- | Deutschland 1996 | 90 Minuten

Regie: Götz Penner

Dokumentarfilm über das Leben einiger Bauernfamilien in Nordhessen. In einem ruhigen Erzählduktus erschließen sich Porträts von Menschen, die trotz widriger Lebensumständem mit sich und der Natur im Einklang sind. Ein eindrucksvoller, überaus lehrreicher Film, durchzogen von menschlicher Wärme, der von den Mühen der landwirtschaftlichen Arbeit, aber auch von der Liebe zu ihr berichtet. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
Penner Prod., Kassel
Regie
Götz Penner
Buch
Götz Penner
Kamera
Clemens Birckenbach · Götz Penner · Wolfgang Hemmann
Musik
Till Mertens
Schnitt
Monika Dürre
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
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IMDb

Diskussion
Nordhessen, karge Hügellandschaft, strukturschwach, trotz karger Böden seit Menschengedenken Bauernland. Mit Bedacht hat Götz Penner diese Gegend ausgesucht und sich auf den kleinen Ort Liebenau-Ostheim konzentriert, in dem nur noch fünf Bauernhöfe als Vollerwerbsbetriebe bewirtschaftet werden, alles andere läuft als Nebenerwerb. Ein Jahr lang beobachtete Penner die Bauern und ihre Familien, die anderen Dorfbewohner, blickt auch über den Berg in die westfälische Börde, wo alles etwas anders ist: die Böden ertragreicher, die Felder größer und daher effizienter zu bewirtschaften, das Auskommen zufriedenstellender.

Bei aller Nähe zum Sujet und zu den Personen, bleibt der Regisseur doch immer ein wenig auf Distanz, beobachtet anteilnehmend und verständnisvoll, mischt sich jedoch nicht ein, konstatiert den oft harten Alltag, läßt die Leute reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Ein Jungbauer, der "reichste" im Ort, beklagt die viel zu kleinen Parzellen, die eigentlich zu viel Arbeit machen, und trägt sich mit dem Gedanken, auf ökologischen Anbau umzustellen; eine Familie erzählt von ihrer Freude an der Nachzucht; der reiche Schweinemäster aus Westfalen sieht in seiner Arbeit eine eher beobachtende Tätigkeit ("Hoher Kapitaleinsatz und relativ wenig Arbeit"). Und immer wieder wird gerechnet. Daß das Existenzminimum bei 70 Hektar liegt, daß nach Abzug aller Kosten die hessische Agrarförderung den eigentlichen Jahresgewinn ausmache, daß 250 Stunden melken gerade mal 700 - 1000 Mark einbringen, daß die Entsorgung einer Tonne Abfall dem Entsorger mehr Geld einbringt wie den Bauern eine Tonne Weizen; daß sich die Getreideproduktion mit 40.000 DM Betriebskosten gerade mal selbst trägt (Gewinn: 40.000-45.000 DM, je nach Marktlage).

Bei all diesen Fakten sollte man nun meinen, Penner hätte einen wehleidigen Film über Menschen am Rande des (Existenz-)Abgrundes gemacht, und die hätten die Gelegenheit ergriffen, vor der Kamera ihr Leid zu klagen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Penner porträtiert Menschen, die mit ihrem Los nicht nur zufrieden sind, sondern die glücklich zu sein scheinen und dies auch ohne Worte zu vermitteln wissen. Die Blicke sind es, die Gesichter, die eine ungeheure Zufriedenheit ausstrahlen, der Umgang miteinander und mit den Tieren. Gewiß, draufzahlen, das kann sich keiner leisten, dann muß man die Notbremse und die Konsequenzen ziehen, aber freiwillig aufgeben wird von diesen Menschen keiner.

Und hier wird dann der Film über sein eigentliches Thema hinaus zum Glücksfall. Zeigt er den Zuschauer doch, die sich längst an unzufriedene, ewig maulende Mitmenschen gewöhnt haben, denen die Forderung nach dem "Mehr" schnell über die Lippen kommt und für die sich bescheiden eine Zumutug darstellt, daß es auch heute, auch bei uns noch anders geht: Wenn man nur sein Leben anders ordnet, andere Prioritäten setzt, seinem Leben ein anderes Wertgefüge zugrunde legt. Die Menschen schwärmen geradezu von ihrem "Traumberuf" Bauer, von der relativen Freiheit, von der Arbeit in und mit der Natur. Überhaupt die Arbeit, die wird selbst zu einem Wert, Bauer Stark sagt, daß sie zu den schönsten Dingen auf der Welt zählt, daß sie Sinn stiftet, auch wenn das Ergebnis von anderen als wertlos eingeschätzt wird, und Urlaub, daß ist ja auch ein bißchen so wie arbeitslos sein.

Diesem vergnügten, mitunter "bauernschlauen" Grundton, der sich durch den ganzen Film zieht, passen sich nicht nur die Bilder und die Montage an, auch die Musik zieht mit, läßt keine Schwere aulkommen. So ist ein Dokumentarfilm entstanden, der nicht doziert und besserwisserisch belehrt, sondern der mit authentischen Bildern und völlig ohne Effekte von Menschen erzählt, die im Einklang leben - im Einklang mit sich, der Natur und den Jahreszeiten, die dem sorgfältig fotografierten Film seine äußere Struktur geben. Ein rundum gelungener Film ohne Pathos, mit viel Witz und immer glaubhaft, und wenn Jungbauer Rudert - mittlerweile hat er "auf Bio" umgestellt - am Ende sagt, ökologischer Anbau tue auch der Natur gut, schaffe Nistplätze und erhalte die Artenvielfalt, so glaubt man, daß ihm auch dieser Aspekt neben den besseren Verdienstmöglichkeiten eine Herzensangelegenheit war. Ein Film über die vielen kleinen Sisyphuse, die sich mit viel Humor in ihrem Leben eingerichtet haben, das harte Los zwar auch beklagen, von Aufgeben aber nichts wissen wollen, ein Wesenszug, der sie ungeheuer sympathisch macht, gerade heute.
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