- | Japan 2000 | 91 Minuten

Regie: Akihiro Higuchinsky

Eine kleine Stadt in Japan wird von einem geheimnisvollen Wind heimgesucht, der die Bewohner paralysiert und sie in einen spiralförmigen Sog zieht, der schon bald seine ersten Opfer fordert. Kontemplativer Horrorfilm, der keine Erklärungen für das plötzlich hereinbrechende Böse bemüht, sondern es als nihilistische Gegebenheit des Alltags darstellt. Trotz einer Reihe drastischer Szenen eine durchaus ernsthafte, formal überzeugende Reflexion. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
UZUMAKI
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Omega Micott/Starmax/Shogakukan/Space Shower Networks/Tokyo FM/Toei Video
Regie
Akihiro Higuchinsky
Buch
Takao Nitta · Kengo Kaji · Chika Yasuo
Kamera
Gen Kobayashi
Musik
Keiichi Suzuki · Tetsuro Kashibuchi
Darsteller
Eriko Hatsune (Kirie Goshima) · Fhi Fan (Shuichi Saito) · Ren Osugi (Toshio Saito, Shuichis Vater) · Taro Suwa (Yasuo Goshima, Kiries Vater) · Keiko Takahashi (Yukie Saito, Shuichis Mutter)
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
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Heimkino

Die DVD ist in diversen Umverpackungen erschienen.

Verleih DVD
REM (16:9, 1.85:1; DD2.0 jap., DD5.1 dt.)
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Diskussion
„Kurouzu, meine Heimatstadt; was ich jetzt erzählen werde, ist eine seltsame Geschichte, die sich ebendort zutrug...“ Dieser kurze Prolog, noch vor dem Vorspann von „Uzumaki“ zu lesen, erinnert an die klassische Einführung in abendländische Gruselgeschichten, wie sie gern an knisternden Kaminen erzählt werden. In „Uzumaki“ determiniert dieser Prolog die folgenden 90 Minuten und schwört den Zuschauer auf einen wohligen Schauder ein, führt ihn damit aber in die Irre. Eigentlich ist die Exposition sehr traditionell – auch im westlichen Sinne. Mit der „gothic novel“ teilt sie nicht nur sie nicht nur den Prolog; auch der mysteriöse erste von vier Akten leitet den Zuschauer durch bekannte Untiefen des Genres: Kiri blickt verträumt auf ihre im Tal liegende Heimatstadt; sie ist wieder immer im Begriff, zu spät zur Schule zu kommen. Da fährt wie aus dem Nichts ein Windhauch durch sie hindurch – der böse Samen ist gesät. Unten in der Stadt trifft sie auf den völlig in sich versunkenen Toshio Saito. Der Vater ihres besten Freundes Shuichi kniet regungslos in einer Ecke und filmt mit seiner Digitalkamera eine Schnecke. Von Shuichi erfährt sie später, das sein Vater in letzter Zeit nur noch solchen Anwandlungen nachgeht. Einer Obsession gleich, sammelt er alles, was auch nur entfernt an eine Spirale erinnert. Deren hypnotisierendes Formenspiel ist ihm so zu eigen geworden, dass er jede Nahrungsaufnahme verweigert, wenn sie nicht spiralförmige Lebensmittel enthalten. Für Shuichi steht fest: Die Stadt ist verflucht, irgendeine Macht hat von ihr Besitz ergriffen und zieht sie immer tiefer in einen sich immer schneller drehenden Sog. Allerdings kann er Kiri nicht dazu bewegen, mit ihm die Stadt zu verlassen, solange noch Zeit ist. Je länger Regisseur Higuchinski seine Geschichte erfaltet, desto weiter entfernt sich die Stimmung vom behaglichen Schauder. Immer absonderlicher werden die Vorkommnisse in der Stadt. Die Campusschönheit entwickelt eine monströse Lockenhaarpracht, Schleim absondernde Schüler tauchen nur bei Regenwetter in ihren Klassen auf, und Toshio, der seinem Wahn erliegt, wird in der eigenen Waschmaschine sprialförmig aufgewickelt gefunden. Die zu seinen Ehren abgehaltene Trauerfeier überschattet spiralförmiger Rauch aus dem Krematorium. Shuichis Mutter Keiko entwickelt daraufhin eine selbstzerstörerische Spiralenphobie. Auch Kommissar Tamura, der in Folge der sich häufenden Todesfälle eingeschaltet wurde, kann letztendlich nur hilflos mit ansehen, wie die Stadt im Strudel versinkt. „Uzumaki“ beginnt als Schauergeschichte und endet als gewaltiges Perpetuum Mobile. Higuchinski erzählt fast ohne Suspense, färbt die Szenerie in monochrome Farben und illustriert den Horror mit mal mehr, mal weniger erkennbaren formalen „Spielereien“ wie digitalen Spiraleffekte am Himmel und in Schattenrissen sowie grotesk verzerrten Gesichtern. Dabei gibt der Regisseur, der mit dieser freien Adaption von Junji Itos gleichnamigen Mangas seinen Debütfilm vorlegt, zumindest westlichen Zuschauern kein „Wie“ oder „Warum“ zur Hand, um die Vorkommnisse verständlich zu machen; er zelebriert schlichtweg die Kultivierung des reinen Horrors. Der Wirbel oder Strudel (wie sich „Uzumaki“ und seine englische Pendant „Vortex“ eher übersetzten ließen) kommt aus dem Nichts, ist durch nichts motiviert und überwältigt seine Opfer, ohne dass ein Entrinnen möglich wäre. Dieses monströse Szenario der Hilflosigkeit steht eher in der Tradition eines H.P. Lovecraft oder den besseren Geschichten von Stephen King oder Joe R. Lansdale als in der klassischen Geister-Mangas; in denen zeichnen nämlich zumeist religiöse oder traditionelle Bezüge dafür verantwortlich, dass die Toten und deren Wächter aus der Unterwelt emporsteigen. In „Uzumaki“ hingegen gibt es nichts zu rächen, das Unheil erfüllt keinen Auftrag. Daher nimmt der Horror auch kein Ende und lässt den Betrachter verstört mit der Verarbeitung des „Problems“ zurück. Für Zuschauer, die gelernt haben, das Genre des Unheimlichen in seiner nihilistischen Ausprägung zu goutieren, ist „Uzumaki“ ein meisterlich vertracktes Puzzle, das auch dann noch längst nicht vollständig zusammen gesetzt ist, wenn der Vorgang sich geschlossen hat.
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