The Killer (1989)

Krimi | Hongkong 1989 | 110 (Video fr. 104/118) Minuten

Regie: John Woo

Ein Profikiller in Hongkong blendet bei einem Auftrag unbeabsichtigt eine junge Sängerin und beschließt, ihr zu helfen. Bei seinem letzten Auftrag, der das Geld für eine Augenoperation bringen soll, gerät er in einen aussichtslosen Kampf gegen einen Triadenboß, wobei er in einem Polizisten eine verwandte Seele und einen Freund findet. Ein stilisiertes, visuell erstaunliches Actiondrama, in dem der fulminante Einsatz von Gewalt und Schießereien weniger als Selbstzweck erscheint, sondern als Teil eines facettenreichen Zeichensystems. Bei aller Härte entwickelt sich so eine fast "romantische Studie" über Schuld und Sühne, Liebe und Verzicht, Freundschaft und Ehre. (Der Film wurde bereits 1990 in einer unzulänglichen Videofassung als "Blast Killer" vertrieben; erst die Kinoversion sowie der 1997 erstmalig auf Video erschienene "Director's Cut" lassen die Qualitäten des Films erkennen. Kino: O.m.eng.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
DIEXUE SHUANGXIONG | THE KILLER
Produktionsland
Hongkong
Produktionsjahr
1989
Produktionsfirma
Film Workshop
Regie
John Woo
Buch
John Woo
Kamera
Wong Wing-Hang · Peter Pao
Musik
Lowell Lo
Schnitt
Fan Kung-ming
Darsteller
Chow Yun-Fat (Jeff) · Sally Yeh (Jenny) · Danny Lee (Inspektor Li) · Chu Kong (Sidney Fung) · Kenneth Tsang (Sergeant Chang)
Länge
110 (Video fr. 104
118) Minuten
Kinostart
-
Fsk
- (DVD 18)
Genre
Krimi | Action
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
VCL/Laser Paradise (FF P&S, DD2.0 engl./dt.)
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Diskussion
Erst seit 1993, als John Woo in die USA ging und dort u.a. die Actionfilme "Harte Ziele" (fd 30 570) und "Operation: Broken Arrow" (fd 31 798) inszenierte, ist sein Name auch hierzulande etwas bekannter; seitdem genießt Woo freilich den eher zweifelhaften Ruf eines jener "neuen" Action-Regisseure, dessen Materialschlachten und Hang zur akribisch dargestellten Brutalität keine sonderliche Bereicherung für das Hollywood-Kino sind. Tatsächlich ist John Woo bereits seit 1973 als Regisseur im Hongkong-Filmgeschäft tätig, und innerhalb des kommerziellen Genrekinos der Kronkolonie hat er sich durch alle Bereiche des populären Publikumsfilms vom Kung-Fu-Stoff über die Opernadaption bis zur Komödie "durchgearbeitet" und sich eine außergewöhnliche handwerkliche Perfektion angeeignet. Nach europäischem Verständnis von Filmkunst mag John Woo alles andere als ein ambitionierter "Autor" sein, dabei offenbart aber die Art und Weise, wie er die aus "klassischen" Genres des östlichen wie des westlichen Kinos vertrauten Versatzstücke zu einem Höchstmaß an Essenz destilliert, durchaus eine unverwechselbare "Handschrift":

Die fulminant entwickelte äußere Folie der Filmhandlung selbst wird bei Woo zur tragfähigen und zeichenhaft lesbaren Aussage. In seinen besten Filmen in Hongkong hat Woo dabei eine faszinierende Verschmelzung von genretraditionellen Erzählformen und autorieller Unverwechselbarkeit erreicht, die sich vor allem in seinen Hauptwerken "A Better Tomorrow" (1986), "Bullet in the Head" (1990) und eben in "The Killer" erkennen läßt, einem der visuell erstaunlichsten Action-Melodramen der 80er Jahre. "The Killer" versteht Woo als Hommage auf Jean-Pierre Melvilles "Der eiskalte Engel" (fd 15 540), als Verbeugung vor Martin Scorsese und nicht zuletzt vor allen "traditionellen Filmen über tragische Helden".

Im Mittelpunkt der Handlung steht der Profikiller Jeff, ein äußerlich liebenswürdiger, introvertierter Mann, der mit stoischer Ruhe und eiskalter Souveränität seine Aufträge ausführt. Bei einer tollkühnen Aktion in einem Nachtclub, wo er auftragsgemäß einen Mord begeht und sich gegen zahllose Mitglieder einer Gangsterbande behaupten muß, begegnet er der hübschen Sängerin Jenny, will sie schützen und kann doch nicht verhindern, daß sein Mündungsfeuer sie blendet. Fortan lastet eine ihm bislang unbekannte Schuld auf ihm, die er zu sühnen und abzutragen versucht, indem er sich Jenny von ihr unerkannt nähert und zu ihrem Wohltäter wird, der ihr eine teure Augenoperation ermöglichen will. Doch der als definitiv letzter gedachte Mordauftrag, der das Geld dafür bringen soll, führt Jeff in einen auf Dauer nicht zu kontrollierenden Strudel des Verderbens. Während eines traditionellen Drachenboot-Rennens tötet er einen Triadenboß und wird nun selbst zur Zielscheibe seines machthungrigen Auftraggebers, der Jeff als lästigen Zeugen beseitigen will. Zugleich aber ist Jeff der draufgängerische Polizeiinspektor Li auf den Fersen, der sich, seltsam fasziniert von Jeffs Haltung und Handlungsweise, als eine Art Seelenverwandter erweist: Zwar auf gegensätzlichen Seiten des Gesetzes stehend, schätzen sich die beiden bald wegen ihrer vergleichbaren Ehrbegriffe, die sie als Relikte aus einer längst überlebten Zeit erscheinen lassen, als die Welt noch nicht durch Korruption, Ehrlosigkeit, Mißgunst und Habgier verseucht war. Doch der seltsamen Freundschaft der beiden ist keine Zukunft beschieden.

Man sollte "The Killer" nicht als bloßen Krimi mißverstehen. Die zweifellos exzessiv eingesetzte Brutalität und die Fülle der breit ausgespielten Schießorgien lassen sich nur dann sinnvoll einordnen und hinterfragen, wenn man sie als Chiffren für die emotionale Beschaffenheit der Filmhelden interpretiert und nicht als voyeuristische Spekulation mit der Gewalt. Weder der Film noch die Gewaltszenen sind denn auch "realistisch", vielmehr Zeichen für eine Idee hinter den Bildern, die sich dann in den nuancenreich facettierten Stimmungen und Atmosphären des Films fortsetzt und vertieft. Bereits der Filmbeginn ist dafür vielsagend: Eine Totale über das nächtliche Hongkong wird gegen den idyllisierten Innenraum einer Kirche gesetzt, die für den Killer Sinnbild für (innere) Ruhe ist; mehr oder minder gleitend führt die nächste Szene zum Nachtlokal, dessen Atmosphäre tranceartig von Jennys Lied bestimmt ist, in dem sie von "weiteren stillen Tränen" singt und das Kommende voller Melancholie wissend-unwissend antizipiert, bevor die exzessive Schießerei beginnt. Zurückgekehrt in die Kirche, läßt sich Jeff unter Schmerzen die Kugeln entfernen, die er in Kauf nahm, um Jenny zu schützen - hinter ihm das Kirchenkreuz, jetzt Sinnbild für seine Schuld und den ihn fortan treibenden Wunsch nach Sühne. Ähnlich ließen sich die weiteren zentralen Szenen des Films in der visuellen und akustischen Gestaltung verankern: Liebe und Verzicht, Freundschaft und Ehre. Lärm und Stille, optische Rasanz und elegische Atempausen wechseln einander genau berechnet ab und verbinden sich zu einer eigenwilligen "romantischen" Melodramatik, die man gar nicht in einem solchen Actiondrama vermuten würde. Sicher: Die Philosophie des Films mag eher mit der Zeichenhaftigkeit eines spannenden Comic Strips verwandt sein, dennoch ist die fast schon Shakespearesche Tragödiengröße am Ende, wenn die nun beide blinden Liebenden aneinander vorbeikriechen, ohne sich finden zu können, nicht aufgesetzt, sondern von einleuchtender visueller Kraft. Und wenn irgendwann einmal der melancholische Killer erkennt: "Ich habe immer geglaubt, daß die Menschen, die ich töte, den Tod verdient haben; jetzt weiß ich, daß jeder Mensch es verdient zu leben", dann ist auch dies nicht die dümmste Erkenntnis für einen solch hochgradig stilisierten Actionfilm.
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