Rain - Regentage

- | Neuseeland 2001 | 92 Minuten

Regie: Christine Jeffs

Während eines Familienurlaubs macht eine 13-Jährige einem fremden Abenteurer Avancen, wodurch sie das ohnehin labile Gleichgewicht der Familie durcheinander bringt und ein Unglück heraufbeschwört. Verhaltener Thriller im Gewand eines Familienmelodrams, das den schmerzhaften Eintritt in die Welt der Erwachsenen thematisiert. In den 1970er-Jahren angesiedelt, besticht der Film ebenso durch die stimmungsvolle Beschreibung einer Dekade wie durch seine subtile Darstellung, die das Unwohlsein der Figuren auf die Zuschauer zu übertragen vermag. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
RAIN
Produktionsland
Neuseeland
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Communicado Prod./New Zealand Film/Rain Film Prod./Rose Road#
Regie
Christine Jeffs
Buch
Christine Jeffs
Kamera
John Toon
Musik
Neil Finn · Edmund McWilliams
Schnitt
Paul Maxwell
Darsteller
Alicia Fulford-Wierzbicki (Janey) · Sarah Peirse (Kate) · Marton Csokas (Cady) · Alistair Browning (Ed) · Aaron Murphy (Jim)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Diskussion
„Rain“ ist ein Familienmelodram im Gewand eines Thrillers. Durchaus so, wie man es aus neuseeländischen oder australischen Filmen kennt: Morbide und elegant erzählt der Film überzeugend schlicht von der Verquickung von Sexualität und Repression, von Naturgewalten und dem Verlust der Unschuld. Die 13-jährige Janey verbringt den Sommerurlaub mit dem kleinen Bruder Jim und ihren Eltern in einem Bungalow an einem weitläufigen, zauberhaften Strand. Während die Eltern Bourbon trinkend im Liegestuhl liegen, verkatert aufwachen und einander ausweichen, spielen und plantschen Jim und Janey nach Herzenslust. Sie sind weitgehend sich selbst überlassen. Als der Abenteurer Cady am Strand auftaucht, fängt die gelangweilte Mutter eine halbherzige Affäre mit ihm an, wobei der Vater resigniert stillhält. Aber weil Janey kein Kind mehr ist, entgeht ihr nichts, keine Geste, kein Blick. Sie will es jetzt ebenfalls wissen und übt erst ein bisschen mit einem Nachbarjungen, bevor sie ihre Reize ebenfalls an Cady testet. Ihre Verbissenheit bei diesem Vorhaben bringt das labile Gleichgewicht der Familie durcheinander und beschwört ein Unglück herauf, das Janey auf brutale und unwiderrufliche Weise ins Erwachsenenalter katapultiert. In wunderschönen, stimmungsvollen Bildern erschafft Regisseurin Christine Jeffs, die früher als Cutterin und Werbefilmerin arbeitete, eine Welt voller Tristesse, Lebenslust und auch Suspense. Sie erreicht es, dass die Sprengkraft der funkelnden, brütenden Natur über der Szenerie liegt und sogar bis in die Beengtheit des Bungalows hineinreicht. Meist mit der Handkamera folgt sie den Figuren, die sich haltlos und doch gelangweilt durch die immergleichen Strandparties sitzen, Small Talk führen und trinken. Den Counterpart zu den resignierten Erwachsenen übernimmt Janeys Bruder Jim, ein von Aaron Murphy überzeugend gespielter Junge, der als einziger unbeschwert und unschuldig an dem ist, was sich zusammenbraut. „Rain“ ist ein sommerliches Gegenstück zu Ang Lees „Der Eissturm“ (fd 32 888), ebenfalls im Setting der saturierten 70er-Jahre. Glücklicherweise gänzlich ohne Farbexplosion und extreme Schlaghosen, unterstützt nur durch die Musik von Neil Finn, zeichnet der Film unauffällig die Befindlichkeit einer Zeit nach. Einer Dekade, in der die Menschen zwischen Sehnsucht und Langeweile, Einsamkeit und dem alles überdeckenden Schweigen festhängen, bis das große Gewitter die Erstarrung der Familie löst. Im übertragenden Sinne natürlich, denn es regnet bis zum Schluß nicht in diesem Film. Die Natur lauert stets nur in Habacht-Stellung; es herrschen tropische Temperaturen und Begehrlichkeiten, doch die Emotionen werden kühl gelagert. Das gilt im Besonderen für Janey, die für eine 13-Jährige mit gespenstischer Zielstrebigkeit agiert. „Endurance“, Ausdauer und Durchhaltevermögen, lautet ihr Motto, das sich erst spät als destruktive Parole entpuppt, weil es den Blick auf das Wesentliche verstellt. Eher noch als erwachende sexuelle Neugier spornen Kampfgeist und Konkurrenz zur Mutter sie an. Sarah Peirse, bekannt aus „Heavenly Creatures“ (fd 31 127) spielt diese reife Frau auf somnambule Weise und macht deren stille Verzweiflung und Angst vor dem Altern spürbar. Sie wäre lieber eine Freundin für Janey, die die Annäherung ihrer Mutter jedoch zurückweist. Die Spiele der Erwachsenen will sie dagegen selbst mitspielen, wozu ihr jedes Mittel recht ist. Meisterlich ist der Moment, in der Janey Cady sexuell provoziert – ein Thriller-Moment voller Suspense, da er so inszeniert ist, als schlüge die Spannung gleich ins Aggressive um. „Ich würde einiges von dem nicht tun, weil mir dabei nicht wohl wäre“, sagte Alicia Fulford-Wierzbicki, die Darstellerin der Janey, über ihre Figur. Dieses Unwohlsein empfindet auch der Zuschauer; und in der Tat möchte man die Existenz solcher Teenager schlicht abstreiten. Extrovertiert, mutwillig, kühl und scheinbar ohne Angst, scheint Janey direkt einem französischen Film entsprungen zu sein. Nicht von ungefähr kam „Rain“ in Cannes im vergangenen Jahr gut an, wo er im Rahmen der „Quinzaine des Réalisateurs“ lief. Auch sonst erinnert der Film an die Beklemmung sich langsam entfaltender Gefühle, wie sie beispielsweise Michel Deville in „Stille Wasser“ (1981) inszeniert hat.
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