Kinder des Himmels

- | Iran 1997 | 88 Minuten

Regie: Majid Majidi

Ein Junge in einem Armenviertel von Teheran verliert das einzige Paar Schuhe seiner jüngeren Schwester. Daraufhin müssen sich die Kinder die Schuhe des Jungen für den Schulweg teilen. Als bei einem Marathonlauf ein Paar Turnschuhe als Prämie winkt, scheint sich das Problem zu lösen. Der autobiografisch geprägte Film erzählt aus der unverstellten Sicht der Kinder, wie schwierig sich für die Armen selbst die Erfüllung der Grundbedürfnisse gestalten kann. Sachlich und ohne Melodramatik vermittelt er einen Eindruck von den bedrückenden und totalitären Lebensverhältnissen nach zwei Jahrzehnten "Gottesstaat", aber auch von zwischenmenschlichen Aspekten, die dem entgegenstehen. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
BACHEHA-YE ASEMAN
Produktionsland
Iran
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Institute for the Intellectual Development of Children and Young Adults
Regie
Majid Majidi
Buch
Majid Majidi
Kamera
Parviz Malekzade
Musik
Keyvan Jahanshahi
Schnitt
Hassan Hassandoost
Darsteller
Mohammad Amir Naji (Alis Vater) · Amir Farrokh Hashemian (Ali) · Bahare Seddiqi (Zahra) · Nafise Jafar-Mohammadi (Roya) · Fereshte Sarabandi (Alis Mutter)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Externe Links
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Diskussion
Das Leben zweier Geschwister, in dem ein paar Schuhe über Wohl und Weh entscheiden kann, steht im Mittelpunkt. Der zehnjährige Ali lebt mit seiner Schwester Zahra und den Eltern in einer winzigen Wohnung in einem Armenviertel Teherans. Während der Vater lautstark Zucker für die Teeküche zerhackt, in der er arbeitet, suchen die Kinder – schriftlich, da sich die Familie nur einen Raum teilt – nach einer Lösung für ein Problem, das ihr Leben völlig durcheinander bringt. Ali hat auf dem Rückweg vom Schuster Zahras Schuhe verloren. Nun müssen sich die Geschwister, in der Annahme, die Eltern könnten keine neuen Schuhe kaufen und um dem Ärger aus dem Weg zu gehen, Alis alte Turnschuhe teilen, damit beide die Schule besuchen können – was immense Probleme im Timing nach sich zieht. So sieht man sie immer wieder durch die engen, kahlen Gassen des Viertels rennen, um zwischen Schule und Heim die Schuhe zu tauschen, und das jeden Tag.

Regisseur und Autor Majid Majidi zeigt deutlich das Wohlstandsgefälle innerhalb der Stadt. Dort, wo sich die Reichen in ihren Palästen mit Mauern umgeben, beginnt der Vater, begleitet von seinem Sohn, Arbeit als Gärtner zu suchen, doch regelmäßig wird ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Auf der anderen Seite zeigt der Film, dass die Armut nach unten keine Grenze kennt. Als die Kinder die verlorenen Schuhe an den Füßen einer Mitschülerin wieder sehen und das Mädchen nach Hause verfolgen, entdecken sie, dass deren Familie noch ärmer als ihre eigene ist und sich von Almosen ernährt. Der Film liefert zudem einen beklemmenden Eindruck vom Alltag in einem islamischen „Gottesstaat“, der den nahezu militärischen Drill seiner uniformierten Kinder in der Schule als selbstverständlich erachtet. Der Marathonlauf für Schüler, bei dem Ali ein Paar Turnschuhe gewinnen kann, wirkt wie ein seltenes profanes Ereignis. Die Erzählweise ist von einer nüchternen Sichtweise geprägt, die ohne melodramatische Züge auskommt. Die Kinder tragen wie die Erwachsenen weitgehend wort- und regungslos ihr Schicksal, das schon durch die Wahl der Schauplätze ziemlich ausweglos erscheint: Die fahlweißen, engen und menschenleeren Gassen, die das Viertel prägen, wirken wie ein Labyrinth, in dem sich jeder Ortsfremde heillos verirren würde. Majidi verwendet kaum Großaufnahmen, sondern bevorzugt Totalen, die die Verlorenheit seiner Figuren augenfällig macht, die zum Teil von Laien dargestellt werden. Die Gesellschaftskritik bleibt zwar hier wie in anderen Kinderfilmen aus dem Iran, die derzeit in die westlichen Kinos gelangen, subtil genug, um nicht die Zensur auf den Plan zu rufen, zumal die unverstellte Sicht der Kinder von übergreifenden Gedanken frei ist. Doch gerade für den ausländischen Zuschauer wirken die Verhältnisse, die hier als alltäglich dargestellt werden, beklemmend und abweisend. Gleichzeitig tauchen immer wieder kleine Gesten auf, die der rigiden Ordnung etwas Menschliches entgegensetzen, von Passanten und Händlern etwa, die den Kindern zur Seite stehen.

Majidi, der einige autobiografische Züge in seine Geschichte einbaute, hatte es nicht leicht, für seinen Film die finanziellen Mittel aufzutreiben, konnte am Ende aber einen großen Erfolg an den einheimischen Kinokassen verbuchen. Bereits mit seinem Regiedebüt „Baduk“ (1991) eckte er bei der Zensurbehörde an, da der Film Schmuggel und Menschenhandel an der Grenze zu Pakistan thematisierte. Wie dieser erzählen auch seine darauf folgenden Filme in kleinen, ausschnitthaften Dramen von den alltäglichen Schwierigkeiten des Überlebens: „The Father“, „The Last Village“ und „God Is Coming“. „Kinder des Himmels“ ist eine Gelegenheit, den Regisseur, der zur jüngsten, aufstrebenden Generation iranischer Filmemacher zählt, zu entdecken.
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