Pianese Nunzio - 14 im Mai

Drama | Italien 1996 | 115 (Video 100) Minuten

Regie: Antonio Capuano

Der Kampf eines Priesters gegen die neapolitanische Camorra in seinem Viertel, die alles und jeden kontrolliert. Dieser Kampf geht verloren, als ihn ein 13jähriger Schutzbefohlener des sexuellen Mißbrauchs bezichtigt und denunziert. Ein sozial und politisch engagierter Film, der jedoch zu keiner künstlerischen Geschlossenheit findet und seine Geschichte voller Klischees und Stereotypen erzählt. Die gute Absicht wird zwar sichtbar, aber durch das plakative Drehbuch sowie die mangelnde Personenzeichnung torpediert. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PIANESE NUNZIO, QUATTORDICI ANNI A MAGGIO
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
A.M.A. Film/Instituto Luce/G.M.F./Mediaset
Regie
Antonio Capuano
Buch
Antonio Capuano
Kamera
Antonio Baldoni
Musik
Tiziano Crotti
Schnitt
Giogiò Franchini
Darsteller
Fabrizio Bentivoglio (Don Lorenzo Borrelli) · Emanuele Gargiulo (Nunzio Pianese) · Manuela Martinelli (Ada) · Tonino Taiuti (Cuccarini) · Roaria De Cicco (Tante Rosaria)
Länge
115 (Video 100) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16 (Video)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Heimkino

Verleih DVD
Pro-Fun (1.66:1, DD2.0 ital./dt.)
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Diskussion
Der Alltag in einem heruntergekommenen Viertel in Neapel ist bestimmt von Arbeitslosigkeit. Bettler prägen das Straßenbild ebenso wie jugendliche Herumtreiber und Tagediebe, die auf ihre Opfer lauern. Geschäfte werden auf der Straße gemacht, fast täglich Morde verübt, die kaum noch jemand zur Kenntnis nimmt – ein Stadtteil, fest im Klammergriff der Camorra, der neapolitanischen Mafia. Gegen sie ist Vater Lorenzo angetreten, ein Seelsorger mittleren Alters, der mit seinen Schäfchen leidet. Sein Anliegen ist es, einer für soziale Fragen offenen Gemeinde vorzustehen, die sich gegen das weitere Ausbreiten des organisierten Mobs solidarisiert, und sich zugleich für die Jugendlichen des Viertels einzusetzen, die als Drogenkonsumenten, Desorientierte oder kriminelle Handlanger des verbrecherischen Systems verheizt werden. Einen Ex-Junkie hat er von der Straße aufgelesen, gewährt ihm ein Dach über dem Kopf; besonders ist er an der Entwicklung des 13jährigen Nunzio Pianese interessiert, der im Kirchenchor mit glockenheller Stimme singt und bei den Messen die Orgel spielt. Ein Junge aus denkbar schlechten Verhältnissen, der Priester werden möchte, um ein für allemal ausgesorgt zu haben, dessen Lebensweg jedoch vorgezeichnet zu sein scheint, zumal der Bruder bereits mit dem kriminellen Milieu mehr als liebäugelt. Vater Lorenzo ist der Camorra ein Dorn in Auge, doch ihn umzubringen hieße, einen Helden schaffen. So besinnt man sich auf subtilere Methoden, und da ist die Homosexualität des Priesters, die er mit dem ehemaligen Drogenabhängigen auslebt, kein schlechter Ansatz. Was wäre, wenn Nunzio, der erst im Mai 14 Jahre alt wird, sexuelle Kontakte zum Priester zu Protokoll geben würde? Ein Komplott wird geschmiedet und Nunzio zusehends unter Druck gesetzt. Dem kann der Junge nicht standhalten – schließlich ist die ganze Familie involviert – , und später will er es auch nicht mehr, rechnet er sich doch mit seinen „weltlichen“ Kontakten im Beruf eines Pop-Sängers bessere Chancen aus.

Die Handlung zeugt von Engagement und sozialer Einlassungsbereitschaft, und doch ist „Pianese Nunzio“ ein Film, der seinen hehren Ansprüchen nicht genügt. Dies liegt zum einen an der mangelnden Ausfeilung der Charaktere, die zu holzschnittartig entworfen wurden, um ihre Beweggründe letztlich verstehen zu können, zum anderen am plakativen Drehbuch, das seine Wut über die Mißstände nur in Maßen künstlerisch umsetzt, ihr ansonsten freien Lauf läßt. Die Szenerie ist ausgesprochen düster; natürlich bieten sich dunkle Kirchenräume als Set an, doch wäre es durchaus auch einmal angebracht, lichtdurchflutete Katedralen als Symbol der Hoffnung einzusetzen. Schwerwiegender ist freilich die Person des Vaters Lorenzo, der in seinem Kampf gegen die Mafia heldische Dimensionen gewinnt, dessen Kampf gegen die Lust aber kaum thematisiert wird. Und das, obwohl die Eingangssequenz diesem Thema gewidmet ist. Da beklagt der Kirchenmann den Verlust seiner (sexuellen) Unschuld unter dem Vorbehalt, daß ihm nun beide Hände gebunden seien, um als Vorbild dienen und die Geschicke seiner Gemeinde in eine andere Richtung lenken zu können. Auch Nunzio bleibt dramaturgisch blaß. Aus dem Vorzeige-Jugendlichen des Viertels wird ohne klar ersichtlichen Grund der Denunziant, der sich in die ungeschriebenen Gesetze des Clans einfügt. So ist viel angestrebt und nur wenig erreicht worden in einer behäbigen Inszenierung, die versucht, immer wieder auf Schockeffekte zu setzen, wenn sie das Lebens- und Elendsgefühl in der Stadt Neapel darstellen will. Alles bleibt jedoch nur dem pittoresken Sozialdrama verhaftet. Authentizität will der Film auch durch dokumentarisch anmutende Szenen erreichen, in denen die Charaktere aus ihren Rollen heraustreten und Selbstauskünfte in die Kamera sprechen; das sieht dann aus wie ein Polizeiverhör – ein Stilmittel, das sich rasch abnutzt. Ihren negativen Höhepunkt erreicht die Geschichte in der Parallel-Montage der Schlußsequenz, in der alles in allegorischer Verkürzung unter einen Hut gepackt werden soll: Vater Lorenzo schreitet mit den rechtgläubigen, der Camorra abschwörenden Gemeindemitgliedern, die aktualitätsbezogene Fürbitten beten, seinen persönlichen Kreuzweg ab, während der „Verräter“ Nunzio im Polizeiverhör gezeigt wird. Eine unnötige Emotionalisierung, die unter Damiano Damiani oder Francesco Rosi, den Vätern des sozialkritischen italienischen Mafia-Films, nie stattgefunden hätte
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