Alles über meine Mutter

Melodram | Spanien/Frankreich 1999 | 101 Minuten

Regie: Pedro Almodóvar

Nach dem Tod ihres Sohns, der an seinem 17. Geburtstag beim Versuch, das Autogramm einer Schauspielerin zu erhalten, unter ein Auto gerät, bricht seine Mutter zu einer Reise in ihre Vergangenheit auf. In Barcelona trifft sie eine Reihe alter Freundinnen wieder, die alle von nicht geringeren existenziellen Nöten geplagt sind, und sucht Kontakt zum Vater des Jungen, der inzwischen als weibliche Prostituierte arbeitet. In gewohnt präziser Weise entwirft Pedro Almodóvar eine Reihe plastischer Frauenfiguren, die versuchen, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Im Vergleich zu seinen früheren Werken ist der Film leiser und unspektakulär inszeniert; selbst der Humor wurde den ernsthaften Episoden um Krankheit und Tod, Liebe und Lebensziele geopfert. (Preis der Ökumenischen Jury in Cannes 1999) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
TODO SOBRE MI MADRE | TOUT SUR MA MERE | ALL ABOUT MY MOTHER
Produktionsland
Spanien/Frankreich
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Deseo S.A./Renn/France 2 Cinéma
Regie
Pedro Almodóvar
Buch
Pedro Almodóvar
Kamera
Affonso Beato
Musik
Alberto Iglesias
Schnitt
José Salcedo
Darsteller
Cecilia Roth (Manuela) · Eloy Azorin (Estéban) · Marisa Paredes (Huma Rojo) · Penélope Cruz (Schwester Rosa) · Candela Peña (Nina)
Länge
101 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Melodram
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Arthaus (16:9, 2.35:1, DD5.1 span./dt.)
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Diskussion
Alles über seine Mutter will der junge Estéban erfahren, das hat er sich in den Kopf gesetzt. Was er schon weiß und was er beobachten kann, aber auch, was er sich mit seiner beträchtlichen Einbildungskraft ausmalt, notiert er in sein Tagebuch. Was er nicht weiß, nämlich dass sein Vater inzwischen eine Frau ist, eine Transsexuelle und Prostituierte in Barcelona, will ihm die Mutter an seinem 17. Geburtstag endlich sagen. Doch genau an diesem Tag wird er von einem Auto überfahren und stirbt. Die Mutter, die in einer Madrider Klinik in einer Abteilung für Transplantationen arbeitet, muss nun über die Organspende ihres Sohnes entscheiden. Traurig sieht sie bald darauf, wie ein älterer Mann fortan voller Lebensenergie mit dem jungen Herzen ihres Sohnes herumläuft. Den Unglücksfall nimmt sie zum Anlass, das vor fast 20 Jahren überstürzt verlassene Barcelona und die alten Freunde zu besuchen und sich zugleich auf die Spur von Estébans Vater zu begeben. Dort tritt sie auch in Kontakt zu jener Schauspielerin, deren Autogramm sich Estéban in der Sekunde seines Todes besorgen wollte.

Explosionsartig brachte Pedro Almodóvar einst die Popkultur, insbesondere die Subkultur der Schwulen und Transvestiten, aus der er stammt, sowie einen breiten Bilderbogen der weiblichen Lebenswirklichkeit Spaniens in das europäische Kino und stellte dem eine satirische, zum Teil bitterböse Abrechnung mit dem Machismo gegenüber. Mit den Mitteln permanenten Stil- und Tabubruchs artikulierte er die vom übrigen Spanien gerne übergangenen Probleme seiner von Lebensdurst und Libido getriebenen Heldinnen und Helden. In „Alles über meine Mutter“ kommen Männer praktisch nicht mehr vor. Sie spielen keine Rolle oder haben sich in Frauen verwandelt – und niemand vermisst sie. Es sind die Frauen, die ihr Leben in die Hand nehmen, es sich zwar selbst und gegenseitig oft schwer machen, am Ende aber doch in unerschütterlicher Solidarität zueinander stehen. Dies allein wirkt tröstlich in der traurigen Geschichte des Films, in der der Tod allgegenwärtig ist, in der es um Heroinsucht und Aids ebenso geht wie um gebrochene Herzen und verlorene Lebensziele. Schon „Mein blühendes Geheimnis“ (fd 31 791) offenbarte Almodóvars Liebe zur Tragödie, während „Live Flesh – Mit Haut und Haar“ (fd 33 110) eher wieder in die satirische Richtung zielte. Nach all den schrillen, bonbonfarbenen Filmen scheint Almodóvar nunmehr die Schattenseiten dessen vorführen zu wollen, was er bislang zwar mit ernsthafter und liebevoller Zuwendung, aber immer auch mit Humor gezeigt hat.

Die Arrangements der Bilder wirken weniger komponiert, die Farben sind gedeckter, die Szenerie ist mitunter geradezu naturalistisch gestaltet, selbst die extremen Charaktere wirken kaum noch exotisch. Auch seinen Schauspielerinnen scheint Almodóvar größtmögliche Zurückhaltung verordnet zu haben, was nicht heißt, dass sie nicht brillant agieren. In der Rolle der Mutter ist Cecilia Roth zu sehen, die Almodóvar seit seinen Anfangstagen als Regisseur kennt; als Bühnenschauspielerin Huma agiert Marisa Paredes, nicht zuletzt durch Almodóvar der wohl größte weibliche Star des spanischen Kinos; außerdem die schöne Penélope Cruz und all die anderen, an denen sich wieder zeigt, dass Almodóvar seit jeher einige der dankbarsten Frauenrollen der jüngeren Kinogeschichte zu vergeben hatte. Im gleichen Maße, wie sich in seiner Geschichte Abgründe der Seele und des Schicksals auftun, offenbaren sich auch menschliche Wärme, Großmut und unerschütterliche Liebe, die allem Ärger trotzen und sich ihm gewachsen zeigen.
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