Pakt des Schweigens - Das zweite Leben des Erich Priebke

Dokumentarfilm | Deutschland/Argentinien 2004 | 90 (TV 53) Minuten

Regie: Carlos Echeverría

Dokumentarfilm über den deutschen Kriegsverbrecher Erich Priebke, dem 1947 die Flucht nach Argentinien gelang. Bis 1994 lebte er als angesehener Bürger im patagonischen Wintersportort Bariloche, der auch anderen Nazi-Größen als Zufluchtsort diente. Der faktenreiche Film verdichtet sich auch zur Anklage der Einwohner des Städtchens, die diese Entwicklung nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern sie durch ihr Wohlverhalten auch unterstützt haben. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Argentinien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
T & G Films/WDR/ARTE
Regie
Carlos Echeverría
Buch
Carlos Echeverría
Kamera
Heribert Kansy
Länge
90 (TV 53) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Der Titel klingt nach Mafia und organisiertem Verbrechen. Darum geht es in der Tat, wenngleich nicht die klassische Mafia im Mittelpunkt steht. Der argentinische Regisseur Carlos Echeverría, Sohn einer deutschstämmigen Mutter, erzählt die Geschichte seines Heimatortes Bariloche, mittlerweile ein Wintersportort in Patagonien, der Ende der 1940er-Jahre eine magische Anziehungskraft für deutsche Kriegsverbrecher besaß. Einer von ihnen war der SS-Hauptsturmführer Erich Priebke, der für die Hinrichtung jener 335 Zivilisten in den Ardeatischen Höhlen mitverantwortlich war, die im März 1944 als Vergeltung für ein Attentat italienischer Partisanen angeordnet wurde. Priebke gelangte 1948 mittels einer unheiligen Allianz von Politik, Vatikan und organisiertem Verbrechen in den damals verschlafenen Ort und fand ein ideales Umfeld vor. Niemand schien sich für seine Vergangenheit zu interessieren. Er stieg rasch zum angesehenen Bürger auf und führte an der Deutschen Schule das große Wort. Wichtiger aber waren die Kontakte zu anderen Nazi-Gefährten, die Bariloche ebenfalls als ihr Exil entdeckten und in der deutschen Gemeinde gemeinsame Interessen fanden. So konnte mit Duldung der argentinischen Behörden noch in den 1970er-Jahren Hitlers Geburtstag gefeiert werden. Die Kuba-Krise hatte Anfang der 1960er-Jahre sogar Hoffnung auf einen verspäteten Endsieg geschürt. Priebke und seinesgleichen nahmen nachhaltig Einfluss auf die Deutsche Schule, wo Heinrich Böll als kommunistischer „Schmierfink“ nicht willkommen war. Es handelt sich dabei nicht um Irrungen der unmittelbaren Nachkriegszeit, sondern um Zustände, die bis weit in die 1990er-Jahre die Regel waren. Erst 1994 wurde Priebke von einem Team des amerikanischen Fernsehsender ABC „enttarnt“. Kurz darauf verlangt die italienische Regierung seine Auslieferung, der erstaunlicherweise stattgegeben wurde. Echevarría bündelt die Ereignisse, verbindet historisches Archivmaterial mit Home Movies der Familie Priebke und befragt Zeitzeugen. Es gelingt, das Schreckgespenst eines unrechtbewussten Gemeinwesens zu entwerfen, dessen Mitglieder auch heute noch an das „zweite Leben des Erich Priebke“ glauben wollen, eines argentinischen Deutschen mit großen Verdiensten für die Gemeinde. Doch Echevarría geht weit über die bloße Ansammlung erschreckender Fakten hinaus und bringt als ehemaliger Bürger der Stadt und als Schüler der Deutschen Schule, der Priebke und die deutsche Gemeinde erdulden musste, viel, mitunter zu viel Persönliches in seinen Film ein. Das mag als dramaturgischer Kunstgriff gedacht sein, lenkt aber allzu sehr ab. So dramatisieren die nachgestellten Szenen aus der Kindheit des Regisseurs die Historie keineswegs, sondern bagatellisieren sie und signalisieren eine Betroffenheit, die im Grunde niemand interessiert. Ähnlich verhält es sich mit dem mitunter nahezu weinerlich eingesprochenen Off-Kommentar, der in der Enttäuschung des Autors gipfelt, dass ihm die ABC-Kollegen bei der Enttarnung des Verbrechers zuvor gekommen sind („meine Aufgabe“). Hier mischt sich ein selbst auferlegtes patriotisches Sendungsbewusstsein mit filmischem Journalismus, wobei sich beide Ansätze gegenseitig im Weg stehen. So bleibt am Ende nur die Einsicht, dass der Film Dinge vermittelt, die man längst aus anderen Quellen kennt, wobei der detailversessene Film zumindest ein mühsames Quellenstudium erspart.
Kommentar verfassen

Kommentieren