Shit Happens Reloaded - Die Comedy-Kurzfilmrolle 2

Komödie | Schweden/Frankreich/Belgien/Norwegen/Deutschland/Ungarn/Großbritannien 1992-2003 | 73 Minuten

Regie: Peter Östlund

Handverlesene, sehr unterhaltsame Kurzfilm-Kompilation mit zwölf Filme aus sieben europäischen Ländern, gedreht in den Jahren 1992 bis 2003. Die zwischen einer und elf Minuten langen Kurzfilme bedienen sich in komprimierter Form elementarer filmischer Erzählformen und laden durch ihre Kompaktheit zu lustvoller cineastischer Analyse ein. Qualitativ durchaus unterschiedlich, tendieren schwächere Beiträge Richtung verfilmter Witz, während die talentierteren Filmemacher es verstehen, trotz überraschender Wendungen Raum für Doppelbödigkeiten zu lassen. (Titel der einzelnen Filme: 1. "Shit Happens Again", Schweden 1996, 2 Min.; 2. "Omnibus", Frankreich 1992, 10 Min.; 3. "Fait D'Hiver", Belgien 2001, 7 Min.; 4. "Die Naturbrille", Norwegen 2001, 1 Min.; 5. "Ich warte auf den Nächsten", Frankreich 2002, 5 Min.; 6. "Das Taschenorgan", Deutschland 2000, 11 Min.; 7. "Ein zauberhafter Abend", Schweden 2001, 2 Min.; 8. "Lassie", Deutschland 2002, 11 Min.; 9. "601-S", Ungarn 2001, 2 Min.; 10. "Staplerfahrer Klaus ­ Der erste Arbeitstag" Deutschland 2001, 10 Min.; 11. "Dangle", Deutschland/Großbritannien 2003 , 6 Min.; 12. "Caravan", Norwegen 2002, 8 Min.) - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Schweden/Frankreich/Belgien/Norwegen/Deutschland/Ungarn/Großbritannien
Produktionsjahr
1992-2003
Regie
Peter Östlund · Sam Karmann · Dirk Belien · Jens Lien · Philippe Orreindy
Buch
Christian Roth · Sam Karmann · Johann Verschueren · Philippe Orreindy · Thomas Gaudin
Kamera
Daniel Diot · Philip van Volsem · Eric Genevilliars · Nina Werth · Johan Nordström
Musik
Jean Mallet · Alan Muller · Alain Marna · Dido Hartwig · Per Carleson
Schnitt
Robert Rongier · Alain Dessauvage · Anne Arawecchi · Johannes Ebert · Per Carleson
Darsteller
Daniel Rialet · Jacques Martial · Christian Rauth · Brigitte Auber · Patrick Janain
Länge
73 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie

Diskussion
Die Hamburger Kurzfilmagentur (KFA) ist ohne Zweifel jene Institution, die am intensivsten und kontinuierlichsten in Deutschland die Pflege des nationalen und internationalen Kurzfilms betreibt. Es ist ihr Verdienst, dass Arbeiten von Pionieren des Genres wie von Bill Plympton, Jan Svankmajer oder Zbygniew Rybczynski hierzulande wenigstens teilweise für den Kinoeinsatz zur Verfügung stehen. Neben der alljährlichen Ausrichtung eines Kurzfilmfestes und der Edition von Anthologien liegt den Hamburgern vor allem die Präsenz des Kurzfilms auf der Kinoleinwand am Herzen. Dies sowohl in Form des klassischen Vorfilms als auch als abendfüllendes Sammelprogramm, das aus thematisch oder stilistisch verwandten Einzelfilmen besteht. Nach Paketen wie „Dark Tales“ (fd 32 050, mit den wundervollen filmischen Capriccios aus Neuseeland) oder „Oskar in Shorts“ liegt mit „Shit Happens Reloaded – Die Comedy-Kurzfilmrolle 2“ nun eine weitere Ausgabe dieser Kompilationen vor. Der Reiz von Kurzfilmen besteht ja unter anderem darin, dass sich in ihnen elementare Mechanismen des Kinos in komprimierter Form brechen und in dieser Form zu lustvoller cineastischer Analyse einladen. Diese Voraussetzungen sind auch im vorliegenden Fall gegeben.

Zwölf Filme also, aus sieben verschiedenen Ländern Europas, zwischen einer und elf Minuten lang, gedreht in den Jahren 1992 bis 2003. Interessant ist es dabei, auf ähnliche Grundkonstellationen und Erzählstrategien zu achten. So ist es kein Zufall, dass viele Filme in öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. auf öffentlichen Plätzen spielen. Im urbanen Zufallschaos lassen sich noch am glaubwürdigsten eher unwahrscheinliche Begegnungen konstruieren, lassen sich klassische Verwechslungen – die uralten Verquickungen des Verkennens und Erkennens, wie sie schon vor mehr als 2000 Jahren von Aristoteles formuliert wurden – konstruieren. In „Ich warte auf den Nächsten“ nimmt eine Passagierin den theatralischen Dialog zweier arbeitsloser Schauspieler in der Pariser Metro für bare Münze und bleibt einsamer denn je zurück. Der verspätete Reisende in „Omnibus“ schafft den Absprung vom falschen Zug, wird aber von einem hilfsbereiten Zeitgenossen im letzten Waggon wieder in den Schienenbus gezerrt. In „Fait D’Hiver“ telefoniert ein heimkehrender Familienvater im Stau mit der falschen Tochter und löst damit eine katastrophale Kettenreaktion aus.

Da der Kurzfilm naturgemäß wenig Zeit zur Verfügung hat, muss er sein Erzählmaterial komprimieren. Ein probates Mittel hierfür besteht in der Parodierung bekannter Genremuster – dadurch erspart sich das Drehbuch umständliche Expositionen, kann quasi auf bereits existierende Erfahrungswerte des Zuschauers aufbauen und diese ironisch unterlaufen. Bezeichnenderweise kommen gleich drei von den vier deutschen Beiträgen auf „Shit Happens Reloaded“ als Parodien daher. Durch zahlreiche Festivaleinsätze fast schon zu so etwas wie Kultfilmen avanciert, benutzt „Das Taschenorgan“ von Carsten Strauch erfolgreich den Duktus von Arzt-Serien (mit der Stimme von Dolly Buster), während „Staplerfahrer Klaus“ von Jörg Wagner und Stefan Prehn die stereotype Machart von Lehrfilmen ins Splattergenre hinüber gleiten lässt. In Sinan Akkus’ „Lassie“ wird dem Film-im- Film-Stoff mit entsprechenden Grenzverwischungen zwischen gespielter und tatsächlicher Wirklichkeit gehuldigt. Eine gleichermaßen potentielle Schwäche wie Stärke des Kurzfilms besteht auch in seinem Hang des Auf-Pointe-Erzählens. Eher misslungene Beispiele tendieren in Richtung verfilmter Witz; talentierte Regisseure vermögen es, überraschende Wendungen präzis anzusetzen und dennoch Raum für Doppelbödigkeiten zu belassen. „Shit Happens Reloaded“ hat eindeutig mehr vom Letzteren. Schön auch, dass es immerhin vier Kurzfilme in dieser Sammlung gibt, die sich dem Druck der Pointe völlig entziehen; so auch der titelgebende Beitrag aus Schweden. Insgesamt erweist sich auch die jüngste Kollektion der Hamburger Kurzfilmagentur wieder als überaus sehenswertes Kompendium der kleinen Form. Wenn sich auch über die Propagierung der Schadenfreude als „immer noch der hellsten Freude“ (wie im Begleitmaterial praktiziert) streiten ließe, fällt die Auswahl handverlesen aus.

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