren Fujijama) zu kaschieren; er teilt mehr mit ihnen als nur die Sammelleidenschaft. Jene neodadaistische Theatergruppe, die rituell mit Megaphonen ausgerüstet in Form der Passantenbeschimpfung auf Tokios Straßen gegen den sinnentleerten Leistungsdruck protestiert, betrachtet er noch erstaunter als die in sich gekehrten Otakus.
Kommentar verfassen

Kommentieren