The Killing (1956)

- | USA 1956 | 85 Minuten

Regie: Stanley Kubrick

Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe Krimineller überfällt das Wettbüro einer Pferderennbahn, doch ihr minutiös ausgetüftelter Plan scheitert an einer Reihe von Unwägbarkeiten, banalen Zufällen sowie der Habgier einzelner Bandenmitglieder. Frühes Meisterwerk des damals 28-jährigen Stanley Kubrick: ein intelligenter, packender Kriminalfilm, der durch seine Besetzung ebenso besticht wie durch die ausgeklügelte Bildsprache, die die spannungsgeladene Beziehung zwischen den Personen augenfällig dramatisiert; inszeniert mit kühler Präzision und einem Anflug von bitterer Ironie. (Erster Kinotitel: "Die Rechnung ging nicht auf"; Videotitel: "Killing"; Neustart 2001: O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE KILLING
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1956
Produktionsfirma
Kubrick-Harris Prod.
Regie
Stanley Kubrick
Buch
Stanley Kubrick · Jim Thompson
Kamera
Lucien Ballard
Musik
Gerald Fried
Schnitt
Betty Steinberg
Darsteller
Sterling Hayden (Johnny Clay) · Coleen Gray (Fay) · Elisha Cook jr. (George Peatty) · Marie Windsor (Sherry Peatty) · Jay C. Flippen (Marvin Unger)
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12 (Heimkino)
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
MGM (FF, Mono engl./dt.) Koch (16:9, 1.66:1, Mono engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Koch (16:9, 1.66:1, dts-HDMA Mono engl./dt.)
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Diskussion
Es sei immer aufschlussreich, das Frühwerk eines Regisseurs kennen zu lernen, der später Besseres zuwege gebracht habe; so lautete das halbherzige Argument, mit dem United Artists 1970 Stanley Kubricks Noir-Melodram „Der Tiger von New York“ (1955, fd 7673) in ihrem 16mm-Katalog bewarb. Wie nur wenige Werke des modernen Hollywood waren die Filme Kubricks im Bewusstsein des Publikums schon früh mit dem exzentrischen Auteur aufs Engste verknüpft, und wenn nun „The Killing“ wieder aufgeführt wird, steht zu erwarten, dass auch dieses Frühwerk vor allem unter dem Blickwinkel der kanonisierten, späteren Filme seines Regisseurs gesehen wird. Wer in diesem Gangsterfilm zuallererst Ansätze einer im Entstehen begriffenen Handschrift sucht, verstellt sich aber möglicherweise den Blick dafür, welch charmantes Stück Genrekino dieses B-Movie für sich alleine betrachtet ist. „The Killing“ entstand bereits unter professionellen, wenn auch noch bescheidenen Hollywood-Bedingungen. Sterling Haydens Zusage für die Hauptrolle hatte United Artists veranlasst, zu den 120.000 Dollar, die Kubricks Partner James B. Harris aufgebracht hatte, weitere 200.000 Dollar hinzu zu schießen. Fünf Jahre zuvor hatte Hayden eine ähnliche Rolle in John Hustons „Asphalt Dschungel“ (fd 111) gespielt, dem Vorbild mehrerer Gangsterfilme der 50er-Jahre, in denen bunt zusammen gewürfelte Truppen groß angelegte kriminelle Pläne verfolgen. In „The Killing“ verkörpert der Star aus Hollywoods zweiter Liga nun den soeben aus der Haft entlassenen Johnny, der mit einigen Komplizen die Wetteinnahmen einer Rennbahn rauben will. Den Coup und seine Vorbereitung inszeniert Kubrick als Abfolge gegenläufiger Vektoren: Wenn man die einzelnen Tatbeteiligten in ihrer alltäglichen Umgebung kennenlernt, folgt Lucien Ballards Kamera ihren Bewegungen in langen Einstellungen von links nach rechts durch den Raum. In dieselbe Richtung führt, an den Wettschaltern vorbei, auch der Weg durch das Foyer der Rennbahn, den Kubrick mehrfach ungeschnitten zeigt. Folgerichtig dominiert im Renngeschehen, das der Raub unterbrechen wird, die entgegengesetzte Richtung. Aus dem Off führt unterdessen eine nüchterne Stimme Protokoll und hält die jeweilige Handlungszeit fest, wenn am alles entscheidenden Tag einzelne Episoden aus unterschiedlichen Perspektiven wiederholt aufgeblättert werden. Das präzise Jonglieren mit Zeitebenen und Perspektiven unterstreicht, dass die meisten Beteiligten nur kleine Beiträge zum Gelingen des Plans leisten und kaum mehr als Puzzlesteine oder Schachfiguren darstellen. War die mittlerweile vertraute Erzählstruktur für die damalige Zeit sehr innovativ, liegt die wohl größte Stärke des kleinen Film Noir im sicheren Einsatz der stereotypen Figuren. Da ihnen die Aufgabe zufällt, alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, werden die beiden Komplizen, die auf der Rennbahn zur Ablenkung eine Schlägerei anzetteln bzw. das im Hauptrennen favorisierte Pferd erschießen sollen, folgerichtig mit einem Zug zur Skurrilität ausgestattet. Die meisten anderen Nebenfiguren treten dagegen, ihren unscheinbaren Funktionen innerhalb des Überfall- und Filmplots gemäß, als alte Kinobekannte auf: die dem erfolglosen Ganoven blind ergebene Freundin, der rechtschaffene Kleinbürger, dessen Ehefrau durch Krankheit ans Bett gefesselt ist, der korrupte Polizist. Bekanntermaßen kann selbst solchen Genre-Versatzstücken durch die richtige Besetzung Leben eingehaucht werden, und wirklich: „The Killing“ versammelt ein wunderbares Ensemble prägnanter Neben- und B-Film-Darsteller vor der Kamera. Dabei ragen zwei Gesichter heraus, die den heimlichen Hauptdarstellern des Films gehören. Elisha Cook Jr., der in „Tote schlafen fest“ (fd 15 569) und „Mein großer Freund Shane“ (fd 2607) zwei der traurigsten Tode der Filmgeschichte starb, verkörpert einmal mehr den Schwächling, dem das unvermeidliche Scheitern ins traurige Gesicht geschrieben steht. Ihm wurde als durchtriebene, gierige Ehefrau Marie Windsor an die Seite gestellt, eine ehemalige Schönheitskönigin aus Utah, die nach zahlreichen Genre- und B-Filmen beim Fernsehen landete. Beide Figuren sind Klischees reinsten Wassers, doch Kubrick verdeutlicht in seinem einzigen herkömmlichen Genrefilm, dass das Erfolgsgeheimnis dieser Kinosparte nicht immer in der Differenzierung, sondern mitunter in der unbefangenen Übertreibung liegt. Der legendäre Hardboiled-Autor Jim Thompson hat Windsor einige der sarkastischsten Dialogzeilen des Films geschrieben, und Ballard setzt in ihren Szenen ein besonders melodramatisches Licht. Wenn Windsors Sherry sich mit ihrem Geliebten dazu verschwört, die Überfallbeute ihrerseits ein weiteres Mal zu rauben, platziert Kubrick die Gesichter der Beiden über einem Lampenschirm, dessen Lichtkegel plakative Schatten wirft. In mehreren anderen Szenen Windsors fallen dynamische Bildkompositionen auf, in denen die Anordnung der Figuren eine spannungsgeladene Beziehung zwischen Vorder- und Hintergrund aufbaut. Wer will, mag darin die Fortführung einer Bildsprache erkennen, die sich bereits in den interessantesten Arbeiten des Reportagefotografen Kubrick für die Zeitschrift „Look“ andeutet; zu den späteren Filmen des Regisseurs Kubrick lassen sich ohnedies genügend Bezüge erkennen. Doch selbst wenn der Regisseur dieses Films nie zuvor und nie wieder auf sich aufmerksam gemacht hätte, bliebe „The Killing“ ein kleines, feines Meisterwerk. (Der Film wurde erstmals 1956 unter dem Titel „Die Rechnung ging nicht auf“, fd 5484, rezensiert.)
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