Jesus ist ein Palästinenser

- | Niederlande 1999 | 92 Minuten

Regie: Lodewijk Crijns

Ein psychisch labiler junger Mann hat in einer obskuren Kommune seine Familie gefunden. Er und seine "Glaubensbrüder" bauen am Rand einer Kleinstadt Gemüse an und schwören auf die spirituelle Wirkung von möglichst vielen Piercings, was sie in direkten Kontakt mit transzendenten Energien treten lassen soll. Von seiner resoluten Schwester zurück in die Zivilisation gebracht, steht er vor einer Reihe schwieriger Entscheidungen. Ein absonderlicher filmischer Reigen, der die zahlreichen Themen nur in Facetten streift. Obwohl sich die Ereignisse ständig überschlagen und eine abstruse Anekdote die nächste jagt, wird die Distanz zum Geschehen immer größer. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
JEZUS IS EEN PALESTIJN
Produktionsland
Niederlande
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Lagestee Film
Regie
Lodewijk Crijns
Buch
Lodewijk Crijns
Kamera
Menno Westendorp
Musik
Jeroen Trijbos
Schnitt
Wouter Jansen
Darsteller
Hans Teeuwen (Ramses) · Kim van Kooten (Natasja) · Dijn Blom (Lonneke) · Peer Mascini (Vater) · Pieter Bouwman (Kommunenleiter)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; nf
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Diskussion
Am Rand einer niederländischen Kleinstadt hat sich sich eine pittoreske Kommune eingerichtet: Ihre sämtlichst männlichen, weiß gewandeten Mitglieder trotzen der Krume ein wenig Gemüse ab, sind sonst aber hauptsächlich mit Meditationen beschäftigt sowie damit, ihre Körper mit immer neuen Metallteilen zu perforieren. Es handelt sich um eine Art „Öko-Piercing-Sekte“, die unter der Ägide eines gestrengen indischen Gurus steht. Möglichst viel Metall in Haut und Knochen, so die Theorie, wirkt wie ein Antennen-System, das in direkten Kontakt mit spirituellen Energien zu treten vermag. Ramses lebt hier seit vielen Jahren; aus desolaten familiärem Milieu kommend, ist ihm die illustre Glaubensgemeinschaft inzwischen zur Heimat geworden. Unvermittelt taucht dort eines Tages seine Schwester mit der Nachricht auf, dass der im Sterben liegende Vater ihn dringend noch einmal zu sehen wünsche. Gegen den Willen der Sekten-Chefetage lässt sich Ramses zu einer Reise in die Hauptstadt überreden - gerade stand für ihn eine wichtige Weihezeremonie ins Haus, die nun bis nach dem Tod des Vaters verschoben werden muss. Natürlich bringt die Konfrontation mit Amsterdam jede Menge Verunsicherungen mit sich. Neben der Tatsache, dass sich die Behauptung seiner Schwester als Lüge herausstellt (der Vater liegt seit langem im Koma), verunsichert den bis dato in strengem Zölibat lebenden Ramses die hübsche Untermieterin aufs Heftigste. Bald sieht er sich vor die Entscheidung gestellt, ob er ins bürgerliche Leben zurückkehren oder seinen Sekten-Alltag fortsetzen soll.

Ramses wird nicht nur mit der Skrupellosigkeit seiner Schwester konfrontiert, die seine Unterschrift benötigt, um die lebenserhaltenden Maschinen im Krankenhaus abzuschalten. Zivilisationsentwöhnt wie er ist, sieht er sich auch noch einer verwirrenden Vielfalt von Sinneseindrücken ausgesetzt, muss seine Position zum anderen Geschlecht ausloten und sich der Zugriffe seiner Sekten-Kameraden erwehren, die ihn dringend in ihr Camp zurückholen wollen. Im Amsterdamer Stadtteil Haarlem stößt er auf eine weitere selbst ernannte Religionsgemeinschaft, deren Anführer davon überzeugt ist, die palästinensische Reinkarnation von Jesus Christus zu sein. Die sich aus körperlich Behinderten zusammensetzende Anhängerschar errichtet ihm auf dem Dach eines Hochhauses aus Stahl und Neon ein Ersatz-Golgatha. Genau dorthin strebt auch Ramses’ Vater, der sein Koma nur vorgetäuscht hat und in der Sekte die Möglichkeit zu persönlicher Erlösung erhofft. Mit Siebenmeilenstiefeln stürmt der Film durch diese Themenvielfalt: Esoterik-Mode, Familientraumata, Sexualität, Weltuntergangsglaube, nicht zuletzt Euthanasie - in dieser Tour de force stecken Ideen für mindestens zehn Filme. Dabei werden die Facetten des absonderlichen Reigens nur gestreift. Obwohl sich die Ereignisse ständig überschlagen und eine abstruse Anekdote die nächste jagt, wird die Distanz zum Geschehen immer größer statt geringer. Auch stilistisch führt das Patchwork aus Comedy, Sozialstudie, Fantasy und Horror zu einer vergleichsweise raschen Abnutzung der Aufmerksamkeit. Leere macht sich trotz aller Fülle breit. Einen betont unkorrekten Film zu machen, bringt eben noch nicht automatisch ein Gütesiegel mit sich. Und vielleicht entspricht das lasche Verhalten des Helden ja der wachsenden Gleichgültigkeit des Zuschauers. Wenn Ramses zuletzt in seine alte Lethargie verfällt, nimmt man das nur noch schulterzuckend hin.
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