Posse - Die Rache des Jessie Lee

Western | USA/Großbritannien 1993 | 110 Minuten

Regie: Mario Van Peebles

Eine Bande von vier Schwarzen und einem Weißen flieht 1898 mit einem Goldschatz vor einer Killer-Brigade in eine schwarze Western-Kommune, wo es zum Showdown mit den Verfolgern und einem rassistischen weißen Sheriff kommt, der vor Jahren auch den Vater des Bandenführers ermordet hatte. Im Stil zeitgenössischer Musikvideos temporeich inszenierter Western, der nicht nur außergewöhnliche Bildperspektiven sucht, sondern auch einen neuen Blick auf die Stellung des Schwarzen im amerikanischen Western wirft. Etwas eitel in der Ausgestaltung der Hauptfigur, dank des einfallsreichen Soundtracks aber über dem Durchschnitt des Genres.
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Filmdaten

Originaltitel
POSSE
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Polygram/Working Title
Regie
Mario Van Peebles
Buch
Sy Richardson · Dario Scardapane
Kamera
Peter Menzies jr.
Musik
Michel Colombier
Schnitt
Mark Conte
Darsteller
Mario Van Peebles (Jessie Lee) · Stephen Baldwin (Little J.) · Charles Lane (Weezie) · Tiny Lister jr. (Obobo) · Paul Bartel (Bürgermeister)
Länge
110 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Western
Externe Links
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Diskussion
Seit "Der mit dem Wolf tanzt" (fd 28 748) scheint im Western auch das Bemühen eingekehrt zu sein, die nun fast schon ein Jahrhundert betriebene Geschichtsklitterung aufzuarbeiten. Während sich das Indianer-Bild gewandelt hat, wird der "Schwarze" im Western bisher weitgehend unterschlagen. Zwar durfte Sidney Poitier in "Duell in Diabolo" (fd 14 288) die Rassenfrage antippen, in seiner ersten Regie-Arbeit sogar einen ganzen Treck Schwarzer gen Westen führen ("Der Weg der Verdammten"), und Jim Brown war, als man Ende der 60er Jahre an der Emanzipation der Schwarzen nicht mehr vorbeikonnte, in "Hundert Gewehre" (fd 16 085) Liebhaber der weißen Raquel Welsh. Aber es blieb nur bei zweiten Haupt- oder größeren Nebenrollen. Mario Van Peebles, der mit "New Jake City" (fd 29 097) ein Beispiel des zu neuem Selbstbewußtsein erwachten Kinos der Schwarzen für (nicht nur) Schwarze inszeniert hatte, nimmt nun eine sowohl von der weißen US-Presse als auch der Filmgeschichtsschreibung damals weitgehend ignorierte Tradition wieder auf: schon in den 30er Jahren liefen in den Schwarzenvierteln der Großstädte von Schwarzen für Schwarze gedrehte Low-Budget-Western, die bei ihrem Stammpublikum denselben Beliebtheitsgrad errangen wie die Matinee-Idole der weißen Bevölkerung.

Mario Van Peebles Film blendet in jene Zeit zurück, als jeder dritte Westerner eine dunkle Hautfarbe hatte, und man dem friedlichen Nebeneinander verschiedener Rassen und Kulturen viel näher war als heutzutage. Die Geschichte von "Posse" beginnt während des spanisch-amerikanischen Krieges auf Kuba, wo der Schwarze Jessie Lee in der Uniform der US-Armee kämpft, und er und seine beiden Kameraden - die hühnenhafte "Kampfmaschine" Obobo und der hinterlistige Weiße Little J. - durch ihre Kaltschnäuzigkeit auffallen. Ihr selbstherrlicher Vorgesetzter, Colonel Graham, beauftragt sie mit einem Sondereinsatz, bei dem sie eine spanische Patrouille liquidieren und eine Kiste Gold stehlen sollen. Jessie wird schnell klar. daß Graham sie nach erfolgreicher Mission aus dem Wege räumen wird. Also fliehen sie mit dessen schwarzem Diener Weezie und dem Gold in die Vereinigten Staaten zurück. In New Orleans schließt sich ihnen der schwarze Falschspieler Father Time an. Verfolgt von Grahams Killer-Brigade fliehen sie weiter nach Westen in Jessie Lees Heimatstadt. Er hofft, dort nicht nur seine Jugendliebe Lana wiederzutreffen, sondern sich auch an den Mördern seines Vaters rächen zu können, die vor Jahren dessen Traum von einer unabhängigen schwarzen Kommune zerstörten. Zwar ist der Traum des Vaters teilweise in Erfüllung gegangen, aber der weiße Sheriff des Nachbarortes, einer der Mörder King Davids, terrorisiert den Ort noch immer und versucht, ihn an die Eisenbahngesellschaft zu verkaufen. Jessie kann die ängstlichen Bewohner zum Widerstand überreden, und so kommt es zum großen Showdown zwischen den beiden Parteien, in das schließlich auch Colonel Graham eingreift.

Die Geschichte, eine lOOminütige Rückblende, wird eingerahmt durch zwei in der Gegenwart spielende Sequenzen, in denen ein alter schwarzer Mann, dem man in der Geschichte als kleinem Jungen begegnet, zwei Reportern die Geschichte von Jessie Lee erzählt. Die Besetzung der Rolle des Erzählers mit Woody Strode ist nicht nur eine Hommage an einen der profiliertesten (Western-)Nebendarsteller Hollywoods, sondern wohl auch eine Reminiszens an seine Rolle als des Mordes und der Vergewaltigung angeklagten Soldaten in "Mit einem Fuß in der Hölle" (fd 9973), eine der ersten positiven Schwärzen-Figuren im Western überhaupt. Ansonsten ist der Titel Inhalt und Form zugleich. "Posse" bezeichnet ein Aufgebot ehrlicher Männer, die dem Sheriff bei der Verfolgung von Verbrechern zu Hilfe kommen, während in der zeitgenössischen schwarzen Rap- und Hip-Hop-Szene das Wort für Clique oder Gang steht. Und wie ein Musikvideo ist der Film auch inszeniert, nicht nur wegen der Mitwirkung des Rap-Musikers Big Daddy Kane (als Falschspieler). Ständig ist die Kamera in Bewegung, kreist oft ruhelos um die Personen hemm, immer auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Blickwinkel. Krasse Schnitte lassen plötzlich mit ohrenbetäubendem Dolby-Sound Lokomotiven über einen hinwegbrausen, und zahlreiche, mehr aufs Detail als auf die Übersicht der Szenerie konzentrierte Actionszenen lassen einen kaum zur Ruhe kommen. Das ist in meist dunklen Brauntönen fotografiert, die die Farben auch am hellichten Tag schmutzig erscheinen lassen. Nicht selten verschmelzen die schwarzen Gesichter der Darsteller mit dem braunen Sandstein der grandiosen Landschaft rund um das Monument Valley.

Trotz allen Bemühens Van Peebles, die Westem-Geschichte neu zu schreiben, ist sein Film nicht frei vom Klischee des etwas dümmlichen oder ewig quasselnden Negers. Und auch die angebliche Sex-Potenz schwarzer Männer feiert in einer unerträglich auf Softporno inszenierten Sequenz fröhliche Urständ. Hier und in den zu sehr auf Kunstgewerbe inszenierten, monochrom gehaltenen Rückblenden in der Rückblende sowie in seinen Solo-Auftritten zeigt sich der Regisseur allzu verliebt in den Hauptdarsteller Mario Van Peebles. Da weicht die Distanz eitler Selbstbespiegelung. Ansonsten hat Van Peebles die Versatzstücke des amerikanischen und des ItaloWestem zu einem nie langweiligen Outlaw-Abenteuer gemixt. Was den Film aber über den Durchschnitt hinaushebt, ist der jazzige, Spiritual- und Blues-Elemente verwendende Klangteppich von Michel Colombier, der auch vor musikalischen Effekten, die jedem Horrorfilm zur Ehre gereichen würden, nicht zurückschreckt, um der Bildebene zur größtmöglichen Wirkung zu verhelfen.
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