- | Deutschland/Irland 2000 | 105 Minuten

Regie: Eoin Moore

Ein junger Mann aus Berlin kommt in ein irisches Dorf, um eine Freundin aus längst vergangenen Tagen wiederzufinden. Sie verliebt sich erneut in ihn, worüber ihre Ehe in die Brüche zu gehen droht. Erst das Verschwinden der Tochter und deren vermutlicher Tod im Meer bringt sie und ihren Mann wieder zusammen. Was als sensible und anrührende, hervorragend beobachtete und wie getupft wirkende Liebesgeschichte beginnt, endet bedeutungsschwanger und moralistisch. Dennoch überzeugt der Film insgesamt durch eine Vielzahl poetischer Momente, das ausdrucksstarke, verhaltene Spiel und die Kamera, die eine Korrespondenz zwischen der herben irischen Landschaft und den Seelenzuständen der Figuren herstellt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CONAMARA
Produktionsland
Deutschland/Irland
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Boje Buck Prod.
Regie
Eoin Moore
Buch
Eoin Moore · Greg O'Braonáin
Kamera
Michael Hammon
Musik
Warner Polland · Kai-Uwe Kohlschmidt
Schnitt
Dirk Grau
Darsteller
Ellen ten Damme (Amria) · Darragh Kelly (Antaine) · Andreas Schmidt (Axel) · Mártín Jamsie (Onkel Tom) · Katie Níc Dhonnacha (José)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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IMDb | TMDB

Diskussion
Vor drei Jahren überraschte der in Dublin geborene und an der Berliner Film- und Fernsehakademie ausgebildete Eoin Moore mit seinem ebenso frischen, frechen wie melancholischen Debüt „plus-minus Null“ (fd 34 169), einem mit elektronischer Kamera aufgenommenen Film, für den ihm nur bescheidene finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden hatten. Umso gespannter war man nun auf seinen „richtigen“ Kinoerstling, aufgenommen auf 35mm und mit Dolbyton. Moore, das bestätigt sich auch diesmal, versteht es bestechend gut, auf der Klaviatur der Gefühle zu spielen und die Seelenzustände seiner Helden in Bildern auszudrücken. Wie in „plus-minus Null“ sind die Dialoge dabei eigentlich nur Beiwerk; wichtiger ist, was er aus den Gesichtern der Figuren liest, wie er ihre Blicke, Mundbewegungen, Gesten erfasst, die Innenwelten der Helden mit der Landschaft korrespondieren lässt. „Conamara“ ist ganz und gar körperliches Kino, prall gefüllt mit Erfahrungen von Liebe, Sehnsucht, Enttäuschung, Verzicht. Ein Kino weniger aus dem Kopf als auch dem Bauch: schmerzlich schön, verwundbar und verwunderlich. Zumindest ist es so in den ersten beiden Dritteln des Films.

Erzählt wird eine Dreiecksgeschichte: Ins Örtchen Conamara, gelegen an der schroffen irischen Atlantikküste, stolpert eines Tages ein junger Mann: Axel aus Berlin. Andreas Schmidt, der schon in „plus-minus Null“ die Hauptrolle spielte (damals hieß er Alex), kultiviert auch hier wieder seine jungenhafte Schlaksigkeit: ein dürrer, nicht unbedingt hübscher Mittdreißiger mit abstehenden Ohren, langer Nase und kleiner Brille, dem seine Beine und Arme ständig im Weg zu sein scheinen. Aber er muss etwas in sich bergen, das ihn begehrenswert und unvergesslich macht: Maria, mit der er vor zwölf Jahren in Amsterdam befreundet war und die er hier endlich wieder gefunden hat, gerät nämlich schnell in seinen Bann. Und nicht nur sie, sondern auch andere Bewohner des Dorfes. Moore lässt sich Zeit, die Etappen dieser Annäherung zu skizzieren: Zuerst ist es der vergessliche, ein bisschen verrückte Onkel Tom, der den merkwürdigen Deutschen in sein Herz schließt und ihm eine Unterkunft besorgt; dann ist es Marias Mann Antaine und Tochter José, die an seinen Lippen hängen, als er seine Ideen vom Aufschwung des Tourismus verkündet; und auch die allein stehende, liebeshungrige Nachbarin verliebt sich in ihn. Marias Blick, als ihre Freundin halb nackt vor Axels Tür steht, spricht Bände: Längst ist sie, obwohl sie innerlich dagegen kämpft, seiner seltsamen Faszination erneut erlegen, man spürt ihre Eifersucht – und dass es nicht mehr lang dauern wird, bis sie seinen Werbungen nachgibt.

Eine grandiose Szene gelang Moore mit der Liebeserklärung Axels an Maria. Gemeinsam mit Antaine blicken die beiden von den Klippen aufs Meer, Maria sitzt – gewissermaßen symbolisch – zwischen den Männern. Als Axel von seiner in Berlin zurückgelassenen Familie und der verlorenen, aber nie vergessenen Liebe zu einem Mädchen erzählt, ohne allerdings Marias Namen zu nennen, verharrt die Kamera ausschließlich auf ihrem Gesicht. Ellen Ten Damme versetzt ihre Figur dabei in ein Wechselspiel aus Sehnsucht und Traurigkeit, Neugier und Beklommenheit. Ihre Maria will niemandem wehtun, aber sie ahnt, das es zu einem Bruch kommen muss. Hält in dieser Sequenz die Kamera ganz still, so kommt sie sonst kaum zur Ruhe. Michael Hammon schwenkt zwischen den Protagonisten, verkürzt die Wege zwischen ihnen, bringt sie einander nahe. „Conamara“, weitgehend aus der Hand gefilmt, ist zugleich auf unbeschwerte Weise geschnitten: Mitten in der Bewegung wechselt das Motiv, manchmal auch die Einstellungsgröße; Moore und Hammon sind nicht auf saubere und „ordentlich“ kadrierte, sondern auf lebendige Bilder aus. Dass sie die „Dogma“-Filme mögen und wohl auch den frühen Godard, sieht man „Conamara“ deutlich an. Einige skurrile Elemente wären verzichtbar gewesen: etwa dass Axel Posaune blasend durch die Landschaft stolziert, mit einer neugierigen Kuh auf den Fersen. Aber solche Bilder, die ein bisschen ans tschechische Kino der 60er-Jahre gemahnen, an die Klassiker eines Jiri Menzel oder Milos Forman, stören auch nicht, sie geben dem Film etwas Märchenhaftes, Abgehobenes, Traumwandlerisches. Wirklich misslungen ist freilich der Schluss. Plötzlich scheint es, als ob Moore nicht mehr weiß, wie er aus seiner zärtlich getupften, skizzenhaften, aber dennoch dichten Geschichte herauskommen soll. Er vertraut nicht mehr dem Feuilletonistischen, jetzt ist das Drama gefragt. Marias Schuld, so will es das Drehbuch, verlangt ein reinigendes Gewitter; Sühne muss sein. So verschwindet die Tochter auf dem Meer, und mit der Suche nach ihr und der Rückkehr Marias zu ihrem Mann verliert „Conamara“ seine Leichtigkeit, seinen Rhythmus, seine Balance. Der Film wird schwergewichtig und bedeutungsschwanger, fast so wie in den religiös intendierten Dramen des Lars van Trier. Zum vermutlichen Tod des Mädchens kommt hinzu, dass auch der herzkranke Pfarrer des Dorfs sterben muss – das Ende einer erzählerischen Nebenlinie, die sich während des ganzen Films insgesamt nur bruchstückhaft erschlossen hatte. So degradiert sich das Ende zur erhabenen, moralistischen Standpauke und entzieht der Story jeglichen Charme und Witz.
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