Nur Wolken bewegen die Sterne

Drama | Norwegen 1998 | 97 Minuten

Regie: Torun Lian

Nach dem Krebstod seines jüngeren Bruders überwindet ein elfjähriges Mädchen aus Oslo mit der Hilfe eines lebensklugen gleichaltrigen Jungen allmählich seine Trauer und erkennt, dass es an ihm ist, der apathisch gewordenen Mutter zu helfen. Ein glaubwürdig entwickeltes und gespieltes "Kammerspiel", das trotz einiger Konstruktionsschwächen als feinfühlige Einlassung auf existenzielle und auch religiöse Fragen überzeugt. Angesichts der Dialoglastigkeit sind es vor allem die stilleren visuellen Momente, in denen der Film ein großes Gespür für die Bedeutung von Liebe, Freundschaft und Daseinsfreude entwickelt. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
BARE SKYER BEVEGER STJERNENE
Produktionsland
Norwegen
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Filmkameraterne/Norsk Film/Audiovisual Prod.
Regie
Torun Lian
Buch
Torun Lian
Kamera
Svein Krövel
Musik
Jørn Christensen
Schnitt
Trygve Hagen
Darsteller
Thea Sofie Rusten (Maria) · Jan Tore Kristoffersen (Jakob) · Anneke von der Lippe (Mutter) · Jørgen Langhelle (Vater) · Bjørn Jenseg (Großvater)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Maria ist elf Jahre alt, als ihr jüngerer Bruder Krümel an Krebs stirbt. Tief sitzen Trauer und Schmerz über den nicht zu verstehenden Verlust, und nur noch alte Filmaufnahmen zeugen von der zuvor so unbeschwerten, sorglos glücklichen Familie in Oslo. Während der überforderte Vater in seiner Hilflosigkeit bemüht ist, so schnell wie möglich zu einer wie auch immer gearteten Normalität zurückzufinden, zieht sich die apathische Mutter in sich selbst zurück, kapselt sich von der Außenwelt radikal ab. Maria fühlt sich zurückgewiesen und ausgeschlossen, ist davon überzeugt, dass die Mutter sie nicht mehr liebt. Als sie in den Sommerferien zu den Großeltern nach Bergen geschickt wird, verhärtet sie sich zunehmend, wird schroff und abweisend, aufmüpfig und renitent. Nur ganz allmählich kann der etwa gleichaltrige Jakob ihren Panzer durchbrechen; der sympathische, für sein Alter überraschend (lebens-)kluge und einsichtige Junge, der die Sterne liebt, gewinnt Marias Zuneigung und Vertrauen. Und so, wie Maria lernt, Jakob gegenüber alle Verstellungen und Lügen aufzugeben, so begreift sie schrittweise, dass sie es ist, die die Kraft und den Mut aufbringen muss, offen und ehrlich auf ihre Mutter zuzugehen. Tatsächlich gelingt es ihr schließlich in einem seelischen Kraftakt, den Panzer der Mutter zu durchdringen - und die Einsicht, dass Maria sie immer noch liebt, könnte der erste Schritt zur Überwindung der Trauer werden.

Die (nicht nur) in ihrer norwegischen Heimat erfolgreiche Schriftstellerin Torun Lian hat in ihrem ersten langen Spielfilm ihren eigenen Roman adaptiert. In jeder Faser der filmischen Erzählung spürt man ihre Nähe und Zuneigung zu den Figuren, was den Betrachter über manche inszenatorische Unebenheit und übertriebene Konstruktion hinaus stets bei der Stange hält, ihn mitempfinden, ja manchmal sogar mitleiden lässt. Viel wird geredet in diesem Film, anspruchsvolle und komplexe Dialoge von philosophischen Ausmaßen loten die vielfältigen Nöte und Sorgen Marias aus, wobei ihre Trauerarbeit ebenso den Verlust wie auch die Angst vor dem mütterlichen Liebesentzug einschließt, sich aber auch die dringliche Frage nach dem Sinn des Daseins stellt, die einen kindlichen, aber expliziten Zweifel an der Existenz Gottes bewirkt, weil dieser „dies alles“ zulässt. Gerade diese religiösen Akzente werden beharrlich immer wieder in die Fabel eingeflochten, wobei die tröstenden Worte des Pfarrers bei der anfänglichen Beerdigung zunehmend ihren abstrakten Charakter verlieren und eine sinnliche Konkretion erfahren: Aus allem, wenn es auch noch so grausam unverständlich erscheinen mag, kann etwas Gutes und Starkes erwachsen, erklärt er, und am Ende wirkt Marias „Selbstfindung“ wie eine sinnlich greifbare Bestätigung dafür. Jenseits der vielen Dialoge hat die Regisseurin stets auch den Mut zu ganz stillen, ausgesprochen einfühlsamen Bildern, in denen sie sich ganz auf die Gesichter konzentriert und diese in Relation zu den sie umgebenden Räumen setzt. Hier manifestiert sich aufs Schönste der Gegenentwurf zu der anfänglich so schweren Melancholie des Films, der sich immer stärker verlebendigt und der Lebensfreude und Daseinshoffnung einen Weg bahnt.
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