August - A Moment Before Eruption

- | Israel/Frankreich 2002 | 72 Minuten

Regie: Avi Mograbi

Ein Regisseur will einen Film über den Monat August und die Lebensbedingungen in Israel drehen. Teils reflektiert er darüber vor der Videokamera in seiner Wohnung, teils geht er mit der Kamera auf die Straße. Dort wird er ständig nach dem Sinn seines Tuns befragt, beschimpft und zum Aufhören genötigt. Experimentelle Stilmischung aus inszenierter Groteske und Dokumentarmaterial, die belegt, welche Aggressivität und welches Misstrauen in der israelischen Gesellschaft herrschen; voll bitterer Komik und schreckenerregend zugleich. (O.m.d.U.)
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
AUGUST
Produktionsland
Israel/Frankreich
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Avi Mograbi Prod.
Regie
Avi Mograbi
Buch
Avi Mograbi
Kamera
Avi Mograbi · Eitan Harris · Philippe Bellaïche
Schnitt
Avi Mograbi
Darsteller
Avi Mograbi · Adi Ezroni · Tchelet Semel
Länge
72 Minuten
Kinostart
-
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Zurecht hat der israelische Regisseur Avi Mograbi darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Filme und Berichte über den Nahostkonflikt gibt, vor allem über die historischen, politischen, religiösen und ideologischen Bedingungen, unter denen die scheinbar unüberwindbare Kluft zwischen Juden und Arabern entstanden ist. Auch die blutigen Konsequenzen dessen sieht man allzu häufig in den Medien. Wie sich der Konflikt aber auf den Alltag in Israel auswirkt, auf das menschliche und soziale Klima, ist weniger belegt. Für Mograbi, der von den Lebensbedingungen in seinem Land offensichtlich abgestoßen ist, kamen die Mittel des Dokumentarfilms nur zusammen mit denen der Groteske infrage, um ein Bild vom Zustand zu zeichnen, in dem sich die israelische Gesellschaft seiner Meinung nach befindet. Die Grenze zwischen beiden Stilmitteln ist in seinem Film dabei nicht immer leicht zu unterscheiden, was Mograbis Vorgehen zu bestätigen scheint. Die Groteske, das ist zunächst Mograbi selbst, wie er in seinem Wohnzimmer sitzt und einen Regisseur spielt, der einen Film über Israel drehen will, genauer: über den Monat August, den er für den schlimmsten hält. Er diskutiert darüber zunächst mit seiner Videokamera, die vermutlich auf dem Fernseher steht und vor der er sich so nah postiert, dass man jede Pore in seinem perspektivisch verzerrten Gesicht sieht. Dann verschwindet er, nach einem Disput mit seiner Frau (gespielt von Mograbi), die sich nun ihrerseits vor der Kamera aufbaut und Mograbi spielt. Schließlich taucht sein Produzent auf, der seinem Ärger über eine verschwundene Videokassette und einen noch unfertigen Film – über das Massaker eines israelischen Arztes an einer Gruppe Moslems – dadurch Luft macht, dass er das Wohnzimmer verwüstet; auch ihn spielt, mit Hilfe grob gesetzter Split Screens, Mograbi. Aggressivität und Misstrauen werden hier, im privaten Raum, mit den Mitteln der Komik auf die Spitze getrieben. Aber Mograbi ist mit seiner Videokamera auch im öffentlichen Raum unterwegs. Scheinbar wahllos stellt er sich auf eine Straße und wird dort, nur aufgrund seiner Kamera, sofort von Passanten beschimpft: er solle hier nicht filmen, wer er denn sei, was das alles solle. Einmal zeigt er verhaftete und gefesselte Araber und ihre israelischen Bewacher, worauf ihm eine Gruppe Gaffer lauthals Vorwürfe macht, weil er die Verhafteten nicht vorher beim Steinewerfen gefilmt habe. Dann zeigt Mograbi eine Anti-Besatzungs-Demonstration und wird zuerst von Soldaten dringend aufgefordert, seine Kamera auszuschalten, dann sogar von den Demonstranten. Zweimal zeigt er eine Grenze zu palästinensischen Gebieten: Einmal sind es wieder Soldaten, die ihn unwirsch zurecht weisen, ein anderes Mal ein etwa zehnjähriger Junge, der ihn von jenseits des Zaunes mit Steinen bewirft und „Barak ist ein Schwein“ ruft. Überhaupt sind die eingeholten Kindermeinungen am Erschreckensten. Volkes Stimme, etwa in Gestalt von Hausfrauen in einer Einkaufszone, ist ohnehin eindeutig: die Araber sollen weg, am besten ins Meer. Auch ihre Kinder erziehen sie in diesem Hass. Weibliche Teenager, die gerade von ihrem ersten Date träumen, geben Mograbi gegenüber zum Besten, dass alle Araber Abschaum seien. Avi Mograbi geht keinem Streit aus dem Weg und diskutiert mit seinen aufgebrachten Mitbürgern. Seine eigene Haltung wird, angestachelt durch deren Aggressivität, sogar zunehmend angriffslustiger. Derweilen trägt er die Kamera samt Mikrofon tapfer auf der Schulter und lässt sie, trotz aller Anfeindungen, immer weiter laufen. Bild und Ton sind dabei natürlich nicht immer perfekt, fangen dafür aber eine Wirklichkeit ein, die sich offenbar ständig am Rande der Gewalt bewegt. Mograbi ist ein Einzelkämpfer, vergleichbar dem der Amerikaner Michael Moore, dessen Filme bestimmt sind von klaren Feindbildern und der ebenso eindeutigen Sicht des Filmemachers darauf („Roger & Me“, fd 28 254, „Bowling for Columbine“). Allerdings hatte Mograbi 1997 in „How I learned to Overcome My Fear and Love Ariel Sharon“, noch vor Sharons Machtübernahme, immerhin den Mut, am Ende zuzugeben, dass der brutale Politiker als Mensch ganz nett sei. Zu einem ähnlichen Fazit kommt Mograbi in diesem Fall nicht.
Kommentar verfassen

Kommentieren