Tragikomödie | Hongkong 1995 | 95 (TV 106) Minuten

Regie: Ann Hui

Eine dynamische Karrierefrau muß sich plötzlich um ihren an Alzheimer erkrankten Schwiegervater kümmern. Die Belastung gerät freilich zum Gewinn. Ein in einem zurückhaltenden Filmstil inszeniertes imponierend seriöses Psychogramm, das emotionale Höhepunkte bewußt herunterspielt. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
SUMMER SNOW | XIATIAN DE XUE
Produktionsland
Hongkong
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Harvest Crown/Class
Regie
Ann Hui
Buch
Chan Man-Keung
Kamera
Lee Ping-bin
Musik
Otomo Yoshihide
Schnitt
Wong Yee Shun
Darsteller
Josephine Siao Fong-Fong (May Wu (Frau Sun)) · Roy Chiao (Herr Sun, sen. (Schwiegervater)) · Law Kar-Ying (Bing Sun) · Lo Koon-Lan (Lan Sun) · Allen Ting (Allen Sun)
Länge
95 (TV 106) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Tragikomödie
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Diskussion

Es ist schon imponierend, wie es Ann Hui bis heute gelungen ist, im kommerziell ausgerichteten Hongkong-Kino Nischen für schwierige Themen zu finden. Wie bei ihrem neuesten Film, dem auf distanzierte Art anrührenden Porträt einer Sensationsdarstellerin, „The Stunt Woman“, konnte sie auch ihr Projekt „Sommerschnee“ durch einen weiblichen Star verkaufen. Josephine Siao trägt den Film nicht nur in finanzieller Hinsicht. Die oft mit Audrey Hepburn verglichene Schauspielerin verleiht als energisch-charismatische Endvierzigerin nahezu jeder Szene eine bezwingende Präsenz und macht sich den Film fast ganz zu eigen.

Als sei sie nicht durch Karriere, Haushalt und ihren heranwachsenden Sohn genug gefordert, muß sich May plötzlich um ihren an Alzheimer erkrankten Schwiegervater kümmern. Mit dem plötzlichen Ausbruch seiner Krankheit durch den Schock des Todes seiner Frau ist der alte Mann unfähig geworden, ein eigenes Leben zu führen. Ein Pflegeheim wirft ihn nach einem Ausbruch, der ihn durch Hongkong irren ließ, hinaus. Seiner Familie droht er durch seine Eskapaden zur Plage zu werden und nimmt sie doch unwillkürlich durch seine Unschuld für sich ein. Einmal springt der Weltkriegsveteran mit einem improvisierten Fallschirm vom Hausdach, als wolle er beweisen, daß nicht nur Kinder, sondern auch kindliche Greise einen Schutzengel besitzen. „Ich wünschte, ich hätte Alzheimer“, kommentiert sein Enkelsohn. „Dann könnte ich ihn wenigstens vergessen.“

Durch den optimistischen Humor Ann Huis erfahren tragische Szenen komödiantische Brechungen. Zugleich aber scheut sich Ann Hui nicht vor offener Emotionalität, wenn auch in kleinen Dosen. Typisch für ihren Stil ist dabei eine episodische Erzählstruktur, die für rasche Stimmungswechsel sorgt und den Zuschauer stets mit neuen Facetten des Themas konfrontiert. Dies ist gleichermaßen fordernd wie unterhaltend. Allerdings relativiert diese Technik auch potentielle emotionale Höhepunkte, deren Zurücknahme radikal den Konventionen des Hongkonger Unterhaltungskinos entgegensteht. Übertreibung ist Ann Huis Sache nicht, was man mitunter auch als Mangel an dramatischer Überhöhung bedauern kann. Insbesondere die Filmmusik wird nur verhalten eingesetzt. Die Geschmackssicherheit Ann Huis ist dabei imponierend: Als der alte Mann plötzlich im Kreise seiner Familie stirbt, wird dies lediglich durch eine Weißblende visualisiert, kein Wort wird darüber verloren.

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