Drama | USA 1992 | 114 Minuten

Regie: Thomas Carter

Drei Jugendliche im Hamburg des Jahres 1939, die feurige Anhänger der von den politischen Machthabern verpönten und schließlich verbotenen Swing-Musik sind, geraten auf unterschiedliche Weise unter den Einfluß des Nazi-Regimes. Mischung aus Musikfilm und dramatischer Entwicklungsgeschichte; zwar bleibt der historische Hintergrund stereotyp, doch dank hervorragender Darsteller gelingt ein ebenso lebendiges wie differenziertes Bild jener Loyalitätskonflikte, die sich durch Freundschaften und Familien ziehen und sie letztlich zerstören. - Ab 14 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
SWING KIDS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Hollywood/Touchwood Pacific Partners I
Regie
Thomas Carter
Buch
Jonathan Marc Feldman
Kamera
Jerzy Zielinski
Musik
James Horner
Schnitt
Michael R. Miller
Darsteller
Robert Sean Leonard (Peter) · Christian Bale (Thomas) · Frank Whaley (Arvid) · Barbara Hershey (Frau Müller) · Kenneth Branagh (Knopp)
Länge
114 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Genre
Drama | Musikfilm
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Diskussion
Swing ist "der" Jazzstil der 30er Jahre: Benny Goodman (der "King of Swing"), Count Basie, Fletcher Henderson, Gene Krupa, Roy Eldridge, Teddy Wilson, Fats Waller und viele andere bestimmten diese Musik, die von der Kraft der großen Orchester-Arrangements ebenso geprägt wurde wie von der Persönlichkeit und Individualität dieser und anderer großer Solisten. "Sing, Sing, Sing", "Flat Foot Floogee" und "Swingtime in the Rockies" von Benny Goodman, "Jumpin' at the Woodside" von Count Basie oder auch "Bei mir bist Du schön" in der Interpretation der Andrews Sisters waren regelrecht Straßenfeger und sorgten dafür, daß der Swing das bis dahin kommerziell lukrativste Ereignis der Jazz-Musik wurde. Im Deutschland des Nationalsozialismus konnte solche Musik freilich nur auf schärfste Ablehnung stoßen. Sie wurde als gefährliche "Negermusik" diskreditiert, die den pervertierten Gedanken von Schwarzen oder Juden entsprungen sei, wurde verboten, ihre Anhänger wurden verfolgt. Daß sich im Hamburg des Jahres 1939 Jugendliche für den Swing so sehr begeisterten, daß sie ihn trotz des politischen Klimas zum Zentrum ihres Lebens machten, ist wohl eher eine Marginalie der Geschichte, und die "Swing Kids" als "Widerstandskämpfer" zu bezeichnen, wäre ein allzu großes Wort. Doch ihr Interesse für den Swing hatte genauso wie ihre Art der Kleidung - schottische Westen, lange Hosen mit weitem Schlag, Regenschirm und Eden-Hüte - natürlich auch eine politische Bedeutung: was heute als "normale" Rebellion gegen die Normen des Establishments gelten würde, mußte damals zwangsläufig zur Konfrontation mit den Machthabern führen. Vor diesem Hintergrund erzählt der Film von der Freundschaft dreier "Swing Kids" in Hamburg 1939, von den Proben, auf die sie gestellt wird, und vor allern von den "Gewissensprüfungen", die sie unterschiedliche Wege einschlagen, sich anpassen oder sich behaupten lassen, um ihre Individualität zu wahren.

Im Zentrum steht Peter Müller, der mit seinen Freunden Thomas und Arvid tagsüber das Gymnasium und abends die noch geöffneten Swing-Tanzsäle besucht. Dort toben sich Peter und Thomas zu fetzigem Sound aus und genießen in vollen Zügen das, was für sie unmittelbarer Ausdruck ihres Lebensgefühls ist. Arvid ist gehbehindert, und da er nicht tanzen kann, verinnerlicht er die Musik noch viel mehr, spielt selbst Gitarre und bewundert Django Reinhardt. Daß die Tanzveranstaltungen in halber Illegalität stattfinden, die stets wechselnden Orte erst kurz vorher hinter der Hand mitgeteilt werden, erhöht noch den Reiz. Doch was zunächst als ein politisch naives Katz-und-Maus-Spiel erscheint, gewinnt immer repressivere Züge, und auch zu Hause läßt sich für Peter der Einfluß der braunen Machthaber nicht länger verdrängen. Seine Mutter ist nach dem Tod ihres Mannes darauf fixiert, Peter und seinen kleineren Bruder Willi von allen schädlichen Einflüssen abzuschirmen. Als sich nach einer Routine-Untersuchung der Gestapo-Major Knopp auch privat für sie zu interessieren beginnt, läßt sie sich auf dessen Avancen ein, krampfhaft bemüht, Persönliches rigoros vom politischen Hintergrund zu trennen. Daß solches Verhalten mit dem Tod von Peters Vater zu tun hat, wird Peter erst viel später verstehen. Als Peter nach einem unüberlegten Jungen-Streich von der Polizei verhaftet wird, ist es Knopp, der sich für ihn einsetzt und ihm zugleich nahelegt, daß es Zeit für den Eintritt in die Hitlerjugend sei. Aus Solidarität schlüpft auch Thomas in die HJ-Kluft - wobei beide überzeugt sind, trotzdem noch weiter als "Swing Kids" leben zu können. Doch zunächst schleichend, dann immer massiver verschieben sich die Fronten. Arvid wird zusammengeschlagen und schwer verletzt, Thomas will ihn rächen. Doch sein Racheakt stößt auf Unverständnis, und allmählich kann und will Thomas immer weniger Verständnis für Arvid aufbringen. Während er immer mehr die Sicht der Nazis annimmt, wird Peter zunehmend unsicherer: Vor seinen Augen gerät die Welt aus den Fugen, Freundschaften zerbrechen und Menschen sterben aus purer Willkür. All seine furchtbaren neuen Erfahrungen und Eindrücke lassen ihn (ver-)zweifeln und fordern ihn zugleich heraus.

Der Film fächert ihn weit ausholenden Verästelungen und Nebenhandlungen die verschiedenen Motive auf, die das Schicksal der "Swing Kids" leiten. Manches gerät zu kurz und plakativ, anderes allzu modellhaft, so auch die Grundkonstellation selbst, die in den drei Freunden drei grundsätzliche "Wege" veranschaulichen will: der eine als das Opfer, der zweite als der Mitläufer, der dritte schließlich als der "Held" der Entwicklungsgeschichte, der verstehen lernt und den Mut aufbringt, seine rebellische Haltung von der Musik auf die Politik zu verlagern. Solche Verkürzungen sind freilich dramaturgisch recht geschickt verarbeitet und "mit Leben gefüllt". Während der politische Hintergrund stereotyp bleibt, verleihen die jungen Darsteller ihren Figuren Intensität und Glaubwürdigkeit und lassen damit den "Modellfall" unversehens interessant und auch bewegend werden. Dabei gewinnen die Grundkoordinaten weniger in ihren historischen als ihren "zeitlosen" Aspekten an Bedeutung: wie politische Naivität zur Verführbarkeit führt, wie Konflikte der Loyalität Freundschaften und Familienzusammenhalte sprengen können, wie Vereinnahmungen Gefühle lenken und beeinflussen, wie seelische Wunden (verständlicherweise) zum Rückzug und zur Passivität gegenüber dem Unrechtssystem führen und wie, nicht zuletzt, Musik zum genauen Gegenteil von Realitätsflucht beitragen kann. Daß der Film in ein allzu pathetisches (Hollywood-)Ende mündet, schadet ihm leider mehr als daß es förderlich ist: die übersteigerte Heldenpose beruhigt und beschwichtigt angesichts der zuvor recht differenziert ausgeloteten Konflikte.
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