My First Mister

- | USA/Deutschland 2001 | 109 Minuten

Regie: Christine Lahti

Durch eine (Freundschafts-)Beziehung zu einem 49-jährigen Verkäufer für Herrenoberbekleidung bekommt eine sozial wie emotional orientierungslose 17-Jährige den Halt, den sie in ihrer Familie vermisst. Als sich herausstellt, dass ihr väterlicher Freund im Sterben liegt, sucht sie nach Angehörigen und findet einen ahnungslosen Sohn aus einer lang zurückliegenden Ehe. Schlecht gespielte und inszenierte Tragikomödie, die sich nicht entscheiden kann, ob sie die ausgestellten gesellschaftlichen Werte karikieren oder deren Spießigkeit feiern will. - Ab 14 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
MY FIRST MISTER
Produktionsland
USA/Deutschland
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Total Film Group/Apollo Media/Carol Baum Prod./Film Roman/Firelight/Goldenring Prod.
Regie
Christine Lahti
Buch
Jill Franklyn
Kamera
Jeff Jur
Musik
Steve Porcaro
Schnitt
Wendy Greene Bricmont
Darsteller
Leelee Sobieski (Jennifer) · Albert Brooks (Randall) · Carol Kane (Mrs. Benson) · Michael McKean (Bob) · Desmond Harrington (Randy)
Länge
109 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
McOne
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Diskussion
Mit 17 Jahren hat ein Teenager des amerikanischen Mittelstands zwei Möglichkeiten: endgültig jenen Weg in die Spießigkeit einzuschlagen, der schon in Vorabendserien wie „Die Partridge Family“ den Eltern vorexerziert wurde, oder den Aufstand gegen die Erbärmlichkeit Kunstoff überzogener Plüschpolster zu proben. Jennifer zieht es vor, ihrer Mutter – dem Inbegriff der „Partidge Family“ – all das heimzuzahlen, was sie an sozialer Beschränktheit erleiden musste. Als Aussteigerin mit Punk-Attitüde lebt sie immer dann auf, wenn Lehrer oder Eltern entsetzt sind. Dabei hat sie nur zwei Probleme: wenige Freunde und noch weniger Geld. Letzteres versucht sie, mit allen Mitteln zu ändern. Als Jennifer in der Einkaufspassage Randall beobachtet, wie er im feinsten Bekleidungsgeschäft am Platz das Schaufenster dekoriert, ist es um sie gleich doppelt geschehen. Mit allen Mittel versucht sie, einen Job in jener Herrenmodenabteilung zu bekommen, der Randall vorsteht, und sogar bereit, modische Zugeständnisse in Sachen Punk-Outfit zu machen – ein Kniefall, der ihr tatsächlich einen Job im Lager einbringt. Während Randall die Nähe zu Jennifer rein beruflich und streng freundschaftlich interpretiert, findet Jennifer immer mehr Gefallen an ihrem Chef. Das Problem, dass Randall bereits 49 Jahre alt ist und seine Haltung zum Leben im Tragen beige-brauner Einheitssakkos ausdrückt, scheint für Jennifer nicht zu existieren. Je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto mehr verabschiedet sich Jennifer von ihren progressiven Überzeugungen. Jennifers Leben erfährt eine völlig neue Wendung, als Randall plötzlich zusammenbricht: Seine Krankheit hatte er Jennifer gegenüber immer verschwiegen, nun hat er nur noch wenige Wochen zu leben. Jennifer macht sich auf die Suche nach Randalls Ex-Frau, doch dessen einzige „Angehörige“ ist vor kurzem gestorben und hat einen unehelichen Sohn hinterlassen. Bei einem Treffen findet Jennifer heraus, dass Randall doch noch einen nahen Verwandten hat. Es gibt Filme, die scheitern schon mit der Einführung ihrer Hauptdarstellerin. Leelee Sobieski gehört sicherlich zu den hoffnungsvollsten jungen Schauspielerinnen Hollywoods; in James Ivorys „Die Zeit der Jugend“ (fd 33 577) und der CBS-Produktion „Johanna von Orleans“ bewies sie, dass sie mühelos einen Film zu tragen vermag. In „My First Mister“ allerdings wirkt sie als Rebell, der durch eine (Freundschafts-)Beziehung zu einem älteren Mann einen neuen Lebenssinn erfährt, wie ein Fremdkörper. Als abgetakelte Punkerin erscheint sie ebenso unglaubwürdig wie die Schönheiten vieler Teenie-Filme, die des Drehbuchs wegen als „hässliches Entlein“ daherkommen, um vom High-School-Liebling zum „Aufblühen“ gebracht zu werden. So steif und hygienisch wie ihre Appretur-gestärkte Kleidung wirken sämtliche Darsteller selbst. Carol Kane chargiert als Inkarnation einer gluckenhaften Übermutter ähnlich hilflos zwischen Persiflage und Ernsthaftigkeit wie der lächerlich als langhaariger Späthippie ausstaffierte John Goodman. Nur Albert Brooks findet sich mit seiner ewig gleichen Dauerwelle und seinem zurückgenommen Spiel perfekt in die Rolle des introvertierten Verkäufers für Herrenoberbekleidung. Vielleicht ein Grund, warum seine darstellerische Leistung aus dem Film heraussticht. Das Regiedebüt der Schauspielerin Christine Lahti wirkt orientierungslos: Die zunächst ganz auf die Beziehung zwischen und Jennifer und Randall konzentrierte Geschichte bekommt mit dem zentralen Wendepunkt (der tödlichen Krankheit Randalls) einen Bruch, von dem sich der Film nicht mehr erholt. Aufgesetzt erscheint die vor allem die neue Beziehung zwischen Jennifer und Randalls „entdecktem“ Sohn. Als hätten die Regisseurin und ihre Drehbuchautorin Angst vor der eigenen Courage, pflanzen sie der „Lolita“-Variation eine konventionelle Liebesgeschichte auf, der in einem pathetischen Abschiedsessen im Kreise aller Familienmitglieder die Absolution erteilt wird. Was als bissiger Kommentar auf überkommene Normen beginnt, wandelt sich so in eine Werbung für die Spießigkeit; die Frage bleibt nur, ob aus Unvermögen oder Absicht.
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