- | Großbritannien 2001 | 97 Minuten

Regie: Amber Production Team

Porträt der englischen Arbeiterklasse, dargestellt anhand von drei Generationen im nordenglischen Kohleabbaugebiet. Der Film des selbst organisierten Amber Kollektivs konzentriert sich auf einen Generationskonflikt besonderer Art und beschreibt ein Spannungsverhältnis, das daraus resultiert, Vater und Sohn zur selben Zeit sein zu müssen. Kein anstrengendes "Kopfkino", sondern ein unterhaltsamer Film mit wahrhaftigen Charakteren, die durch ihre bestechende Natürlichkeit dem hervorragend fotografierten Film zu dokumentarischer Überzeugungskraft verhelfen. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LIKE FATHER
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
The Amber Production Team
Regie
Amber Production Team
Buch
Amber Production Team
Kamera
Amber Production Team
Musik
Joe Armstrong
Schnitt
Amber Production Team
Darsteller
Joe Armstrong (Joe Elliott) · Ned Kelly (Arthur Elliott) · Jonathan Dent (Michael Elliott) · Anna Gascoigne (Carol Elliott) · Derek Walmsley (David Hylton)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.

Diskussion
Seit Generationen arbeiten die männlichen Familienmitglieder der Elliotts im Kohlebergbau im Nordosten Englands. Und seit jeher wird von den Söhnen erwartet, den Spuren ihrer Väter zu folgen. Immer wieder kommt es dabei zu Konflikten. Als der jüngste Sprössling der Elliotts eines Tages von seinem Vater beim Tanzen erwischt wird, hat dieser nur Häme und Spott für ihn übrig. Das Szenario klingt vertraut. Aber der Sohn heißt nicht Billy, sondern Michael; tanzen will er nur mal so zum Spaß; und sein Vater, Joe Elliott, ist kein Bergarbeiter mehr. Die Minen sind geschlossen. „Like Father“ erzählt anhand dreier Generationen einer englischen „Working Class“-Familie vom schwierigen Verhältnis zwischen Vater und Sohn in einer Gesellschaft im Umbruch. Großvater Arthur hat einen Großteil seines Lebens in den Kohleminen bei East Durham verbracht. Inzwischen ist er pensioniert, lebt in einem Wohnwagen an der Küste und züchtet Tauben. Als die örtliche Behörde, um die Region für den Tourismus zu erschließen, die hiesigen Kleingartenbesitzer zum Verkauf ihres Landes auffordert, weigert sich der störrische und streikerfahrene Alte vehement. Dafür bewundert ihn sein Enkel Michael, der sich dem eigenbrötlerischen alten Mann näher fühlt als seinem rastlosen Vater, der seit der Schließung der Minen für wohltätige Gemeindevereine als Musiklehrer und Sänger tätig ist und mehr Zeit dort oder trinkend in Kneipen verbringt als zu Hause. Joe steht in seiner Doppelrolle als Vater und Sohn zwischen zwei Generationen. Als Kind träumte er von einer Karriere als Musiker, die aber von seinem Vater verhindert wurde. Jetzt drängt er seinen Sohn gegen dessen Willen zum Musikunterricht und hofft noch immer auf den Durchbruch. Den glaubt er schaffen zu können, als er den Auftrag erhält, eine Komposition für das lokale Orchester zur musikalischen Unterstützung der Kampagne der Regierungsbehörde zu erstellen. Als Gegenleistung verlangt man von Joe, seinen Vater zur Aufgabe seines Landes zu überreden. Ähnlich wie „Billy Elliot“ (fd 34 566) handelt „Like Father“ vom Widerspruch zwischen väterlichen Erwartungen und den Wünschen der Söhne. Im Gegensatz zu Stephen Daldrys Film legt die Arbeit des Amber Teams den erzählerischen Schwerpunkt aber nicht einseitig auf die Perspektive des Jungen, sondern beleuchtet die Ambivalenz dieses Verhältnisses und veranschaulicht am Beispiel Joes eindrucksvoll, wie sehr die Rolle als Vater eines Sohnes von der früheren Rolle als Sohn eines Vaters bestimmt ist. Anders als bei „Billy Elliot“ besteht hier die Schwierigkeit des Erwachsenwerdens und Erwachsenseins weniger in der Durchsetzung der eigenen Bestimmung gegen ein konservatives väterliches Umfeld als vielmehr in der Identitätsfindung und in der Auseinandersetzung mit komplexen sozialen Realitäten. Tradition erscheint dabei keineswegs als etwas, das es zu überwinden gilt, sondern steht mit Großvater Arthur auch stellvertretend für einen solidarischen Widerstand gegen einen rein gewinnorientierten Fortschritt. Durch solch differenzierte Betrachtungsweisen erhält der Film neben einer zusätzlichen politischen Dimension auch einen authentischen Charakter, der weit über das hinausgeht, was man von britischen „Working Class“-Filmen an Realitätsnähe erwartet. Zu verdanken ist dieser Eindruck zum größten Teil der ungewöhnlichen und mutigen Besetzung des Films. Alle drei Hauptrollen werden von Laiendarstellern gespielt, die zum ersten Mal vor der Kamera standen. Zu einem Zeitpunkt, zu dem erst die Grundidee des Films entwickelt war, suchte das Amber Team bereits unter den Bewohnern East Durhams nach geeigneten Darstellern. Die eigentliche Geschichte und die Charaktere entwickelten sich dann auf der Basis dessen, was die Menschen vor Ort den Filmemachern erzählten, und entlang der tatsächlichen Lebensläufe der ausgewählten Akteure. Diese verleihen ihren so entworfenen Rollen eine darstellerische Präsenz von derart bestechender Natürlichkeit, dass der Film über weite Strecken wie ein Auszug aus dem wirklichen Leben wirkt. Nur an den Plot-Points, an den dramaturgischen Schlüsselstellen, wie bei der Trennung von Joe und seiner Frau Carol oder dem allzu pathetischen Ende erscheint die Handlung etwas konstruiert, und die atmosphärische Stimmigkeit geht ein wenig verloren. Ähnliches gilt auch für die Sequenzen mit dem jungen Michael, für den die Filmemacher bei ihren Recherchen wohl einfach keine interessantere Geschichte gefunden haben. Grundsätzlich aber geht das eigenwillige Konzept des Amber Kollektives, das auch egalitäre Gehaltsstrukturen und den Verzicht auf individuelle Nennungen im Stab beinhaltet, auf. „Like Father“ führt die Tradition der Amber-Produktionen, die sich wie „Eden Valley“ (1994) und „The Scar“ (1997) mit der Lebenssituation der Bevölkerung im ehemaligen Kohlerevier im Nordosten Englands beschäftigen, überzeugend fort. Trotz seines sozialkritischen Anspruchs ist der Film kein anstrengendes Kopfkino, sondern ein ruhig erzählter, unterhaltsamer Film mit schönen Bildern und wahrhaftigen Charakteren, dem es gelingt, die empathische Leichtigkeit fiktionalen Erzählens mit dem Eindruck dokumentarischer Echtheit zu vereinen.
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