Kriegerin des Lichts

Dokumentarfilm | Deutschland 2001 | 90 Minuten

Regie: Monika Treut

Dokumentarfilm über die brasilianische Menschenrechtlerin Yvonne Bezerra de Mello, die seit Jahren Projekte für die Straßenkinder in Rio de Janeiro aufbaut und damit international bekannt geworden ist. Der einfühlsam und spannend gestaltete Film zeigt nicht nur das Elend der Kinder, sondern auch deren neu erwachte Lebensfreude. Zugleich erzählt er die Lebensgeschichte der ungewöhnlichen Frau, die selbst Klassenschranken überwunden hat, jetzt aber, in der Oberschicht, wegen ihrer Arbeit mit Anfeindungen leben muss. (Teils O.m.d.U.; vgl. auch die "Fortsetzung" "Zona Norte", 2016) - Sehenswert.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Hyena Films
Regie
Monika Treut
Buch
Monika Treut
Kamera
Elfi Mikesch
Musik
Jack Motta
Schnitt
Andrew Bird
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Man müsse für diese Arbeit mit sich und dem Universum im Reinen sein, sagt Yvonne, sonst verliere man sich darin. Yvonne Bezerra de Mello trennt sehr genau zwischen ihrem Privatleben, das sich in der brasilianischen Oberschicht abspielt, und ihrer Arbeit, die sie in die Slums führt, zu den Straßenkindern von Rio de Janeiro – und gerade das macht sie zu einer schwer fassbaren, gleichwohl schillernden Figur. Sie ist Ende 40, eine schöne, selbstbewusste Frau, die mit traumwandlerischer Sicherheit und ohne Berührungsängste mit den Kindern der Ärmsten umgeht. Lächelnd streichelt sie die kleinen Jungen und Mädchen, die um ihre Zuneigung buhlen, und erzählt auf Englisch, wie sie eine Samba-Schule gegründet hat, eine kleine Plastikflaschen-Recycling-Fabrik und eine Schule unter einer Brücke in der Slum-Vorstadt Maré. Gleich am Anfang sieht man Yvonne auf einer Bühne, auf der sie lächelnd, aber nicht ohne Bitterkeit anmerkt, dass dies in 20 Jahren die erste Ehrung sei, die sie für ihre Arbeit mit den Straßenkindern erhalte. Kurz danach schimpft sie lautstark mit einer Klasse ihrer Schützlinge. Yvonne ist keine selbstlose Mutter Theresa, aber auch keine Prinzessin mit Helfersyndrom; sie ist ein Unikum und insofern ein spannendes Objekt für einen Dokumentarfilm. Der Film offenbart die Gegensätze dieser Frau, stilisiert sie aber nicht in ihren Widersprüchen, sondern akzeptiert diese als Teile eines besonderen Lebens. Wenn die Kamera das Elend zeigt, hält sie niemals drauf oder versucht Betroffenheit zu wecken; stattdessen zeigt sie auch die Lebensfreude, die immer wieder auf den Gesichtern der Kinder durchschimmert und offenbar nur durch ein wenig Engagement angeregt werden muss. Mit dieser Darstellungsweise erfasst Monika Treut sehr genau das Wesen von Yvonnes Arbeit, das vor allem darin besteht, den Kindern Selbstvertrauen zu geben und die Hoffnung darauf, dass ihnen mit Hilfe einer Schulbildung ein Leben jenseits der Slums gelingen kann. Ein Schnitt, und man befindet sich in einer Villa vor den Toren der Stadt, dem Wochenendhaus der de Mellos, und damit in Yvonnes Geschichte, die von der ständigen Überschreitung von Klassenschranken geprägt ist. Der Großvater hatte seinen Reichtum verloren und verließ die Familie, sodass die Mutter auf sich allein gestellt arbeiten und die Kinder erziehen musste. Aber Yvonne war intelligent und ehrgeizig – so sehr, dass sie, um die Missgunst der reichen Mitschüler von sich abzuwenden, absichtlich Fehler in ihren Klassenarbeiten machte. Nun hat Yvonne einen reichen Hotelier geheiratet, aber die Oberschicht redet hinter ihrem Rücken noch immer über „diese Frau“, die sich um „Banditen“ kümmert. Manchmal wird sie deswegen auch bedroht, besonders, seit sie sich politisch engagiert. Auslöser war das berüchigte Candelaria-Massaker im Jahr 1993, als eine Horde Polizisten acht Straßenkinder ermordete. Täglich sei sie danach in der Weltpresse erschienen, sagt Yvonne nicht ohne Stolz. Schließlich ist sie außerdem noch Künsterlin, Bildhauerin vor allem, die in ihren Arbeiten die Zustände in den Favelas thematisiert und damit auch um Anerkennung bemüht ist. Denn im Privatleben sei sie, wie sie zugibt, trotz allem „sehr einsam“. Monika Treut, die seit Jahren Dokumentarfilme über starke, interessante Frauen am Rande der bürgerlichen Gesellschaft dreht („Female Misbehaviour“, fd 31 945; „Gendernauts“, 33 571), stellt ab und zu eine Zwischenfrage, lässt ansonsten die eloquente Yvonne reden, deren Mutter, den Ehemann und die Tochter. Keinen Moment lang versucht sie eine Interpretation oder eine psychologische Deutung dessen, was sie sieht, und noch weniger beurteilt sie die Arbeit mit den Straßenkindern, die in schwer fassbare Abgründe führt. Die Kinder, sagt Yvonne, haben in ihrem Leben nie etwas anderes gesehen als Gewalt, Drogen und Missbrauch; wenn man den kleinen Jungs erzählen würde, dass Sex mit Männern, zu dem sie gezwungen werden, etwas Böses sei, hätten diese Jungs ein Problem mehr statt weniger. Moral ist offenbar relativ.
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