- | USA 1999 | 107 Minuten

Regie: Alison Maclean

Eine Drogenkarriere in den 70er-Jahren, im Mittelpunkt ein ebenso experimentierfreudiger wie antriebsschwacher Verlierertyp, der als Glückssucher das Unglück förmlich anzuziehen scheint, dem am Ende jedoch ein Heilungswunder widerfährt. In einer traumwandlerisch sicheren Mischung verschiedener Filmstile und Gestaltungsmittel entstand ein ebenso erschreckender wie poetischer Film, dessen manchmal grimmiger, mit surrealen Elementen vermischter Humor, Farben und Haltung stimmig den Geist der 70er-Jahre spiegeln. (Videotitel: "Fuckhead") - Sehenswert.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
JESUS' SON
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Alliance Atlantis/Lions Gate Film/Evenstar Films
Regie
Alison Maclean
Buch
Elizabeth Cuthrell · David Urrutia · Oren Moverman
Kamera
Adam Kimmel
Musik
Joe Henry
Schnitt
Geraldine Peroni · Stuart Levy
Darsteller
Billy Crudup (FH (Fuckhead)) · Samantha Morton (Michelle) · Denis Leary (Wayne) · Jack Black (Georgie) · Will Patton (John Smith)
Länge
107 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt
DVD kaufen

Diskussion
Zauberhaft, wie die Neuseeländerin Alison Maclean in ihrem zweiten Spielfilm Stile und Genres mischt. Aus den Episoden von Denis Johnson entsteht ein grimmiges und gleichzeitig berührendes Bild von Abhängigkeit, schwarzem Humor und Heilungswunder. Wir sind in den 70er-Jahren – Experimentierfreude und Offenheit gegenüber jeder Form von halluzinativer Wahrnehmung ist angesagt. Der Wortmagier Lou Reed verkündet in dem legendären Song „Heroin“ der „Velvet Underground“ die Drogenmetapher vom Jesus-Sohn: „When I’m rushing on my run – And I feel just like Jesus’ Son“. Hier und jetzt erscheint er auf der Leinwand: abgebrannt und unangepasst. In seinem Leben geht wirklich alles drunter und drüber. Sein ausgesprochenes Pech hat ihm den Übernamen „Fuckhead“ eingetragen. Er ist der typische Verlierer. Die Tatsache, dass er massiv drogen- und medikamentenabhängig ist, verändert die Lage nicht zum Besseren; vielmehr liegt darin die innere Logik seiner Irrfahrt. FH ist ein junger Mann in den 20ern, naiv und verspielt, experimentierfreudig und arbeitsscheu. Die wunderbarste Begegnung in seinem Leben verkörpert die geliebte Michelle, die er auf einer Party kennen gelernt hat. Mit ihr verliert er sich in der Freiheit des weißen Pulvers, gibt sich hin bis zur ausweglosen Abhängigkeit. Im Liebestaumel, in Streit und Trennung und in der glücklich-tragischen Wiedervereinigung bewegen sich die beiden auf der Trennlinie zwischen Leben und Tod. In die Geschichte dieser Liebes- und Lebenswirren sind skurrile bis surreale Episoden aus dem Alltag von FH eingestreut. Mit seinem Freund Wayne macht er sich auf, einige Dollars für den nächsten Kick zu ergattern. Zusammen weiden sie ein leer stehendes Haus aus, um die Kupferdrähte zu verhökern. Mit dem Erlös machen sie sich einen „schönen Abend“ in der Stadt, den Wayne wegen Überdosis nicht überlebt. Der schwarze Humor bricht auch in der Episode über die Arbeit im Krankenhaus durch, wenn FH und sein pillensüchtiger Kollege Georgie gegen den alltäglichen Wahnsinn in der Notaufnahme ankämpfen. Eine unheimliche Begegnung führt zu einer Furcht erregenden Vision eines pochenden „Herz Jesu“, das auf der Brust eines faszinierenden Gangsters tätowiert ist. Da gibt es nur noch die panikartige Flucht vor den einstürmenden Sinneswahrnehmungen. Im Trip durch die halluzinatorischen Zustände befindet sich Fuckhead dermaßen auf der Achterbahn, dass die Grenze zwischen Realität und Wahn verschwindet. Alison Maclean erzählt die wundersamen Begegnungen und Erlebnisse konsequent aus der subjektiven Sicht der Hauptfigur. Die haarsträubendsten Erlebnisse verbinden sich mit alltäglichen Geschichten, ertrinken in angelsächsischem schwarzem Humor oder finden einen Ausweg in ein befreiendes Lachen. Tragische Ereignisse sind lakonisch dargeboten, und übersinnliche Erscheinungen sind in poetische Bilder der Pop-Kultur verpackt. Es ist ein Vergnügen der Regisseurin zuzuschauen, wie sie Risiken eingeht und in der Gestaltung der Episoden immer wieder neue Stilformen entdeckt, neue Genre-Kombinationen auslotet. Sie entwickelt aus der literarischen Vorlage „Jesus’ Son“ des Jungautors Denis Johnson, die sich durch „Bilder voll grimmiger Intensität und einem bedrohlichen Sinn für Humor“ („New York Times“) auszeichnet, einen stimmigen Erzählrhythmus. In Abgrenzung zur britischen Produktion „Trainspotting“ (fd 32 052) vertraut Maclean auch den bedächtigen und poetischen Momenten, was sich zu einer großen Stärke des Films entwickelt. Die Wende vom orientierungslosen Drogen-Junkie zum verletzlichen jungen Mann auf seinem Lebensweg wird behutsam erzählt. Die letzten 20 Minuten sind eine Offenbarung. Billy Crudup verkörpert diesen „Fuckhead“, der endlich sein Verlierer-Image loswerden will, mit einer Naivität und Verletzlichkeit, die tief berührt. In den Nebenrollen tauchen wahre Trouvaillen auf: etwa Dennis Hopper in der Figur des verstörten und traumatisierten Ehemannes Bill, der von seinen Angetrauten mehrmals lebensgefährlich verletzt wurde („Speak into my bullet hole!“); oder Holly Hunter als hinkende Mira, die ihre Männer durchweg in schweren Unfällen verloren hat und nun FH zeigt, was die Gnade der sinnlichen Berührung bedeutet. Hier geschieht eine Wandlung vom Zustand der Verwirrung und des Leidens zur Genesung – eine Art von Heilungswunder, das durch seine assoziative Leichtigkeit besticht.
Kommentar verfassen

Kommentieren